Essen. Früher war der Essener Norden für die SPD ein Selbstläufer. Am Sonntag hat Essens Oberbürgermeister Reinhard Paß hier nicht viel geholt. Die Basis ist gealtert, geschrumpft und unzufrieden.

Dass Reinhard Paß knapp 17 Prozent der Stimmenanteile in Karnap eingebüßt hat, liegt sicherlich nicht an den acht Damen in dieser Kaffeerunde. Denn hier, beim Handarbeitskreis der Awo sitzen noch richtige SPD-Stammwähler, Parteibasis wie aus dem Bilderbuch. Hier ist natürlich auch Wählen Ehrensache. „Natürlich sind wir alle zur Wahl gegangen“, stellt Leiterin Inge Havermann fest. Aber politisch blind und taub, das sind die Seniorinnen hier nicht. Was in Karnap so los ist, das kriegen sie allemal mit. „Ich habe im Bekanntenkreis viele Leute, die nicht mehr zur Wahl gegangen sind. Kein Interesse“, erzählt Gerta Schmidt. Die ehemaligen SPD-Hochburgen im Norden - sie haben bei der Oberbürgermeisterwahl arg geschwächelt. Das belegen nicht nur Eindrücke, auch die harten Zahlen des Wahlamtes.

Das Warum, das ist längst nicht mit einem Satz geklärt. „Ich denke, dass den Reinhard hier auch nicht so viele kennen. Der Horst Katzor war ein Bürgermeister, der hat noch selbst mit meinem Vater die Plakate geklebt“, berichtet Inge Havermann, fast 40 Jahre lang SPD-Mitglied. Gut kann sie sich noch an Zeiten erinnern, in denen sie mit 30 Awo-Frauen in den Wahlkampf gezogen ist. „Wir sind ja nicht mehr so viele. Aber es geht doch heutzutage erst ein paar Tage vor der Wahl rund“, stellt sie fest. Gerta Schmidt ergänzt: „Man gibt sich heutzutage keine große Mühe mehr.“ Auch fühlt man sich in diesem Kreis ein wenig allein gelassen, eine dringend gewünschte Überdachung für die Bushaltestelle „Stinnesstadion“ lässt schon lange auf sich warten. Ein allgemeines Problem? „Viele denken: Die tun nichts für uns“, sagt Annemarie Schmidt.

Partei und Paß in keinem guten Licht

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Das denkt auch die Katernbergerin Dagmar Herlitz. Jahrzehnte hat sie ihr Kreuzchen bei der SPD gemacht. Jetzt wählt sie die Tierschutzpartei. „Die SPD ist nicht mehr die Partei der kleinen Leute“, stellt sie fest. Zu Reinhard Paß konnte sie bislang keine richtige Verbindung aufbauen. Für den SPD-Stammwähler Mathias Schink war der Kandidat der Grund, der Urne fernzubleiben. „Er ist mir nicht sympathisch, hat sich nur wenig in Katernberg gezeigt. Ich glaube, dass viele Stammwähler nicht dabei waren, weil sie ihn loswerden wollten“, so der Katernberger.

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Auch bei Stammwählerin Sonia Hennigs war Paß durchgefallen. Das liegt zum einen an einer höchst unglücklichen persönlichen Begegnung, bei der sich die Katernbergerin für bessere Spielplätze einsetzen wollte und sich unfreundlich abgefertigt fühlte. Aber die Misere ist größer: „Schauen Sie sich doch mal um, wo Kinder hier spielen können“, sagt sie und deutet auf das Marktumfeld: „Paß tut einfach wenig für die Leute im Norden.“ Die Katernbergerin Petra Leonartz vom Mieternetzwerk Essen-Nord sieht die Schuld nicht nur in der Person Paß: „Ich denke, vielen hat nicht eingeleuchtet, dass man mit der OB-Wahl auch etwas bewegen kann.“