Essen. Immer mehr Essener kaufen Elektro-Fahrräder. Die Ruhr-Metropole will in den nächsten Jahren ihr Ladenetz für E-Bikes und Pedelecs ausbauen.
40 Kilometer von Steele bis Duisburg – immer an der Ruhr entlang. Und ein bisschen schneller als die anderen. Selbst jüngere Radfahrer werden bei fast 25 Stundenkilometern mit wenigen Pedalumdrehungen auf dem elektrounterstützten Pedelec überholt. Doch irgendwann geht nicht die Puste, sondern der Saft aus. Nach 50 bis hundert Kilometern, je nach Modell des Elektro-Fahrrades, muss der Akku wieder aufgeladen werden.
Die Stadt Essen ist seit Jahren dabei, ein öffentliches Ladenetz aufzubauen. Erst vor einer Woche hat der Energiekonzern RWE seine bislang größte E-Bike-Ladestation in der Ruhr-Metropole, in Betrieb genommen. Vor dem Stadion an der Hafenstraße können gleichzeitig 18 E-Bikes aufgeladen werden. So viele „Zapf“-Säulen haben nicht mal die meisten Auto-Tankstellen.
Lade-Boxen für abnehmbare Akkus
Beim Thema Elektromobilität ist RWE strategischer Partner für die Stadt Essen. Im öffentlichen Straßenraum gibt es inzwischen zehn E-Bike-Ladestationen, teilt Stadtsprecher Stefan Schulze mit. Für jedermann zugänglich – und kostenlos. Einige stehen vor belebten Gastronomiebetrieben, etwa vor der Finca&Bar Celona oder am Biergarten in Werden. Dort können Ausflügler ihr Pedelec „tanken“, während sie eine Erfrischung zu sich nehmen. Zwar dauert es in der Regel drei bis vier Stunden, bis ein leerer Akku wieder voll aufgeladen ist. „Aber schon nach einer Stunde ist der Akku bereits auf bis zu 80 Prozent seiner Kapazität gefüllt“, betont RWE-Sprecher Sebastian Ackermann.
Derzeit sind in Essen laut RWE keine weiteren Ladestationen in Planung. Auf mittlere Frist aber schon. „Wir wollen die Infrastruktur für E-Biker bis 2017 deutlich ausbauen“, betont Umweltdezernentin Simone Raskob mit Blick auf die Vorbereitungen für die „Grüne Hauptstadt Europas“.
Kai Lipsius, Leiter der städtischen Stabsstelle für Klimaschutz, verfolgt derzeit eine neue Strategie. Da sich inzwischen viele Akkus vom Fahrradrahmen leicht abnehmen lassen, könnten sie in abschließbaren Boxen mit Stromanschluss, die aussehen wie ein Schließfach im Hauptbahnhof, aufgeladen werden. Diese Lade-Boxen verstärkt einzusetzen, „das prüfen wir gerade.“
Keine Zahlen für Essen bekannt
Wichtig ist aber auch, zu Hause oder am Arbeitsplatz Angebote zu schaffen. Der Stadt sind bisher nur acht E-Bike-Ladestationen von privaten Anbietern bekannt. So wird im neuen Grugacarree mit immerhin 84 Wohneinheiten gegenüber der Messe ein Fahrrad-Keller mit Ladestationen angeboten. Dort können die Bewohner nach der Rückfahrt vom Arbeitsplatz über Nacht ihr Fahrrad an die Steckdose im Keller anschließen. Zudem bieten das Rathaus sowie die Stadtwerke und das Deutschlandhaus ihren Mitarbeitern Ladestationen für Elektroräder an. Für Dienstfahrten hat das Rathaus 17 Pedelecs im städtischen Fuhrpark bereitgestellt. Zwar sollten noch mehr bestellt werden, „Aber die Beschaffung ist aufgrund der aktuellen Haushaltssituation derzeit ausgesetzt“, bedauert Stadtsprecher Stefan Schulze.
Dabei boomt der Elektro-Fahrrad-Markt. 2,1 Millionen E-Bikes sind deutschlandweit unterwegs, in Essen werden es einige tausend sein. Zahlen gibt es nicht, auch keine Schätzungen. Bei der letzten städtischen Haushaltsbefragung zur Mobilität in Essen vor vier Jahren besaß ein Essener Haushalt im Durchschnitz 1,4 Fahrräder und Pedelecs. Da wurde auf dem Fragebogen nicht unterschieden zwischen Muskelkraft und PS. Der große Ansturm auf die E-Bikes kam eh erst später.
Radschnellwege wichtig für Berufspendler
Ohne Strom verliert Essen den Anschluss. Für Kai Lipsius, Leiter der städtischen Stabsstelle für Klimaschutz, steht zweifelsfrei fest, dass das Ziel der Stadt Essen, den Anteil, der Radfahrer am Gesamtverkehr in den nächsten 20 Jahren auf 25 Prozent zu steigern, nur mit Hilfe der E-Biker erreicht werden kann. Er beruft sich hierbei auf eine von der Stiftung Mercator vor zwei Jahren veröffentlichte Studie der Uni Essen-Duisburg, wonach 84 Prozent des innerstädtischen Autoverkehr in Essen sich ersetzen lassen, in dem die Verkehrsteilnehmer für alle Wege von bis zu zehn Kilometern Länge aufs Pedelec umsteigen. Bei diesen Entfernungen sind sie kaum langsamer als das Auto, manchmal sogar schneller.
Um das E-Bike auf die Überholspur zu bringen, sei in Essen laut Studie die „entsprechende Infrastruktur“ nötig. Gemeint sind damit spezielle Abstellplätze für E-Bikes und Ladestationen, aber vor allem auch Radschnellwege. Dann können Berufspendler selbst längere Strecken bequem mit dem Elektro-Fahrrad zurücklegen, argumentiert Lipsius.
Erste schnelle Nord-Süd-Verbindung für Radfahrer geplant
Der 184 Millionen Euro teure und hundert Kilometer lange Bau des Radschnellweges Ruhr RS1 von Duisburg über Essen nach Dortmund und Hamm ist der erste Meilenstein in diese Richtung. Der zweite ist der geplante Bau eines weiteren Radschnellweges von Essen nach Gladbeck. Das Land und der Regionalverband Ruhr (RVR) haben gerade beschlossen, eine Machbarkeitsstudie unter dem Arbeitstitel „RS 2“ zu erstellen.
Die Vorbereitungen für die Ausschreibungen laufen gerade, so RVR-Sprecherin Barbara Klask. In etwa neun Monaten werden die Ergebnisse der Studie erwartet. Der 13 Kilometer Schnellweg soll von der Trasse Rheinische Bahn durch Essen zum großen Teil möglichst in Anlehnung an die Bundesstraße B224 Richtung Bottrop/Gladbeck verlaufen. „Das wäre eine optimale Nord-Süd-Verbindung für die Radfahrer“, meint Barbara Klask. Die Kosten dafür müssen noch errechnet werden. Ebenso sollen die Gutachter eine Kosten-Nutzen-Analyse erstellen. Vorab hatte die Essener FDP schon gemäkelt, was sie von dem Projekt hält: Nichts. Zu teuer. Dabei hat sie nicht auf den Preis geschaut.
Kann sie auch nicht. Der steht noch nicht fest.