Essen. . Umweltfreundlich, bio und regional: Das Hobby mit den Bienen passt in den Zeitgeist und erlebt einen ziemlichen Boom.

Dicke Hintern können nicht stechen: Bevor sich Wilfried Meinhardt an seinen Bienenstock wagt, heizt er den Bewohnern ordentlich ein. Mit einem Blasebalg pustet der Imker Rauch in die Behausung. Das beschäftigt die Insekten, weil sie in Erwartung eines drohenden Waldbrandes ihr Hinterteil mit Honig als Fluchtproviant füllen – und sie so für einige Zeit flug-und stechunfähig werden. Mit ruhiger Hand und ohne Angst vor Stichen kann Meinhardt nun eine Wabe voll wuselnder Bienen aus dem Stock holen und Anschauungsunterricht leisten.

Ein Mal in der Woche kommt Meinhardt zum Haus der Bienen in der Gruga und führt Jungimker in die Welt des Honigs ein. Das Hobby liegt im Trend. Nachwuchsprobleme kennen die Imkervereine in Essen nicht. „Wir haben seit knapp vier Jahren einen großen Zuwachs“, sagt Meinhardt, der seine Lehrgänge im Namen der Kreisimkerschaft veranstaltet. Das war nicht immer so. Noch vor zehn Jahren sank die Zahl der Imker stetig, neue Leute waren rar, das Durchschnittsalter hoch. Heute gibt es in der Stadt etwa 300 Bienenhalter, von denen der Kreisverband weiß. Das Hobby passt in den Zeitgeist: Umweltfreundlich, bio und regional.

Eigene Bienenvölker

Petra Nottelmann und Frank Weinhold sind am Donnerstag zum Haus der Bienen gekommen, um zusammen mit Meinhardt nach den Insekten zu schauen. Beide sind im dritten Jahr dabei und haben mittlerweile mehrere eigene Bienenvölker. „Mich interessiert der Kreislauf der Natur und die Umwelt“, sagt Nottelmann. „Da kommt man am Imkern nicht vorbei.“ Die Bienen von Frank Weinhold stehen auf Wiesen in Frohnhausen und Bredeney. Zu seinem Hobby ist der Rentner durch einen früheren Kollegen gekommen, der ihm den Umgang mit den Tierchen näher brachte. „Mit der Rente habe ich mehr Zeit dazu.“

Unter den Nachwuchsimkern gehört Meinhardt damit zu den älteren. „Viele fangen im Alter zwischen 40 und 50 Jahren an, wenn die Kinder aus dem Haus sind“, sagt Meinhardt. Denn das Hobby lässt sich durchaus gut mit der Berufstätigkeit verbinden. Eine Stunde pro Volk und Woche sollte im Normalfall investiert werden. Was allerdings viele vergessen: Der Sommerurlaub fällt in der Regel flach, weil die Monate Juni, Juli und August unter anderem wegen der umfangreichen Honigernte die arbeitsreichsten sind.

Imkern ist kein reiner Zeitvertreib

Auch wenn der Aufwand sich in Grenzen hält, Imkern ist kein reiner Zeitvertreib, sondern fast schon eine Wissenschaft. Ohne Erfahrung geht nichts. „Viele überschätzen sich und geben die Bienen nach kurzer Zeit wieder auf“, sagt Meinhardt.

Durch den Boom ist die Quote derer, die frühzeitig wieder aussteigen gestiegen. Nicht der einzige Nachteil. „Wir setzen uns für ein verantwortungsvolles Imkern ein“, sagt Werner Küching, der Vorsitzende der Kreisimkerschaft. Deshalb nehmen sich Leute wie Meinhardt viel Zeit für die Betreuung der neuen Imker. Sie besuchen etwa die Bienenstöcke und schauen nach, ob dort alles richtig läuft und die Bienen korrekt gehalten werden.

Von solch abenteuerlichen Standorten wie Dachterrassen oder Balkonen halten sie bei der Kreisimkerschaft wenig. „Das ist auch gar nicht nötig“, sagt Meinhardt. „Es gibt genug Raum hier in der Stadt.“ Essen ist für Bienen ein gutes Pflaster: Streuobstwiesen, Friedhöfe, Parks, Kleingartenanlagen, verwachsenes Brachland, am Rande von Bahngleisen – überall wo Blumen wild oder gemischt vor sich hinwachsen können, fühlen sich die Tierchen wohl.