Essen. Hubert Schulte-Kemper hat eine späte Berufung: Er mag und kauft Hochhäuser. Das Rheinstahl-Gebäude will er Karstadt als neue Zentrale anbieten.
Herr Schulte-Kemper, Sie sind mittlerweile so etwas wie der Retter der Essener Hochhäuser, und das in einem Alter, wo andere längst die Rente genießen. Was treibt Sie an?
Hubert Schulte-Kemper: Ich mag unternehmerische Herausforderungen und habe das Talent, mir von einem Sachverhalt sehr schnell ein Bild zu machen, zu entscheiden und dann zu handeln. Wo andere Risiken sehen, sehe ich einfach die Chancen.
Nach dem „Ruhrturm“, der früheren Ruhrgas-Zentrale, haben Sie jetzt noch das frühere Rheinstahl-Haus von Thyssen-Krupp gekauft. Plagt Sie nicht langsam die Sorge vor Vermietungsproblemen?
Schulte-Kemper: Wissen Sie, wichtig ist, dass man nicht ständig das Wort Problem in den Mund nimmt. Wenn sie 47 Experten fragen, kriegen sie 47 Probleme präsentiert – dann können Sie es eigentlich gleich lassen. Wir haben einfach an unsere Idee geglaubt, und jetzt haben wir noch eine einzige Etage frei im Ruhr-Turm. Eine! Das sagt wohl alles.
Beim Ruhrturm wussten Sie sofort, was sie machen wollten?
Schulte-Kemper: Innerhalb von zehn Minuten. Ich sagte mir, du wirst es doch wohl schaffen, diese Quadratmeter zu vermieten, das Konferenzzentrum an den Start zu bringen und das Hotel dort zu integrieren. Verstehen Sie: Ich will Lösungen addieren, nicht Probleme.
Was haben Sie im Thyssen-Krupp-Haus gesehen?
Schulte-Kemper: Das Haus hat eine Aura und eine Geschichte, genauso wie das Ruhrgas-Gebäude. Die Sitzungsräume, der Blick über Essen – das hat mich angesprungen. Im Ruhrgebiet gibt es vielleicht 20 solcher Gebäude, die so etwas verströmen. Es lädt geradezu dazu ein, das bisherige Konferenzzentrum im Thyssen-Krupp-Haus aufrechtzuerhalten. Es lädt ein, in der obersten Etage ein Restaurant anzusiedeln. Es lädt ein, einen Wirtschaftsclub zu machen...
...oder Karstadt dort anzusiedeln, die ja ihre Zentrale in Bredeney aufgeben wollen. Das Thyssen-Krupp-Haus kann zwar nicht die 7500 Quadratmeter Ausstellungsfläche bieten, würde aber zumindest in die Nähe des von Karstadt genannten Bedarfs an Bürofläche kommen.
Netzwerker und Bauernsohn
Hubert Schulte-Kemper zählt zu den schillernden Unternehmer-Persönlichkeiten des Ruhrgebiets. Während andere in seinem Alter den Ruhestand genießen, führt der 69-Jährige seit fünf Jahren die Fakt AG, die er im April 2010 mit begründet hatte. Die Beratungsgesellschaft mit Sitz in Essen ist in den Bereichen Immobilien, erneuerbare Energien und Kapitalmarktthemen tätig. Einen Namen in Essen hatte sich Schulte-Kemper – gern auch „HSK“ genannt – als langjähriger Chef der Hypothekenbank Essen AG gemacht, die er 1987 gründete und der er bis 2007 vorstand. Kurz darauf – die Commerzbank hatte die Essenhyp ganz übernommen – ging diese in der Eurohypo auf und verschwand vom Markt.
Verwurzelt ist der Sohn eines Landwirts und dreifache Vater in seinem Geburtsort Marl, wo das Ruhrgebiet langsam ins Münsterland übergeht. Dort ist er im Heimatverein und in der CDU aktiv. Er gilt als versierter Netzwerker: Enge Verbindungen pflegte er in die Bundespolitik genauso wie in den Industrie-Adel und selbst in den Vatikan. Zu seinem 60. Geburtstag ließ der gläubige Katholik eine Grußbotschaft des Papstes verlesen. Seit 2005 ist Schulte-Kemper Honorarkonsul der Republik Ungarn, 2006 ernannte ihn die Katholische Universität in Tegoucigalpa in Honduras zum Professor emeritus. Seine Ausbildung zum Industriekaufmann absolvierte er 1962 bei der Zeche Auguste Viktoria in Marl, anschließend folgte ein Studium zum Diplom-Betriebswirt. Bevor HSK die EssenHyp gründete, arbeitete er bei der Westfälischen Hypothekenbank in Dortmund.
