Essen. . Im Mathias-Stinnes-Stadion in Karnap wird für 700 Flüchtlinge das größte der Essener Zeltdörfer gebaut. Die Nachbarn in der Beisekampsfurth sind besorgt.

Die Bedrückung kann man der sonst so lebenslustigen Gerda Hilger in den traurigen Augen ablesen. „Wissen Sie“, sagt die Rentnerin, „ich weiß jetzt, wie sich das anfühlt, wenn ein Lebenstraum zerplatzt.“ Sie schluckt kurz. Gerda Hilger wohnt mit Ehemann Frank und Hündin Paula in der Beisekampsfurth in Essen-Karnap. Vor 14 Jahren sind sie in die Straße gezogen. 2004 haben sie die Doppelhaushälfte erworben. „Ein Häuschen war unser Lebenstraum. Wir haben es hier in der Idylle aus Ruhe und Grün gefunden. Damit ist bald Schluss“, fürchtet Gerda Hilger. „Das Leben kann grausam sein.“

Wenn man aus der Haustür der Hilgers tritt und über die Straße geht, steht man auf dem kleinen grünen Wall des Mathias-Stinnes-Stadions. Hinter den Bäumen entsteht gerade das größte der sieben Essener Flüchtlingsdörfer. 700 Menschen sollen hier einziehen.

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Die künftigen Nachbarn, die fast alle seit Jahrzehnten in der Beisekampsfurth im Schatten des Müllheizkraftwerks wohnen, haben davon erst aus der Zeitung erfahren. Die Häuser und Wohnungen in der ehemaligen RWE-Siedlung sind der Stolz des kleines Mannes. Der ist jetzt besorgt. Ein Mann plante den Umzug, wollte zwei Wohnungen verkaufen. „Die Käufer sind abgesprungen. Neue finde ich nicht.“

Drei neue Überwachungskameras: „Zur Sicherheit“

Rentner Helmut Basdek will und wird nicht verkaufen. Er wohnt hier seit 35 Jahren. Zum Haus gehören 400 Quadratmeter Garten mit kleinem Leuchtturm, Holz-Reiher, Gartenhäuschen und Hündin Sina, ein Jagdhund-Mix, der in die Jahre gekommen ist und entsprechend müde herumliegt. Bald gehören drei Überwachungs-Kameras zum Garten von Helmut Basdek. „Zur Sicherheit.“

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Vor wenigen Jahren waren gleich hinter der Stadtgrenze zu Bottrop Wohnungen mit Flüchtlingen. „Da wurden bei uns die Kürbisse aus dem Garten geholt. Und Fahrräder gab es in der ganzen Straße nicht mehr“, erinnert sich Brigitte Czieczor. Die 63-Jährige wohnt mit Ehemann Rolf, 72, am Anfang der Beisekampsfurth. „400 Flüchtlinge wären in Ordnung gewesen. Aber jetzt 700? Das ist zu viel“, sagt Brigitte Czieczor mit besorgter Stimme. „Ich habe Angst. Ich weiß nicht, ob ich abends noch allein mit unserem Hund Gassi gehe.“

Die Ungewissheit vor dem, was da kommt, was da bald vor ihrer Haustür steht, macht den Bewohnern in der Beisekampsfurth Angst. Die Massen-Schlägerei in einem hessischen Flüchtlings-Zeltlager hat noch mal für weitere Unruhe gesorgt. „Das kann uns hier doch genauso passieren“, fürchtet Rentner Rolf Czieczor.

„Wir fühlen uns einfach verarscht“

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Derzeit wird er morgens von den Lastern geweckt, die teilweise im Minutentakt durch die enge Straße zur Baustelle im Stadion fahren. In den Wohnungen wackeln die Nachtspeicheröfen, wenn wieder ein dicker Brummi vorbeirauscht. „Der Lärm wird nicht weniger werden“, ist Gerda Hilger sicher.

Auch ihr Haus ist gerade eine Baustelle: Gatte Frank und sie haben im Sommer mit der Renovierung des Eigenheims begonnen. Alles soll für den näherrückenden Lebensabend auf Vordermann gebracht werden. „Das würden wir jetzt nicht mehr machen.“ Und dann ist Gerda Hilger nicht nur enttäuscht, sondern auch sauer: „Wir fühlen uns einfach verarscht.“