Essen. . Während auf dem Gelände des ehemaligen Kutel die „Erstaufnahme-Einrichtung Essen“ zusammengeschraubt wird, rechnet die Stadt mit 400 zusätzlichen Flüchtlingen
Asyl wird zur kommunalen Dauerbeschäftigung: Während Heerscharen von Arbeitern am Overhamms-hof in Fischlaken die ersten von 270 Wohnmodulen für die künftige Erstaufnahme-Einrichtung des Landes neuester Machart zusammenschrauben, hat Sozialdezernent Peter Renzel den Rechenschieber bemüht. Mit einem Ergebnis, das weitere Anstrengungen und höhere Kosten für die Unterbringung von Flüchtlingen bedeutet: Nachdem das Bundesamt für Migration vor wenigen Tagen seine Prognosen für den Zustrom der Menschen aus anderen Ländern um 100.000 in diesem nach oben korrigiert hat, muss die Stadt eine neue Kalkulation anstellen. Allein in diesem Jahr werden nicht wie zunächst angenommen 800, sondern 1200 neue Unterbringungsplätze benötigt.
„Nach der Baustelle ist vor der Baustelle“, sagte Renzel gestern bei einem Ortstermin auf dem ehemaligen Kutel-Gelände, wo künftig bis zu 800 Menschen zwischen zwei Wochen und drei Monaten vorübergehend untergebracht werden, bevor sie auf die Kommunen weiterverteilt werden. Die alten in klassischer Industriebauweise äußerst stabil gestalteten Gebäude der alten Molkerei mit Fleckvieh-Rondell sind abgetragen und wo in der einen Ecke bereits die alten Betonberge aus der Vergangenheit in eine neue Zukunft geschreddert werden, schrauben in der anderen Arbeiter die künftigen Wohnungen für Flüchtlinge zusammen, setzen Trennwände auf einen Fertigboden unter dem die Schleifen einer holzpelletbetriebenen Fußbodenheizung verlaufen oder isolieren die Wände nach den Vorschriften modernster Energieeffienz.
Die Stadt, genauer: Die Grundstücksverwaltung der Stadt Essen GmbH (GVE) baut für rund 33 Millionen Euro, das Land mietet das 14.500 Quadratmeter große Ganze mit zehn Wohngebäuden, Räumlichkeiten für die Registrierung und medizinische Untersuchung der Menschen, die auf dem Gelände neben einer Mensa, einem Spielhaus für Kinder, einen Kiosk, eine Sanitätsstation und eine Filiale des Migrations-Bundesamts finden werden, für zunächst 25 Jahre.
Viertelmilliarde Euro gespart
Klar, dass die Kostenfrage in einer klammen Kommune wie Essen über allem schwebt und selbst dem Sozialdezernenten nicht aus dem Kopf gehen will. Wohl auch deshalb hat Renzel hat eine weitere Rechnung parat, die belegen soll, wie wichtig das Großprojekt auf dem grünen Hügel für Essen ist: Trotz der aktuell weiter steigenden Flüchtlingszahlen rechnet die Stadt durch die Anrechnung der in der Landes-Einrichtung untergebrachten Menschen auf Essens Aufnahmequote mit Einsparungen in Höhe von einer Viertelmilliarde Euro in einem Vierteljahrhundert.
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Alles aus einer Hand – das ist das Prinzip des Prototyps der neuen Erstaufnahme-Einrichtung des Landes, wie er derzeit in Fischlaken entsteht und Vorbild für „sieben bis acht weitere in NRW sein wird“, sagte Andreas Rudolph, Dezernent für Unterbringung, Betreuung und Zuweisung von Flüchtlingen bei der Bezirksregierung Arnsberg, bei dem gestrigen Ortstermin.
Treffen die Menschen an der verglasten Pforte ein, die eine „neue Willkommenskultur“ signalisieren soll, werden sie im Nordosten des Geländes zunächst aufgenommen, bevor ihnen ein Bett für die erste Nacht zugewiesen wird. Erst am nächsten Tag müssen sie das Procedere von Registrierung über gesundheitliche Untersuchungen bis zur Bescheinigung durchlaufen, das sie als Asylsuchende anerkannt sind.
European Homecare übernimmt Betreuung
220 Mitarbeiter sollen für einen reibungslosen Ablauf sorgen, 65 davon beim Bundesamt für Migration, 33 stehen in Diensten der Stadt. Die zusätzlichen kommunalen Stellen werden durch das Land finanziert. Zunächst übernimmt das Essener Unternehmen European Homecare die Betreuung. Ob das auf Sicht so bleiben wird, ist offen. Die Bezirksregierung plant eine europaweite Ausschreibung, an deren Ende ab August 2016 durchaus ein anderer Anbieter der Leistungen zum Zuge kommen kann.
Das eingezäunte Gelände wird rund um die Uhr bewacht. Die meisten der Flüchtlinge, die in Fischlaken ankommen, dürften nach allen bisherigen Erfahrungen in den frühen Morgenstunden eintreffen. Nicht auszuschließen, dass Schlepper die Menschen fast vor der Tür absetzen. Wie man auf das illegale Treiben der Geschäftemacher reagieren wird, ist wohl noch offen. Darüber haben sich die Bezirksregierung und die Polizei nicht abschließend ausgetauscht, heißt es.
Ein bisschen Zeit ist ja noch: Zum 1. Dezember ist die Übergabe geplant. „Das ist anspruchsvoll“, sagt GVE-Geschäftsführer Dirk Miklikowski: „Aber wir sind im Plan.“ – obwohl der Abriss und die Entsorgung der alten Anlage sich aufwändiger gestaltete, als zunächst angenommen, wie Projektleiter Marc-Joachim Prabucki verdeutlichte. 13.000 Tonnen Betonbruch waren zu bewegen. „Das ist enorm viel.“