Essen. . Nach seiner Kandidatur 2009 tritt der Theaterunternehmer Christian Stratmann erneut an. Er ist Außenseiter und sagt: „Demokratie braucht Vielfalt.“ Seine Botschaft: Die FDP lebt.
Es ist fast unmöglich, den liberalen OB-Kandidaten in eine Schublade zu pressen. Wenn sich Christian Stratmann mit den bunten Travestiekünstlern aus seinem Hertener Revue-Palast ablichten lässt, wirkt er – der Prinzipal - selbst eher wie ein dem Alltag entrückter Paradiesvogel. Dann das fabulöse Erinnerungsfoto zuhause in seinem geschmackvoll eingerichteten, in warmen Holztönen gehaltenen Esszimmer. Ein Bild, auf dem Stratmann fast Staatsmann ist: nämlich honoriger Gast im Schloss Bellevue – zusammen mit dem Präsidentenpaar Christian und Bettina Wulff und seinem Ehepartner Ryszard. Zur OB-Wahl präsentiert er sich vor blauem Plakat-Hintergrund so: „Ein Unternehmer wird Oberbürgermeister“.
Es ist unterhaltsam, Christian Stratmann zuzuhören. Was rasch rüberkommt: Der 64-Jährige ist mit sich und der Welt im Reinen.
Ein Suchender
Geboren in Verl als jüngstes von neun Kindern („ein Sonntagskind“) und Spross eines tüchtigen Sparkassen-Rendanten besitzt er eine starke ländlich-katholische Prägung mit viel Sinn für bürgerschaftliches Engagement. Nach dem frühen Tod des Vaters zieht die Mutter mit dem Achtjährigen und der Kinderschar nach Essen. „Das war für mich zuerst ein Schock“, gesteht er.
Als zielstrebige Altersgenossen längst Laufbahnen einschlagen, ist Christian Stratmann immer noch: ein Suchender. Er wirft das Sozialpädagogik-Studium, reist durch England, jobbt – und landet schließlich als Fahrer bei einem Lesezirkel. Genau das sollte der Wendepunkt werden. Denn rasch erkennen sie sein Verkaufstalent und holen ihn als Vertriebsmanager nach Hamburg. „Diese Erkenntnis zieht sich durch mein Leben“, sagt er, „ein gutes, authentisches Produkt müssen Sie stimmig und authentisch verkaufen. Auch in der Politik.“
Auf der Reeperbahn taucht er in den 80-er Jahren ein in die schillernde Welt von Tingeltangel und Theater. Längst hat er beide Sphären – das Unternehmerische und das Künstlerische – zusammengefügt: Zuerst als Geschäftspartner seines Kabarettisten-Bruders Ludger („Doktor Stratmann“) im Essener Europahaus – und seit langem als Prinzipal von Mondpalast Wanne-Eickel und Revue Palast Herten. Heute darf er stolz sagen: „Ich zähle zu den erfolgreichsten Theaterunternehmern im Land.“
Kein Freund von Worthülsen
Der FDP gehört er seit Ende der 70er Jahre an – eine Partei, mit der er prägende Persönlichkeiten wie Heuss, Genscher und Baum verbindet. Polit-Rhetorik voller Worthülsen abzuspulen, ist nicht sein Ding. Er sagt: „Politik darf den Menschen nicht nach dem Mund reden, wir müssen sie in die Verantwortung nehmen.“ Sodann wettert er, der Freigeist, gegen Regulierungswut, Schilderwälder und Veggie-Day. Sechzig Mitarbeiter zählt sein Unternehmen – vom Künstlerischen Leiter und der Verwaltung bis zur Garderobenfrau. „Ich brauche selbstbewusste Mitarbeiter, die selber nach Lösungen suchen.“
Das respektable Sechs-Prozent-Ergebnis von der OB-Kandidatur 2009 möchte Christian Stratmann dieses Mal gerne wiederholen. Dass er keine wirkliche Chance auf den Top-Job im Rathaus hat, hält ihn keineswegs ab. „Ich trete an, weil Demokratie von Vielfalt lebt, und die Leute sollen sehen: die FDP lebt.“
Kreatives Sparen
Die beiden Favoriten für die Stichwahl skizziert er als Berufspolitiker ohne Herzblut, er vermisst Risikobereitschaft und sagt: „Ich finde es dreist, wie mit der Stadt umgegangen wird, die nicht nur, aber auch ein Unternehmen ist.“ Ganz oben an stehen für ihn geordnete Stadtfinanzen. „Es geht um kreatives Sparen, nicht um Kaputtsparen.“ Der Liberale will ferner das Ehrenamt gestärkt sehen, er dringt auf mehr Investitionen in Bildung und die Stärkung der Kulturstadt Essen.
Im Wahlkampf werde er nicht nur Plakate und Flyer, Kugelschreiber und Luftballons einsetzen, sondern auch das: Humor. Christian Stratmann kocht gerne und feiert Karneval, er ist seit einem Jahr Nichtraucher („von 40 auf null“) und geht offen mit seiner geschlechtlichen Orientierung um. „Ryszard und ich haben vor drei Jahren geheiratet, das ist auch eine politische Aussage: Jeder soll so leben, wie er möchte.“