Essen. Hermann Schmidt-Rahmer thematisiert Gefahr riesiger Sammlung von Daten. Als Komödie bringt er „Ich habe nichts zu verbergen“ ins Grillo-Theater.

„Die Gedanken sind frei“ heißt ein vieldeutiges altes Volkslied. Nur wahr ist es nicht mehr. Mit der Nutzung des Internets und der Sammlung riesiger Datenmengen werden wir schleichend zum gläsernen Menschen. Ein Stein des Anstoßes ist das kaum. Niemand sieht noch in Orwells Roman „1984“ eine Warnung, niemand geht auf die Barrikaden wie in den 1980er Jahren, als staatlich verordnete Fragebögen uns in die Köpfe schauen wollten.

„Ich war aktiv in der Anti-Volkszählungsbewegung“, erinnert sich Regisseur Hermann Schmidt-Rahmer. „In der Rückschau waren die Fragen lächerlich gegen das, was ich heute freiwillig preisgebe.“ Die Auswirkungen der permanenten Bildschirmfixierung zeigt sein Projekt „Ich habe nichts zu verbergen - Mein Leben mit Big Data“, das jetzt am Grillo-Theater uraufgeführt wird.

Gesellschaftlich brisante Themen beschäftigen ihn seit einigen Jahren. Ist es nun der freie Wille bei „Clockwork Orange“, die Abgründe der Moral bei „Manderlay“ oder die Meinungsfreiheit bei „Wir sind die Guten“. Doch diesmal nimmt sich der Wahlberliner mit Lehrauftrag an der Universität der Künste betont nicht aus. „Ich kenne keinen, der sich dem Internet entziehen kann. Die Verführung ist zu gewaltig“, sagt er. „Doch wir müssen uns fragen, warum ein Hochtechnologie-Gerät einen Euro kostet, Musik und Apps scheinbar umsonst sind. Wir bezahlen mit unseren Daten, die für die Planung von wirtschaftlichen Abläufen bei Versicherungen oder den Wandel der Gesundheitsindustrie hoch attraktiv sind. Dabei stehen wir mit der Nutzung noch am Anfang.“

"Was bleibt vom Menschen übrig?"

Basierend auf einer Materialsammlung von zwei Regalmetern, darunter Frank Schirrmachers Bücher „Payback“ und „Ego“, und der Spielweise der Sitcom „Big Bang Theory“ kommt es nicht von Ungefähr, dass „Big Data“ in Hermann Schmidt-Rahmers Abend ein verfressenes Baby ist und personifizierte Apps das Leben einer Familie aufmischen. Anders als sonst wurde aus seinem Projekt „ein richtiges Theaterstück mit festen Rollen und einer Komödienstruktur“. Am Anfang gab es nur szenische Skizzen, die der 54-Jährige dann gemeinsam mit den Schauspielern verdichtet hat. Da tummeln sich auf der Drehbühne der technikaffine Vater, die besorgte Mutter und die naive Tochter. Da geht es um eine junge Frau, die erfährt, was man alles über sie weiß, die Selbstoptimierung im Job oder die Vermessung eines Sterbenden. Zwischen Wohnzimmer, digitalem Arbeitsplatz und einer Bar mutiert der Mensch zum Anhängsel einer Maschine. „Informativ und aufklärerisch soll es werden, aber auch unterhaltsam“, so der Regisseur. Witzig? „Hoffentlich.“ Zukunftsweisend? „Mit Sicherheit.“ Erschreckend? „Ich glaube schon.“ Immerhin wird klar, wie Google bereits an der künstlichen Intelligenz arbeitet.

Daten zum Big-Data-Abend

„Ich habe nichts zu verbergen - Mein Leben mit Big Data“ von Regisseur Hermann Schmidt-Rahmer hat am Samstag, 3. Oktober, um 19 Uhr, im Grillo-Theater Premiere.

Zum künstlerischen Team gehören die Schauspieler Thomas Büchel, Daniel Christensen, Lisa Heinrici, Ines Krug, Raphaela Möst, Philipp Noack und Jan Pröhl. Die Bühne hat Thilo Reuther erdacht, die Kostüme Michael Sieberock-Serafimowitsch.

Termine und Karten - auch noch für die Premiere - gibt es unter: 0201-8122 200 oder www.schauspiel-essen.de

Problembewusstsein - schön und gut. Aber haben wir keine anderen Sorgen? „Kurzfristig sicherlich“, sagt Hermann Schmidt-Rahmer und steht bereits mit einem Stück zur Flüchtlingsproblematik auf dem Bochumer Spielplan. „Langfristig ist die Frage: Was bleibt vom Menschen übrig? Was, wenn so ein Konzern in die falschen Hände gerät.“ Für ihn das Ende vom Lied, wenn jeder die Option hätte, den anderen komplett zu durchschauen. „Dann wären wir bei der totalen Gedankenkontrolle.“