Essen. Das Reiterstellwerk im Essener Nordviertel könnte zum “Unort“ werden, wenn es noch länger ungenutzt bleibt. Bei der geplanten Radautobahn ist es jedoch noch kein Thema.

Es ist „ein außergewöhnlicher Zeuge der Eisenbahngeschichte“, dieses Reiterstellwerk. So beschreiben es die Planer des Radschnellwegs Ruhr, der hier auf der Trasse der Rheinischen Bahn verlaufen soll. Hoch oben zwischen Viehofer Platz und Eltingviertel steht dieses Stellwerk. Es ist ein unter Eisenbahnnostalgikern und Junkies gleichermaßen beliebter Ort. Doch was wird aus dem lange schon ausgeschlachteten Bauwerk?

Der Regionalverband Ruhr (RVR), der die Radautobahn bauen möchte, hat derzeit andere Ziele als den Erhalt des Stellwerks. „Für den Verlauf des Radschnellwegs ist es ohne Belang“, sagt Pressesprecher Jens Hapke, ohne damit die historische Bedeutung des Gebäudes abwerten zu wollen. „Aber wir kümmern uns derzeit um Fragen der Finanzierung und Trägerschaften des Radwegs.“ Mit dem jüngsten Beschluss des Ruhrparlaments für den Radschnellweg werde der RVR jetzt in die Gremien der beteiligten Städte und des Kreises Unna gehen, um das Projekt voranzutreiben. Der Erhalt des Stellwerks ist in dieser Phase noch kein Thema.

Stellwerk könnte zum "Unort" verkommen

Bleibt das Stellwerk aber noch längere Zeit ungenutzt dort stehen, könnte es immer mehr zum „Unort“ verkommen. Das befürchtet Walter Wandtke, Ratsmitglied der Grünen und sachkundiger Bürger für Denkmalfragen. Er plädiert dafür, es schnellstens zu sichern, indem die Eingänge zugemauert und die Fenster mit Spanplatten gesichert werden. „Und dann muss man Druck auf die Bahn ausüben, damit sie sich um ihr Eigentum kümmert.“

Dazu, so Walter Wandtke, wäre ein „Gütesiegel“ hilfreich. Das möchte er mit Hilfe des Instituts für Denkmalschutz und Denkmalpflege erreichen. Die Grünen stellen jetzt den Antrag, den Denkmalschutz für das Reitstellwerk zu prüfen. „Im Zusammenhang mit dem Beginn der Altenessener Straße, der verbliebenen Brückenanlage und einiger vom Bombenkrieg verschonter Wohnhäuser der vorherigen Jahrhundertwende auf der Nordseite des Damms kann hier ein Eindruck davon erhalten werden, wie wichtig der Eisenbahngüterverkehr für unsere Kohle- und Stahlstadt des 20. Jahrhunderts war“, heißt es unter anderem in der Begründung.

Allerdings ist Institutsleiterin Dr. Petra Beckers von der Idee, das Reiterstellwerk unter Denkmalschutz zu stellen, wenig begeistert. „Man kann es auch so erhalten“, sagt sie und lobt ausdrücklich das bürgerschaftliche Engagement: „Das finde ich gut.“ Abgesehen davon sei nicht die Stadt Essen, sondern das Rheinische Amt für Denkmalpflege zuständig. Das habe allerdings das Stellwerk nicht in die offizielle Inventarliste der erhaltenswerten Gebäude aufgenommen.

Eine Stellungnahme der Deutschen Bahn zur Zukunft des Stellwerks im Nordviertel liegt noch nicht vor.

Güterzug rammte Reiterstellwerk im März 1986

Dass das Reiterstellwerk überhaupt noch steht, ist nicht selbstverständlich. Denn vor 29 Jahren, am 25. März 1986, war eigentlich schon sein Ende besiegelt. Drei Waggons eines 500 m langen Güterzugs rammten die Stützpfeiler des Stellwerks weg.

Dadurch brach der Ausleger des Stellwerks vom Hauptgebäude ab und fiel auf die Oberleitung. Der nächtliche Lärm riss die Menschen zwischen Viehofer Platz und Altenessener Straße aus dem Schlaf. Verletzt wurde damals niemand, aber es entstand ein Millionenschaden. Für den Unfall wurde eine falsch arbeitende Weiche und menschliches Versagen verantwortlich gemacht.

Gedanken über die Entwicklung des Güterbahnhofs Nord samt des Reiterstellwerks machten sich viele Bürger. Vor zwölf Jahren entwickelte der damalige Student Christian Brand aus Altendorf Ideen, wie das brachliegende Gelände rund um die Brücke mit dem alten Stellwerk neu genutzt werden könnten. Inzwischen ist die Zeit über seine Vorschläge hinweg gegangen, aber lesenswert sind sie allemal.

Güterzug rammt Reiterstellwerk

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© Oliver Müller / WAZ Archiv
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© Arnold Rennemeyer / WAZ Archiv
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