Schulte-Kemper: Sie können davon ausgehen, dass wir nicht geschlafen haben, als Karstadt die Umzugspläne bekannt gab. Was die Büroflächen betrifft, sind wir tatsächlich fast deckungsgleich: Wir können 16 000 Quadratmeter bieten. Wir sind im Gespräch und werden bald ein Angebot abgeben. Eine Lösung müssen wir auch für die Parkhausfrage finden. Das Thyssen-Krupp-Haus hat 240 eigene Parkplätze, Karstadt braucht aber 500. Aber es gibt weitere Möglichkeiten in unmittelbarer Umgebung.
Was ist von Gerüchten zu halten, dass Karstadt sich in Wahrheit schon woanders hin orientiert, beispielsweise Richtung Düsseldorf?
Schulte-Kemper: Das kann ich nicht beurteilen. Karstadt hat öffentlich erklärt, auch Essen spiele eine Rolle bei der Frage, wo man sich ansiedeln will.
Karstadt wird an einer preiswerten Lösung gelegen sein, was Neubauten eigentlich ausschließt. Das könnte Ihre Chance sein.
Schulte-Kemper: Genau so ist.
Das Thyssen-Krupp-Haus ist ein Denkmal, muss aber auch wirtschaftlich zu betreiben sein. Wie kriegen sie das zusammen?
Schulte-Kemper: Ich denke, dass wir mit den Denkmalschutz eine Lösung finden, die allen Interessen gerecht wird. Ich bin jedenfalls ganz prinzipiell gegen den Abriss, und es muss doch möglich sein, ein solches Haus zu erhalten. Das ist vielleicht anstrengender, aber für mich auch spannender.
Vorbesitzer Thyssen-Krupp hat gegen den Denkmalschutz geklagt. Die Klage wurde bis heute nicht zurückgenommen, und die Aussicht, dass das Gericht dem folgen wird, stehen nicht so schlecht.
Schulte-Kemper: Ich hoffe natürlich, dass unsere Investitionsbereitschaft und die Bereitschaft das Haus zu erhalten auch honoriert wird. Da bin ich optimistisch, da sind wir in guten Gesprächen mit der Stadt.
Sie ziehen als neuer Eigentümer die Klage aber nicht zurück?
Schulte-Kemper: Formaljuristisch wollen wir uns den Klageweg offen halten, weil sonst das Klageverfahren neu angestrebt werden müsste. Aber wie gesagt: Ich gehe von einer Einigung aus.
Manche Architekten sagen: Beim Ruhrturm ist nicht tief in die Substanz saniert worden, es habe viel Kosmetik gegeben. Sie fragen sich, ob auch im Thyssen-Krupp-Haus zu große Kompromisse nötig sind.
Schulte-Kemper: Ach wissen Sie, solche Architekten können ihre Kreativität selbst in eigener unternehmerischer Kompetenz unter Beweis stellen. Wir haben im Ruhrturm 30 Millionen Euro investiert, wir planen im Thyssen-Krupp-Haus eine Investition von 25 Millionen Euro. Das sind doch keine kleine Summen.
Was genau wollen Sie verändern im Thyssen-Krupp-Haus?
Schulte-Kemper: Den Innenbereich des Hauses will ich bewahren wie er ist. Aber natürlich müssen schon aus energetischen Gründen andere Fenster rein, natürlich werden wir in Klima und Heizung investieren.
Auch für das ebenfalls historische RWE-Hochhaus direkt gegenüber vom Thyssen-Krupp-Haus wird in nicht allzu ferner Zukunft über neue Nutzungen zu reden sein. Wäre das ebenfalls interessant für Sie?
Schulte-Kemper: Lassen Sie es mich so sagen: Ich feiere bald mein 30-jähriges Berufsjubiläum in Essen, seit ich als damals junger Mann die Hypothekenbank in Essen gegründet habe. Das RWE-Gebäude hat mich immer fasziniert, einer Einladung zur Problemlösung würde ich mich nicht verschließen. Auch dieses stadtprägende Gebäude darf jedenfalls nicht abgerissen werden. Die Essener Hochhausgruppe ist ein Ensemble, das nicht seinesgleichen hat. Alle sind aufgefordert zu überlegen, wie sie erhalten werden kann.
Das Gespräch führten: Frank Stenglein und Janet Lindgens.