Essen. . Immer mehr Kitas auch in Essen lehnen selbstgebackenen Geburtstagskuchen ab. Es geht um Hygiene, Allergien - und sogar um Stigmatisierung.
Einst beliebt, heute weitgehend verpönt: der selbstgebackene Geburtstagskuchen im Kindergarten. Die Liste der Einwände gegen diese süße Aufmerksamkeit wird immer länger und der Tortenstress größer. Mal geht’s um strengere Hygienevorschriften und geänderte Essgewohnheiten – manchmal wohl auch nur um ein übertriebenes Streben nach Korrektheit. Zusammen ergibt es eine ziemlich unappetitliche Mixtur, die bereits zu vielen Restriktionen auch in Essener Kitas geführt hat.
Es sich einfach nur schmecken lassen und auf die Backkunst der Eltern vertrauen – das war einmal. Der Kita-Zweckverband im Bistum Essen fährt schon seit gut einem Jahr einen klaren Kurs. „Wir raten unserem Personal dringend davon ab, selbstgebackenen Kuchen anzunehmen“, betont eine Sprecherin, und fügt hinzu: „Ein Verbot sprechen wir aber nicht aus.“
Auf keinen Fall rohe Eier verwenden
Geschäftsführer Peter Wenzel führt bei seinen Bedenken nicht nur hygienische Vorschriften an. So soll ein Kind beispielsweise nicht ausgegrenzt werden, „weil es beim Geburtstag keinen Kuchen für die anderen Kinder mitbringen kann“. Auch religiöse Bedenken etwa von muslimischen Eltern, Allergien und andere Lebensmittelunverträglichkeiten (Laktose, Gluten) spielten eine Rolle. Allein in Essen hat der Zweckverband des Bistums 68 Kitas.
Etwas weniger rigoros geht es beim Jugendamt der Stadt zu, das 48 Kindertageseinrichtungen unterhält. Aber auch dort kennt man das Problem. „Wir haben die Verständigung mit den Eltern gesucht und praktikable Lösungen“, heißt es. Das könne zum Beispiel so aussehen: Eltern könnten Kuchen backen, aber bitte ohne Eier, um die Gefahr einer Salmonellen-Vergiftung auszuschließen.
Andere Möglichkeit: Die Eltern bereiten den Salat zu Hause vor, öffnen das Mayonnaise-Glas aber erst im Kindergarten unter den Augen der Köchin, die mit den entsprechenden Hygiene-Regeln vertraut ist. „Die Bestimmungen gelten natürlich auch für uns, aber hier soll trotzdem gefeiert werden können“, heißt es beim Jugendamt.
In der „Blauen Kita“ in Altendorf ist der Geburtstagskuchen noch nicht ausgestorben. „Die Vorschriften sind strenger geworden, aber wir halten gerne an diesem Ritual fest“, sagt Sabine Howaldt, die langjährige Leiterin dieser evangelischen Einrichtung. Strenge Vorschriften – das bedeute konkret: Rohe Eier (etwa für Tiramisu oder Mousse au Chocolat) dürften laut Lebensmittelverordnung allerdings auf keinen Fall verarbeitet werden. Darauf weisen sie auch ausdrücklich hin, wenn um Kuchen-Spenden fürs Sommerfest gebeten werde. „Auch Fabriktorten wie die von Coppenrath & Wiese oder selbstgemachte Sahneschnitten dürfen nicht mitgebracht werden. Niemand weiß ja, ob die Kühlkette unterbrochen wurde“, so Howaldt.
Veganen Kuchen von zuhause
Unterm Strich blieben aber noch jede Menge Kuchen-Spezialitäten, die die Schwelle zur „Blauen Kita“ passieren dürften und allgemein akzeptiert seien. „Feste Kuchen oder Muffins sind überhaupt kein Problem.“ Kinder, die sich vegan ernährten, gebe es in ihrer Einrichtung nicht. Sollte dies einmal der Fall sein, würden die Eltern aufgefordert, „ihren Kindern veganen Kuchen von zuhause mitzugeben, falls sie den hier angebotenen Kuchen nicht mögen“.