Essen. Die Verluste, die Zocker an 2150 Geldspielgeräten in Essen erlitten, erreichten im vergangenen Jahr neue Rekordmarken. Schuldner- und Suchthilfe halfen 162 Betroffenen.

Der Automat gewinnt immer: Den Glücksrittern und Geldspielern auf Fleisch und Blut bleibt am Ende statt des dicken Gewinns häufig nichts anderes als ein finanzieller Ruin mit einem wahrlich imposanten Minus. 49 Millionen Euro haben Zocker im vergangenen Jahr allein in Essen an stadtweit 2150 Geldspielgeräten verloren. Es sind ernüchternde Zahlen: Die Verluste, also die Differenz zwischen Einsatz und Gewinn, stiegen stadtweit binnen acht Jahren um 228 Prozent, geht aus der jüngsten Erhebung des Arbeitskreises gegen Spielsucht hervor, während die Zahl der Münzschlucker in den Spielhallen ebenfalls deutlich zulegte: von 934 im Jahr 2006 auf 1454 im vergangenen Jahr.

Diese Entwicklung sehen Experten durchaus mit Sorge: „Die Stadt sollte überlegen, wie viele Konzessionen sie vergibt“, sagt Wolfgang Huber, Leiter der Schuldnerhilfe, die gestern mit der Suchthilfe eine Bilanz des gemeinsamen Projektes „fair/play“ vorstellte. Mit dem von der Krupp-Stiftung finanzierten Angebot wird Menschen mit problematischem Glücksspielverhalten seit einem Jahr Hilfe angeboten – und das durchaus mit Erfolg, wie die Macher meinen. Auch das Ordnungsamt hat das Thema „immer im Fokus“, wie dessen Leiter Günther Kraemer auf Nachfrage erklärte. Doch die Vorschriften für die Erteilung einer Konzession sind wie sie sind und so lange sich ein Automatenbetreiber darauf berufe, könne die Stadt wenig ausrichten. Spielsucht ließe sich ordnungsrechtlich nur über gesetzliche Grundlagen bekämpfen. „Doch da hat sich für uns so viel nicht geändert“, sagt Kraemer mit Blick auf den aktuellen Glücksspielstaatsvertrag.

Die Folgen des pathologischen Glücksspiels können gravierend sein

Deshalb kommen alle Bemühungen einem Kampf gegen Windmühlen in einem eigentlich verqueren System gleich: Die Stadt verdient über die 25prozentige Vergnügungssteuer aufs Einspielergebnis Jahr für Jahr Millionen an der oft krankhaften Jagd nach dem vermeintlichen Geld-Glück, um mit einem Bruchteil der Summe wiederum Einrichtungen wie die Schuldner- und Suchthilfe zu finanzieren, damit die sich um die Abhängigen kümmern. „Die Folgen des pathologischen Glücksspiels“, sagt Michael Mombeck von der Suchthilfe, „können gravierend sein.“ Die Menschen litten unter Vereinsamung, Depression und Verschuldung.

Forderungen von 418 Gläubigern

Die Experten gehen von 3000 potenziell betroffenen Essenern aus, für die zumindest die Hilfe kein reines Glücksspiel mehr in dieser Stadt ist: Nachdem „fair/play“ im vergangenen April an den Start gegangen ist, haben sich 162 Menschen an die Kooperationspartner gewandt, 99 Betroffene aus eigenem Antrieb, 63 Mal suchten Angehörige Rat und Hilfe, wenn der Familienvater die Miete auf einmal nicht mehr bezahlen konnte oder die gerade überwiesenen Hartz IV-Leistungen für den Rest des Monats futsch waren.

Die Schulden, die sich angesammelt hatten, überstiegen in der Regel die Summe von 20.000 Euro. Dahinter standen Forderungen von 418 Gläubigern. Mittlerweile wollen fast drei Viertel der Hilfesuchenden eine Therapie beginnen, im Rahmen der Schuldnerberatung konnten die ersten Insolvenzverfahren eröffnet werden. Um der zunehmenden Glücksspielsucht noch wirksamer zu begegnen, wollen beide Beratungsstellen ab sofort auch vorbeugend arbeiten. Infoveranstaltungen für Schüler aber der 10. Klasse als auch für Lehrer sind geplant. Termine können vereinbart werden unter 827260 (Reinhard Sappok, Schuldnerhilfe) oder 86030 (Thorsten Brücher, Suchthilfe).