Essen. Furchteinflößend hässlich ist der Luftschutzraum unter dem Pfarrhof der St. Dionysiuskirche in Borbeck. Für die WAZ öffnete Heinz Werner Kreul seine Pforten.

Überall in Essen öffnet die WAZ in diesen Sommerferien Pforten und stellt sie ausführlich vor. In Borbeck ist es etwas anders: Heimathistoriker Heinz Werner Kreul öffnet wohl gerne für 20 WAZ-Leser die Pforte des Luftschutzraums unter der St. Dionysius-Kirche – doch den genauen Ort dieses Eingangs hängt er nicht an die große Glocke: „So etwas zieht schnell irgendwelche Spinner an.“ Braunen Spuk möchte er in Borbeck nicht erleben.

Den gab es vor 75 Jahren schon mehr als genug. Die Wehrmacht hatte gerade im September 1939 Polen überfallen, als die Nazis schon wenige Tage später auch in Borbeck den Bau von Luftschutzräumen verlangten.

Die Sorge vor Angriffen war berechtigt: Hitlers Panzer-Schmiede war nur wenige Kilometer entfernt. Auch Kirchengemeinden mussten für ausreichenden Schutz sorgen – ihre Kellergewölbe unter den Kirchen boten sich geradezu an. Ehe sie sich versahen, waren Pastor Johannes Brokamp schon Betriebsführer und Lehrer Fritz Felten der Betriebsschutzleiter, beide dem Luftbaukommando VI unterstellt. Erste Anweisung: Das Läuten der Kirchenglocken ist ab sofort verboten – aus Gründen der Luftabwehr. Bimbam hätte wohl die Bomber angelockt . . .

Luftschutzraum in Borbeck

WAZ öffnet Pforten : Dionysius - Luftschutzraum in Borbeck , Heinz Werner Kreul führt die Gruppe , Foto:  Stefan Arend / Funke Foto Services
WAZ öffnet Pforten : Dionysius - Luftschutzraum in Borbeck , Heinz Werner Kreul führt die Gruppe , Foto: Stefan Arend / Funke Foto Services © WAZ
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Abstellkammer als Luftschutzraum

Als Luftschutzraum boten die Katholiken eine Abstellkammer an, in dem Baldachin und Fahnen, Kreuze und Kerzen für die Fronleichnamsprozession aufbewahrt wurden. Sie hatte zudem eine Betondecke – anders als der Hühnerstall des Pastors gegenüber.

Nach und nach baute die Gemeinde ihren Luftschutzraum aus. „Es waren alles Nachbarn der Kirche, die sich damit befassten“, erzählte Heinz Werner Kreul. Der Raum unmittelbar neben dem Kirchenschiff bekam Gasschleusen, die Betondecke wurde verstärkt und mit einer 50 Zentimeter dicken Erdschicht bedeckt. Im Sommer 1940 meldete Pastor Brokamp dem Stadtbauamt Essen: „Der Neuausbau des Luftschutzraumes geht seiner Vollendung entgegen.“ Über seine Qualität macht sich der Dionysius-Archivar Kreul keine Illusionen: „Ein Peng, und alles wäre weg gewesen!“

Ein Blick in den Luftschutzraum.
Ein Blick in den Luftschutzraum. © WAZ

Wie viele Menschen überhaupt in den „Katakomben“, wie die Borbecker den Raum nannten, Schutz finden konnten, ist nicht überliefert. Ursprünglich für 400 Personen konstruiert, sollten nach dem Einbau einer Lüftung sogar 800 einen Platz finden. „Das ist alles Spekulation“, findet Heinz Werner Kreul, „mit den Kindern und wenn alles zusammengekauert da saß, waren es vielleicht 600 Menschen.“

Gemischte Gefühle

Die WAZ-Leser betraten den langgestreckten Raum mit gemischten Gefühlen. Recht unbefangen, aber ernst, lauschte der zwölfjährige Alexander den Ausführungen. „Meine Uroma hat mir von der Zeit erzählt. Und im Unterricht haben wir auch schon über Bunker gesprochen“, schilderte der Waldorfschüler.

Rätselhaft ist der Sinn dieses Betonteils mitten im Raum.
Rätselhaft ist der Sinn dieses Betonteils mitten im Raum. © WAZ

Selbst noch ein Junge war zu Kriegszeiten Bernhard Thülig (79). „Wir waren auf Kinderlandverschickung. Als wir zurück gekommen sind, brauchten wir den Bunker nicht mehr. Als Messdiener haben wir später nur die Steine der kaputten Kirche gepickt.“

So sehr der Schutz vor dem Bombenhagel wohl nur eine Hoffnung war: Tatsächlich ist niemand unterhalb der Kirche ums Leben gekommen. Auch nicht am 25. Oktober 1944, dem Tag des größten Fliegerangriffs auf das Krupp-Werk und den Güterbahnhof. Eine Bombe hatte mit einem Schlag die St. Dionysiuskirche zerstört. Als die Menschen nach Stunden der Angst den Luftschutzraum verlassen konnten, standen nur noch der Turm und die Lourdes-Grotte.

Geschichte der „Katakomben“

Viele hundert Menschen aller Generationen hatten sich während der Kriegsjahre im Luftschutzraum verkrochen. Doch nach dem Krieg geriet der langgestreckte unterirdische Raum in Vergessenheit.

Heinz Werner Kreul, heute 70 Jahre alt und schon immer geschichtsinteressiert, stieß erst nach Jahrzehnten wieder auf das Versteck: „Als der Kirchplatz gepflastert wurde, wurden darin die Ziegel gelagert. Da bin ich rein und war erschrocken, was ich dort gesehen habe.“

Der schon damals hässliche Anblick hinderte allerdings die Pfadfinder der Gemeinde in den 60er Jahren nicht daran, einen kleinen Teil des Luftschutzraums als Partykeller zu nutzen. Man erkennt ihn heute noch an den bunten Wänden und dem DPSG-Wappen.

Müll versperrt noch heute den Weg

Doch auch das war nur eine Episode, die erst wieder durch eine Ablagerung von Altpapier eine Fortsetzung fand. Dieser Müll versperrt noch heute den Weg in den rechten Teil des Luftschutzraums, der an der Alten Cuestery einen Notausgang zum Weidkamp hatte.

Der Luftschutzraum von St. Dionysius.
Der Luftschutzraum von St. Dionysius. © WAZ

Dionysius-Archivar Heinz Werner Kreul stieß erst bei Recherchen im nach Kray ausgelagerten Gemeindearchiv auf Unterlagen über die Geschichte der „Katakomben“. In mühsamer Arbeit durchforstete er dort die Briefe und Akten und rekonstruierte ihren Bau.

Heute spricht er gerne und auch ausführlich über diese Zeit. „Ich staune, mit welcher Begeisterung man das einem näher bringen kann“, lobte denn auch nach der Führung ein WAZ-Leser den Borbecker.

Heinz Werner Kreul ist es wichtig, dass dieses Kapitel der langen Borbecker Geschichte nicht vergessen wird: „Wir müssen das in der Erinnerung behalten, aber wir dürfen die Zeit nicht verklären!“