Essen. Der Anteil der Fußgänger in Essen schrumpft. Die Stadt will gegensteuern. Bei Entfernungen von bis zu zwei Kilometern ist man zu Fuß mitunter schneller.

Würde Essen mitten im Gebirge liegen, dann hätten die Fußgänger eine richtig starke Lobby. Zählt doch der Deutsche Alpenverein in der Ruhrmetropole mehr als 3500 Mitglieder. Doch der kümmert sich nur um das wandernde Fußvolk in weitaus höheren Regionen. Hier unten sind die Stadt-Fußgänger insofern auf sich allein gestellt, weil es keine Organisation gibt, die sich speziell für ihre Interessen einsetzt. So wie der ADAC für die Autofahrer oder der ADFC mit 750 Mitgliedern in Essen für die Radfahrer. Dabei könnten die Fußgänger in Essen mehr Rückenwind gebrauchen. Derzeit befinden sie sich auf dem Rückzug.

Der Fußgängerverkehr stagniert nicht nur, er nimmt ab. Der Anteil der Passanten am Straßenverkehr ist in Essen seit über 20 Jahren „rückläufig“, bemängelt auch die Stadtverwaltung – und zwar von 29 Prozent im Jahre 1989 bis auf 22 Prozent in 2011 (aktuelle Zahlen liegen nicht vor).

Motivieren, das Auto mal stehen zu lassen

Die Essener Verkehrswacht kümmert sich allein um die Sicherheitsbelange – bei 378 verunglückten Fußgängern im vergangenen Jahr (+ 11,8 Prozent) hat sie allein mit diesem Thema genug zu tun. Zwar agieren anderswo Waden-kräftige Initiativen wie der in Berlin gegründete Fachverband Fußverkehr Deutschland, kurz „Fuss e.V“, der sich dafür einsetzt, mehr Wege in der Stadt zu Fuß zu erledigen und dafür die Infrastruktur zu verbessern, doch bis hierhin haben es dessen Mitstreiter noch nicht geschafft – die nächsten Anlaufstellen befinden sich in Dortmund und Köln. Lediglich die Essener Mobilitätswerk-stadt, die zum Dachverband „Runder UmweltTisch“ (Rute) gehört, kündigt Projekte an, um den Fußgängerverkehr in Essen zu fördern, so Georg Nesselhauf. „Wir sind aber noch in der Findungsphase.“

Konkret wird es wohl spätestens 2017, wenn Essen „Grüne Hauptstadt Europas“ wird. Bis dahin wird sich auch die Stadt, die zudem den Titel „fahrrad- und fußgängerfreundliche Stadt“ tragen darf, noch mal ins Zeug legen, hat sie doch bei ihrer Bewerbung zugesichert, dass in spätestens 20 Jahren mindestens 25 Prozent aller Wege zu Fuß zurückgelegt werden sollen. „Wir wollen mehr Essener dazu motivieren, ihr Auto auch mal stehen zu lassen“, betont Angelika Siepmann vom Umweltamt, die in der Projektgruppe „Grüne Hauptstadt Europas“ wichtige Ziele mitformuliert hat. Und bei Entfernungen von einem bis zwei Kilometern kann ein Fußgänger mitunter sogar schneller als ein Autofahrer sein.

Naherholung ganz nah - am Niederfeldsee

Sie weiß aber auch: „Essener sind zu Fuß nicht so weit unterwegs.“ Fünf Kilometer sei das Maximum. Dabei sind eh’ mehr als die Hälfte aller Wege in Essen kürzer als fünf Kilometer, werden aber trotzdem noch zu 39 Prozent mit dem Auto zurückgelegt.

Das Umweltamt will es Passanten und Spaziergängern angenehmer machen. „Die Möglichkeit, zu Fuß zu gehen, wird nur wirklich genutzt, wenn man nicht zu weit gehen muss“, sagt Angelika Siepmann. So gelingt der Umstieg vom Auto auf Bahn und Bus nur, wenn die nächste Haltestelle möglichst nah ist (was für 92 Prozent der Bewohner laut Evag bereits der Fall ist). Auch innenstadtnahe Wohnprojekte wie am Berliner Platz seien wichtig. Siepmann: „Wer dort wohnt, braucht eigentlich kein Auto.“ Zum Bummeln in der Innenstadt oder zum Erholen in der Grünen Mitte ist es nur ein Katzensprung.

Im Stadtumbaugebiet Altendorf-Nord/Bochold Süd als weiteres Beispiel lockt der neue Niederfeldsee. Naherholung ganz nah. Zum Einkaufen zu Fuß wäre auch ein 300-Meter-Radius ideal. Deshalb sollen neue Geschäfte in Stadtteilquartieren angesiedelt werden – und nicht auf der grünen Wiese.