Essener Stadtteile. . Die Vorsitzende der Interessengemeinschaft Kindertagespflege in Essen möchte für mehr Anerkennung und bessere Voraussetzungen kämpfen.

Zu spät ausgezahlte Beiträge, konfuse Regelungen für Mietzuschüsse, die schwindende Wahlfreiheit für Eltern: Unter den rund 550 selbstständigen Kindertagespflegekräften in Essen macht sich zunehmend Unmut breit, nicht wenige fürchten um ihre Existenz. Nun hat Claudia Gößling, Vorsitzende der 2009 gegründeten Interessengemeinschaft Kindertagespflege in Essen e.V., beim Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Klage gegen die Stadt Essen eingereicht. Der Verein zählt aktuell 256 Mitglieder; Tendenz steigend. Denn die Liste der Vorwürfe und ungeklärten Probleme ist lang.

Ist es in der freien Wirtschaft üblich, dass man als selbstständiger Unternehmer seine Preise selbst bestimmt, so sind die Grenzen für selbstständige Tagesmütter und -väter durch das Kinderbildungsgesetz (Kibiz) immer enger abgesteckt worden. Private Zuzahlungen der Eltern – etwa für spezielle Betreuungsformen wie Montessori – sind kaum möglich, da allen Kindern unabhängig vom Einkommen ihrer Eltern ein Betreuungsplatz ermöglicht werden soll. Die Art der Ausbildung und das Angebot der jeweiligen Pflegepersonen spielen bei der Vergütung keine Rolle.

Essenszuzahlungen sind nicht mehr möglich

„Anders als in anderen Kommunen ist es in Essen sogar verboten, Essenszuzahlungen zu verlangen“, beklagt Claudia Gößling, die mit zwei Kolleginnen den Kindertagespflegeverbund „Rasselbande“ in Bergerhausen betreibt. Dort wird gesund gekocht, Gemüse und Obst sind aus dem Biomarkt oder direkt vom Erzeuger – was seinen Preis hat. „Die Eltern waren bereit, für gutes Essen mehr zu zahlen, haben sogar Unterschriften gesammelt. Mit dem nun geltenden Pauschalbeitrag von 1,88 Euro pro Tag und Kind können wir unser Angebot nur aufrecht erhalten, wenn wir aus eigener Tasche zuzahlen“, sagt Gößling.

Verwirrung stiftet auch der von der Stadt monatlich einbehaltene Betrag von einem Zwölftel des Betreuungsgeldes: Für ein Kind, das in Vollzeit betreut wird, zahlt die Stadt so statt der festgelegten 1036 Euro nur 937 Euro aus – nach Angaben von Gößling ein landesweit einzigartiger Vorgang. „Mit dem Geld sollen Krankheitsvertretungen, Urlaub und Fortbildungen bezahlt werden. Im Pflegeverbund vertreten wir uns hingegen selbst, wenn jemand krank wird – das Geld aber bekommen wir trotzdem nicht“, sagt Gößling. Eine Transparenz darüber, wo genau die Summe hinfließe, gebe es nicht, so der Vorwurf.

„Wir fühlen uns nicht richtig wertgeschätzt“

„Grundsätzlich fühlen wir uns von der Stadt nicht richtig wertgeschätzt – warum sonst führt Sozialdezernent Peter Renzel aus, er wolle den Anteil der Tagespflege in der U3-Betreuung von 37 auf 25 Prozent senken?“, fragt sich Andrea Belusa, die ebenfalls im Vorstand der Interessengemeinschaft engagiert ist. Sie ärgert sich auch über den 2014 geänderten Mietzuschuss: „Wer externe Räume mit einem großen Außengelände anbietet, wird bestraft. Als Pflegeverbund, also als Zusammenschluss mehrere Tagesmütter, erhält man den Zuschuss nur bei einer Fläche von 70 bis 90 Quadratmetern, ist die Fläche größer oder kleiner, erhält man nichts.“

Viele dieser Faktoren führten dazu, dass am Ende des Monats im Vergleich zum Vorjahr etwa 10 bis 25 Prozent weniger im Portemonnaie der Tagespflegekräfte blieben. „Die angehobenen Betreuungssätze, die die Stadt gerne als Gegenargument aufführt, reichen bei Weitem nicht aus, die Mehrkosten zu decken“, sagt Gößling.

Termin mit dem Jugendamt Ende September

Die Stadt reagiert mit Gesprächsbereitschaft auf die Kritik der Tagespflegekräfte: Nachdem es im Juni bereits einen bislang ergebnislosen Dialog mit Sozialdezernent Peter Renzel gegeben hatte, sei ein weiterer Termin für Ende September bereits fest terminiert, heißt es aus dem Rathaus.

Gemeinsam mit Jugendamtsleiterin Annette Berg sollen dann strittige Punkte wie etwa der zu einem Zwölftel einbehaltene Beitrag diskutiert werden. Zudem stehen dann laut Klageschrift rechtswidrige Bescheide zur Diskussion. Die gezahlten Beiträge pro Kind müssten demnach in Sachkosten und Pflegeaufwand unterteilt werden, was in Essen bislang nicht der Fall ist. „Uns wurde gesagt, dass das an technischen Schwierigkeiten liegt“, sagt Gößling, die auch diesen Punkt in ihrer Klage aufführt. Zur schrittweisen Reduzierung der Tagespflege sagt Jugendamtssprecher Peter Herzogenrath: „Die Eltern wollen überwiegend, dass ihre Kinder in Kitas betreut werden. Diesem Wunsch tragen wir mit dem Kita-Ausbau Rechnung.“ Claudia Gößling sieht das anders: „Die Eltern sollten weiterhin die Wahl haben – das funktioniert aber nur, wenn wir pünktlich und gerecht entlohnt werden.“