Essen. Mit der Ausstellung „Werdendes Ruhrgebiet“ setzt das Ruhrmuseum erneut Maßstäbe bei der Präsentation von Exponaten. Und Essen kommt sehr gut weg.

Wer gerne historische Museen besucht, kennt das Problem: Die Exponate sind erstklassig, doch die Präsentation ist eine lieblose Katastrophe. Die Reihenfolge ist wirr, die Beleuchtung unzureichend, der Augenabstand zu den Objekten zu groß. Ein Overkill an trockenem Fachwissen oder aber kindische Mätzchen der Museumspädagogik ersticken zusätzlich jeden sinnlichen Genuss. Erneut setzt die neue Sonderausstellung im Ruhrmuseum auf Zollverein in Essen da ganz andere Maßstäbe: „Werdendes Ruhrgebiet“ ist ein solides und ästhetisch ausgefeiltes Bildungserlebnis.

Das gilt natürlich auch inhaltlich. Das Ruhrmuseum sieht seine wichtigste Rolle darin, städteübergreifend Identität für die gesamte Region zu schaffen und diese zu stärken, was nur über das Medium Industriekultur funktioniert. Doch haben Direktor Theo Grütter und sein Vorgänger Ulrich Borsdorf immer auch einen intensiven Blick auf die ausgehende Antike und das Mittelalter gehabt. Es gerät ja oft in den Hintergrund, dass Essens große Zeit nicht etwa mit Krupp begann, sondern im 9. Jahrhundert mit der Gründung des Stiftes Essen, dem der Bau des Klosters Werden sogar vorausging. Schon lange ist diese besondere geistige Rolle der Stadt innerhalb der Region nicht mehr so plastisch und für jeden verständlich herausgearbeitet worden wie in dieser Ausstellung.

"Der Raum ist uns vorgegeben"

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Das Land an der Ruhr war ein Grenzland, das starken römischen Einflüssen ausgesetzt war, aber formell zum freien Germanien gehörte. In den Sachsenkriegen Karls des Großen folgte die gewaltsame Missionierung zum Christentum, was schließlich mittelbar zur Gründung des klerikalen Kleinstaats Essen führte. Ein weiter Bogen spannt sich von der Stiftskirche zum heutigen Dom, der trotz der Veränderungen und Zerstörungen viel von seinen Wurzeln erkennen lässt. Der wunderbare Domschatz dient auch dieser Ausstellung als ein Rückgrat. Ebenso sehenswert sind zum Beispiel die überraschend vielen Funde aus römischer Zeit, wobei der Begriff „Ruhrgebiet“ allerdings geografisch stark gedehnt werden muss.

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Dem Besucher muss das nicht groß tangieren, er kann sich an den Exponaten erfreuen. Die dunklen, rohen Wände der Zwölf-Meter-Ebene der Kohlenwäsche und das Gold von Kronen, Schwertern, Münzen und Schmuck kontrastieren vortrefflich, die seitlichen Kabinette der früheren Kohlenbunker ermöglichen vertiefende Betrachtungen. „Der Raum ist uns vorgegeben - es ist dann die Herausforderung, etwas Besonderes daraus zu machen“, sagt Kurator Patrick Jung. Das ist mustergültig gelungen und fand zu Ostern soviel Besucherzuspruch, dass die Audioguides ausgingen.