Essen. Gestern hat Verdi NRW in Essen zusammen mit Mitarbeitern des Einzelhandels für 5,5 Prozent mehr Lohn und eine Allgemeinverbindlichkeit der Tarifverträge gestreikt. Heute wird mit den Arbeitgebern erneut verhandelt.

Jetzt also der Einzelhandel: Verdi hat zu den ersten Warnstreiks im Einzelhandel aufgerufen und 2000 Teilnehmer haben gestern in der Essener Innenstadt lautstark mit Trillerpfeifen und Ratschen ihrer Wut Luft gemacht. Die Forderung: 5,5 Prozent mehr Lohn (auch für Auszubildende), mindestens aber 140 Euro sowie eine Allgemeinverbindlichkeit der Tarifverträge. Grund für den Streik war eine aus der Sicht von Verdi gescheiterte erste Verhandlung mit den Arbeitgebern Ende April.

„Uns wurde eine Erhöhung von 1,5 Prozent angeboten und die Allgemeinverbindlichkeit der Tarifverträge abgelehnt. Das nehmen wir nicht hin“, betont Verdi-Verhandlungsführerin Silke Zimmer. Seit sechs Jahren erwirtschaftet der Einzelhandel ein Plus.

„Wir sind es wert“

Jetzt hätten es auch die Arbeitnehmer verdient, etwas vom Kuchen abzubekommen. Die angebotenen 1,5 Prozent Lohnerhöhung bedeuten umgerechnet 22 Cent pro Stunde mehr. „Das ist kein Stück, sondern gerade einmal ein Krümel vom Kuchen“, sagt Zimmer und führt die demonstrierende Menge durch die Fußgängerzone.

„Schluss mit Dumpinglöhnen“, „Gute Arbeit hat eine gute Bezahlung verdient“ oder „Wir sind es wert“, ist auf den Schildern zu lesen. Viele zeigen auch, bei welchen Unternehmen sie beschäftigt sind und machen so keinen Hehl daraus, wen sie für ihre Lage verantwortlich machen.

Markus Brakonier ist einer von ihnen. Gemeinsam mit einigen seiner Kollegen läuft er vom Willy-Brandt-Platz bis zum Limbecker Platz. Er arbeitet bei Esprit und ist es leid, weiterhin mit einem niedrigen Lohn abgespeist zu werden. „Seien wir doch mal ehrlich: Wir sind diejenigen, die jeden Tag für den Umsatz und ein Plus der Unternehmen sorgen, das Geld aber geht an die Manager“, wettert der Demonstrant. Nach allen Abzügen bliebe Brakonier nicht mehr viel für die eigene Freizeitgestaltung übrig. „Alles wird teurer, leisten können wir uns kaum noch etwas.“

"Atemlos durch den Tarifvertrag"

Eine Mitarbeiterin von Kaufland kämpft nicht nur für eine Lohnerhöhung, ihr ist es besonders wichtig, dass der Manteltarifvertrag bestehen bleibt – der läuft jetzt nämlich aus. „Dann wäre das Urlaubs- und Weihnachtsgeld abgesichert. Viel wichtiger ist aber die Garantie, nicht im Alter von 55 Jahren gekündigt werden zu können.“

Am Limbecker Platz bestärkt Silke Zimmer alle Arbeitnehmer des Einzelhandels in einer abschließenden Rede und kündigt an, für eine Lohnerhöhung und die Allgemeinverbindlichkeit der Tarifverträge zu kämpfen. Passend dazu schallt das Lied „Atemlos“ von Helene Fischer durch die Fußgängerzone – von den Demonstranten umgedichtet in „Atemlos durch den Tarifvertrag“. Schon heute gehen die Verhandlungen in die zweite Runde. Sollten die Arbeitgeber wieder ein nicht zufriedenstellendes Angebot vorlegen, sind laut der Verdi-Verhandlungsführerin weitere Streiks im Einzelhandel nicht ausgeschlossen.