Essen. Das Land weist Essens Vorwurf zurück, zu wenig Flüge für Abschiebungen bereit zu stellen. Vielmehr gebe es eine Reihe von Abschiebehindernissen.
Beim Thema Abschiebung abgelehnter Asylbewerber vermisst der Landtagsabgeordnete Ralf Witzel (FDP) den Handlungswillen der rot-grünen Landesregierung. „Die Stadt Essen könnte auf mehrere Asylheime verzichten, wenn vernünftig abgeschoben würde.“
Im Februar hatte Witzel dazu eine kleine Anfrage ans Land gestellt, dessen Antwort jetzt vorliegt. Darin heißt es, die Zentralstelle für Flugabschiebung (ZFA) in Bielefeld „bucht für jeden der gemeldeten Rückzuführenden so zeitnah wie möglich den entsprechenden Flug“. Essens Sozialdezernent Peter Renzel hatte dagegen jüngst beklagt, dass das Land zu wenige Flugzeuge bereitstelle, um Flüchtlinge zügig in ihre Heimat zurückzubringen. Dazu sagt das Land nun, wenn es keine Sammelcharter gebe, „werden die angemeldeten Personen stattdessen auf Linienflüge gebucht“. Etwas, das die Essener Ausländerbehörde freilich nur selten erlebt.
Änderung der Praxis mit Flügen für einzelne Städte plant das Land nicht
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Auch deswegen ärgert sich Witzel über die Antwort: „Das klingt ja so, als sei Essen unfähig die Rückführungen zu organisieren.“ Unstrittig ist offenbar nur, dass in Essen allein 650 Flüchtlinge aus den sicheren Herkunftsstaaten auf dem Westbalkan leben, die formal „ausreisepflichtig“ sind. Abgeschoben wurden im vergangenen Jahr lediglich 13 von ihnen.
Es hätten viel mehr sein können, heißt es bei der Essener Ausländerbehörde. Aber man melde natürlich keine Passagiere mehr nach, wenn die Zentrale Flugabschiebung erkläre, dass ein Flieger ausgebucht sei: „Wenn die Badewanne voll ist, dreht die ZFA den Hahn zu“, sagt der Leiter der Ausländerbehörde Jörg Stratenwerth. Eine Änderung der Praxis mit Flügen für einzelne Städte plant das Land nicht: „Den Ausländerbehörden werden keine gesonderten Kapazitäten zur Verfügung gestellt“.
Vielzahl von Abschiebehindernissen
Das Land weist in seiner Antwort außerdem auf eine Vielzahl von Abschiebehindernissen hin: „gesundheitliche Vollzugshindernisse, zumeist psychische Erkrankungen; Risikoschwangerschaften; Vaterschaftsanerkennungen von Deutschen; fehlende Nationalpässe mit der Folge langwieriger Passersatzpapier-Verfahren.“ Auch gilt die Trennung von Familien als problematisch, so dass sie oft bleiben können, wenn ein Angehöriger zum Abschiebetermin erkrankt oder verschwunden ist: „Häufig werden noch kurz vor dem Flugtermin ärztliche Atteste vorgelegt.“
Schließlich gebe es viele Asylbewerber, die der drohenden Abschiebung durch die freiwillige Ausreise zuvorkommen: 283 waren es im Jahr 2014. Sie aber reisen regelmäßig, „teilweise binnen weniger Wochen und Monate mehrfach zwischen ihrem Heimatland und der Bundesrepublik hin und her“.
Für Witzel klingen manche Abschiebehindernisse konstruiert, so sei es nicht einzusehen, „dass eine ganze Familie nicht abgeschoben werden kann, weil einer krank ist“. Den Vorwurf sozialer Kälte weist der Liberale zurück: „Das ist eine Frage humanitärer Prioritätensetzung: Wir könnten uns besser um Opfer von Krieg, Terror oder Verfolgung kümmern, wenn abgelehnte Asylbewerber nicht hier blieben.“ Mit dem Verweis auf „wirklich Schutzberechtigte“ haben sich Ende 2014 auch die Landesinnenminister darauf verständigt, „Ausreisepflichten konsequent durchzusetzen“. Kümmern soll sich nun eine neue eingerichtete Koordinierungsstelle.