Essen. Wohlstandsverluste wegen der Flüchtlinge seien unvermeidlich und zumutbar, sagte Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck in einer Predigt. Der „Shitstorm“ im Netz ist gewaltig.

Die Aussagen waren glasklar, und hoben sich ab von der Politiker-Rhetorik Marke „Wir schaffen das schon“: In einer Predigt vergangenen Sonntag hatte Essens Bischof Franz-Josef Overbeck vor dem Hintergrund der Flüchtlingskrise nicht nur für eine Politik der offenen Grenzen geworben, sondern auch den Menschen in Deutschland prophezeit, sie müssten auf Wohlstand verzichten und überhaupt ihre Lebensgewohnheiten ändern.

Wie so oft blieb es in den sozialen Netzwerken nicht bei – legitimem – sachlichen Widerspruch und Protest, der bei dem durchaus provokanten Bischofswort auch zu erwarten war. Ein Sturm der Entrüstung brach aus. Zwei Tage lang habe er „niveaulose Beleidigungen, Verallgemeinerungen und Weltverschwörungstheorien lesen, moderieren und löschen müssen“, stöhnt der Journalist Simon Wiggen, in der Bistums-Pressestelle zuständig für die Betreuung sozialer Medien wie „Facebook“.

AfD-Spitzenpolitikerin Beatrix von Storch schießt gegen Overbeck

Auch von halbprominenter Seite regte sich Widerspruch an den Flüchtlings-Thesen des Bischofs: „Ist das hier eine Fake-Seite? Oder ist das tatsächlich die des Bistums und die Forderung des Bischofs echt? Ich kann und will das nicht glauben“, ließ Beatrix von Storch wissen. Die AfD-Europaabgeordnete ist spätestens mit dem Sturz des früheren Parteichefs Bernd Lucke eine der Galionsfiguren der arg ins rechte Milieu abgekippten Partei geworden. Und Andreas Hellmann, für die FDP im Rat der Stadt Essen, ließ sich ebenfalls auf Facebook mit direkten Bezug auf Overbeck zu einer hier nicht zitierbaren englischen Schmähwendung hinreißen.

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Manch anderer beließ es bei mehr oder weniger sachlicher Ablehnung. Tenor: "Nicht ich muss mich ändern, die Flüchtlinge müssen sich vollständig unseren Gepflogenheiten anpassen." Natürlich erhielt Overbeck auch Zuspruch, wenn auch nicht gerade massenhaft. Hauptsächlich aber gab es kübelweise Hass und einen primitiven Antiklerikalismus auf der Facebook-Seite des Bistums. Gelöscht wurden nur die härtesten Beleidigungen, vieles ist immer noch zu lesen. Das Bistum sieht das soziale Netzwerk als wichtige Plattform an und hat auch in schweren Fällen noch den Dialog gesucht, manche Pöbler dann aber doch aus der Seite geworfen. Generalvikar Klaus Pfeffer stellte fest, der Hass und das „Ausmaß an Aggression“ machten ihm „wirklich Angst“.

Bischof steht in Wirtschaftsfragen in der Tradition des Sozialkatholizismus

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© WAZ

Beschimpft wird niemand gerne, allerdings scheint der Bischof sich so unwohl nicht zu fühlen, wenn er mit klaren Ansagen auch mal Pfeile auf sich zieht. Bundesweit berühmt wurde Overbeck durch seinen Auftritt bei „Anne Will“ im Jahr 2010, als er Schwulsein zur Sünde erklärte und wochenlang Protest erntete. Bei Wirtschaftsthemen steht Essens Bischof ganz in der Tradition des Sozialkatholizismus. „Keiner seiner deutschen Amtskollegen formuliert in Fragen der humanitären Moral, der Kapitalismuskritik und der globalen Armutsthemen derart prägnant wie Bischof Overbeck“, sagt Essens Bistumssprecher Ulrich Lota. Overbeck könne dann durchaus auch mit Gegenwind aus den eigenen Reihen leben.

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„Er sagt das, was geboten ist, und es bleibt nicht aus, dass man dann einige Leute verprellt“, so Lota. Wenn manche Katholiken Overbecks Thesen als Grund nähmen, sogar auszutreten oder den Kirchenaustritt anzudrohen, dann sei dies aus Sicht des Bischofs notfalls hinzunehmen. Es sei jedenfalls kein Grund, Positionen zu verändern, die er moralisch und/oder theologisch für alternativlos halte.

Vorwurf: Kirche kann ja erst mal auf ihr eigenes Vermögen verzichten

Mit Austritt drohten auch jetzt etliche auf der Facebook-Seite des Bistums als Reaktion auf Overbecks Positionen in der Flüchtlingskrise. Manche erklärten auch: Bevor der Bischof andere zum Verzicht ermahnt, möge er doch das nicht unbeträchtliche Vermögen der Kirche im Sinne der Flüchtlinge aufzehren. Ein Einwand, mit dem man sich durchaus auseinandersetzen muss, meint Ulrich Lota. „Ich glaube aber, was die Kirche hier leistet, kann sich jetzt schon mehr als nur sehen lassen.“ Neben beträchtlichen finanziellen Aufwendungen seien allein aus den Pfarrgemeinden des Bistums Essen über 1000 Ehrenamtliche in der Flüchtlingshilfe aktiv. Ihr Bischof, soviel ist sicher, ist stolz auf sie.