Essen. . Alfred Deterding (80) war 43 Jahre lang bei Krupp beschäftigt. Zum ersten Mal hat er das Stammhaus und das neue Thyssen-Krupp-Quartier besichtigt
43 Jahre stand Alfred Deterding (80) aus Borbeck in Diensten der Fried. Krupp AG. Als Maschinenschlosser im Lok- und Waggonbau, kurz „LoWa“ – ein Kruppianer mit Leib und Seele. Jetzt schreitet er andächtig durch das charmante kleine Stammhaus vis-à-vis der imposanten neuen Konzernzentrale.
Eigentlich sollten den 20 WAZ-Lesern nur die Pforten zu den prachtvollen Neubauten des Thyssen-Krupp-Quartiers geöffnet werden. Doch spontan lässt man sie auch einen nostalgischen Blick in das historische Kleinod werfen. Dass das Original-Stammhaus beim alliierten Feuersturm 1944 in Schutt und Asche gelegt wurde und die jetzige Version eine Replik von 1961 (zur 150-Jahr-Feier) ist, stört niemanden. „Friedrich Krupp hat hier gewohnt und später sein Sohn Alfred“, sagt der Historiker Michael Clarke, der die Gruppe auf unterhaltsame und informative Weise durchs Quartier führt.
Besuch im Krupper Stammhaus
„Gemütlich hier“, schwärmt Leser Hartmut Loges, als er vom „Comptoir“ an der berühmten Sitzwaage vorbei durch die enge Küche hinauf ins Schlafzimmer schreitet. Darin steht ein auffallend kurzes Bett aus jener Zeit. Wie der geniale Erfinder und Konzernlenker darin sein Haupt betten konnte, ist auch für Clarke rätselhaft. „Alfred war 1,93 Meter groß.“
Thyssen-Krupp-Quartier
Barbara Prünte genießt die Stippvisite im Stammhaus. „So erlebe ich beides: die bescheidenen Anfänge vor 200 Jahren und die moderne Konzernzentrale aus Stahl und Glas“, sagt die Lehrerin der Eichendorffschule. Und fügt hinzu, warum sie ausgerechnet bei diesem „Pforten“-Termin unbedingt dabei sein wollte. „Mein Vater war 40 Jahre bei Krupp, ich bin in der Krupp-Siedlung in Fulerum aufgewachsen und wohne immer noch dort.“ Die innige Verbindung von Stadt und Konzern – sie ist in der Besuchergruppe allgegenwärtig.
„Essen ist Krupp und Krupp ist Essen.“
Clarke zitiert die passende Formel: „Essen ist Krupp und Krupp ist Essen.“ Auch Hartmut Loges verströmt Kruppschen Geist. Stolz zeigt er seinen alten grauen Führerschein. Darin ist als Wohnort „Kruppstraße 368“ angegeben. „Ich war auf dem Krupp-Gymnasium, bin ins Krupp-Bad gegangen und habe im Krupp-Konsum eingekauft.“ Der Wechsel auf die andere Straßenseite zum neuen Campus (seit 2010) gleicht einem Sprung auf dem Zeitstrahl. „Beeindruckend“, sagt eine Leserin, als sie im Foyer von Q(uartier) 1, dem eigentlichen Hauptquartier, die lautlos gleitenden, weißen Aufzüge erblickt.
Und Michael Clarke bemerkt: „Selbstverständlich will Thyssen-Krupp gerade hier seine eigenen Produkte präsentieren.“ Wie der flachgelegte Quader daneben, das Q 2 (mit Casino, Café, Forum und Raum der Stille), besticht auch Q 1 durch seine Helligkeit. Der Gegensatz von Stahl und Glas außen und dem warmen Inneren sei vom Architekten bewusst konzipiert. „Harte Schale, weicher Kern“, sagt Clarke. Faszinierend auch die Akustik im hohen Haupt-Quader – trotz der gewaltigen Deckenhöhe. Bezeichnend: Bei den Duisburger Philharmonikern, die hier ein Gastspiel gaben, habe der Wohlklang des Gebäudes helle Begeisterung ausgelöst. Von der sechsten Etage wirft die Gruppe einen Blick auf die nahe Innenstadt. Auch jetzt machen die Kruppianer in der Gruppe kein Hehl aus ihrem Stolz. „Das neue Quartier ist unheimlich gut“, lobt Alfred Deterding, „ich hatte nicht gedacht, dass es so großzügig angelegt ist – und so schön hell.“