Essen. Kistenweise Schulmaterialien sammelt die Essenerin Sultan Keskin von privat ein und bringt sie Schulen, damit diese Flüchtlingskinder und Kinder mit wenig Geld ausstatten können. Spenden stammen aus ganz Deutschland.

Sultan Keskin rotiert. Einsammeln, wegbringen, dolmetschten, arbeiten, zwischendurch ein Kinderlächeln einkassieren. Am Wochenende quetschte sie ihren Opel Corsa gut voll, um die von Kölner Spendensammlern gepackten Schulmaterialien nach Essen zu bringen. „Die Familie hatte drei große Kisten gepackt und das Porto wäre viel zu teuer geworden. Also bin ich da hin“, erzählt Keskin, „die hatten sogar eine Schultüte gebastelt. Das fand ich so toll, dass ich danach auch noch welche gemacht habe. Ich wollte einfach nicht das Kinder, deren Eltern diese deutsche Tradition nicht kennen, bei der Einschulung ganz ohne Schultüte dastehen.“

Die 22-jährige Essenerin sammelt seit Februar mit viel Engagement und Mühe all die Dinge von Privatleuten aus ganz Deutschland ein, die Schulkinder der Klasse 1 bis 4 so brauchen. Manches kommt zu ihr per Post, manchmal holt sie etwas ab. Der Name ihrer Aktion ist Programm: „Schenk einem Kind einen Stift“ heißt sie und ist auf Facebook zu finden. Jeder Stift, jedes Radiergummi landet nachher bei Kindern, die sich Schulsachen nicht leisten können, deren Eltern wenig Geld haben. Darunter fallen vor allem Flüchtlingskinder ohne Deutschkenntnisse, die einzeln als so genannte Seiteneinsteiger zur Grundschule gehen, oder in 18-köpfigen Seiteneinsteigergruppen unterrichtet werden.

Spenden erwünscht

Benötigt werden Schulmaterialen für die Klasse 1-4: Schulranzen, alle Stifte (wie Füller, Filz-, Blei-, Buntstifte), Schreib- und Rechenhefte, Schnellhefter, Zeichenblock, Radiergummi, Anspitzer, Lineal, Schere, Klebe, Farbkasten, Federmappen oder Tornister.

Spendenpakete gehen an: Grundschule Bergmannsfeld, z.Hd. Sultan Keskin, Erasmusstr. 44, 45279 Essen.

Infos auf Facebook („Schenk einem Kind einen Stift“).

Die freuen sich riesig über Spenden, die bei den Vorbesitzern meist ungenutzt herumliegen, weil der fünfte Kugelschreiber dann doch zu viel ist, Schulhefte im Großpack gekauft und nicht verbraucht werden oder der Schultornister dem eigenen Kind nicht mehr gefällt. Hat Keskin genügend zusammen, um eine der Grundschulen ausreichend zu versorgen, fährt sie dort vorbei und überreicht die Sachen der Schulleitung. Jetzt war sie bei der Hövelschule in Altenessen. „Im ersten Moment überrascht das die Schulen total, die sind ganz schön schockiert, weil einfach Hilfe vor der Tür steht“, plaudert Keskin über ihre Ein-Frau-Verteilaktion. Die Hövelschule war die vierte Grundschule auf dem Fahrplan, nächste Woche geht’s weiter.

Deutsches Ehepaar organisierte Geburtstagsfeiern

„Wir sind noch gar nicht dazu gekommen die Sachen an die Kinder zu verteilen“, verrät David Stawowy vom Leitungsteam der Hövelschule. Das will wohlüberlegt sein, damit alle Kinder am Ende das Nötigste haben. „Wir haben auch Kinder, die kommen ohne Tornister und nur mit einer Plastiktüte in die Schule“, sagt Stawowy um klarzumachen, das Hilfe wirklich nötig ist. Für etwas mehr als 40 Grundschulkinder hat Keskin ihm eine Grundausstattung für den Unterricht in die Hand gedrückt.

Bisher konnte Keskin so 200 Kindern helfen. „Und ich habe weitere Überraschungsbesuche geplant.“ Sie hangelt sich dabei an der städtischen Liste entlang, die die Zahl der Seiteneinsteigerkinder pro Grundschule verrät: „Allerdings ist die schon alt, von März.“ Erst im September erhält der Schulausschuss eine neue Liste – aber Keskin hat eh genug zu tun. In den Sommerferien hat sie viel gesammelt was nun weiterverteilt werden will. Sollten alle Grundschulen versorgt sein, will sie die Hauptschulen abklappern.

Wenn sie nicht gerade Kisten packt oder ausliefert, dann dolmetscht Keskin auch noch. Morgens vor dem Weg zur Arbeit steht die 22-Jährige zwei Stunden lang Kindern zur Seite, übersetzt ihnen alles ins Kurdische und Türkische an ihrer eigenen Grundschule, der Joachimschule. Danach geht’s nach Duisburg zum Job als Bankkauffrau. „Meine Eltern beschweren sich, weil sie mich mittlerweile so selten sehen“, erzählt Keskin lachend, dabei sind die Eltern superstolz.

„Als ich mit vier Jahren als Flüchtling mit meiner Familie nach Deutschland kam, hat mir ein deutsches Ehepaar sehr viel geholfen“, erinnert sich Keskin, „die kamen ins Asylheim, haben mit uns gespielt, Deutsch geübt und sogar Geburtstagsfeiern organisiert.“ Jetzt ist sie selber am Drücker.