Essen. Im März 1995 wurde Essen im Club der Städte aufgenommen, die sich für die Radler engagieren. Eine Bilanz.

Die Zeit vergeht schnell. Für den Essener ADFC-Vorsitzenden Jörg Brinkmann zu schnell, wenn er an den März 1995 zurück denkt. Vor 20 Jahren wurde die Stadt Essen feierlich im Club der fahrradfreundlichen Städte aufgenommen. Viel hat man sich vorgenommen, realisiert wurde nur ein Teil davon. Brinkmann spricht deshalb auch von „Zeiten verpasster Chancen“ und Enttäuschungen. „Wir hätten weiter sein können“, resümiert er. Aber es habe gerade Anfang der 2000er Jahre „Rückschläge“ gegeben. Dazu zählten für ihn der Rückbau der Schutzstreifen für Radfahrer auf der Schönebecker Straße und auf der Wiedfeldtstraße sowie die bis heute fehlende Freigabe der Einbahnstraßen für Radler in den Bezirken 8 und 9. Weil die Stadt zwischenzeitlich gar nicht mehr in die Pedale trat, gab es sogar „Kontrollen“ von der Arbeitsgemeinschaft fußgänger- und fahrradfreundlicher Städte, Gemeinden und Kreise in NRW (AGFS).

Essen auf Rädern - Fiese Ecken

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    Der Rausschmiss blieb Essen erspart, weil die Stadt Besserung versprach. Und auch Jörg Brinkmann ist erleichtert, dass Essen im Club geblieben ist. Denn damit gilt weiterhin die Selbstverpflichtung, sich für die Radfahrer ins Zeug zu legen. Und immerhin: „Das Fahrrad ist wieder ins Bewusstsein gerückt“, so Brinkmann, der daran erinnert, dass Essen noch 1992 vom ADFC-Bundesverband die „Rostige Speiche“ bekam und damit als fahrradunfreundlichste Stadt galt.

    Beachtliche Teilerfolge

    Das war einmal. Jetzt gab es Gratulationen vom AGFS-Vorstand Christine Fuchs und ein Lob für die „vielen Verbesserungen“.

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    Die Stadt räumt in ihrem gerade erschienenen „Essener Fahrrad-Kalender 2015“ ein, das früher beschlossene „10-Jahres-Hauptroutennetz“, mit dessen Plänen sie die Aufnahme im Club der fahrradfreundlichen Städte schaffte, bis heute nicht fertig geknüpft zu haben. In den ersten zehn Jahren der Mitgliedschaft war ein Ausbau des Hauptroutennetzes von 155 Kilometern geplant, davon allein 101 Kilometer als Radfahr- oder Schutzstreifen. „Dieses Ziel wurde bisher noch nicht erreicht“, gesteht die Stadt ein.

    Aber sie kann beachtliche Teilerfolge vorzeigen. Ihre Neubau-Bilanz der letzten 20 Jahre: 20,6 Kilometer Radfahrstreifen, 8,7 Kilometer Schutzstreifen, 17,4 Kilometer Fahrradstraßen und 6,3 Kilometer Bordsteinradwege. Hinzu kommen 87 Kilometer neue Radwege von Grün und Gruga, dem Regionalverband Ruhrgebiet und der Emschergenossenschaft. Außerdem wurden Fußgängerzonen sowie 260 Kilometer Einbahnstraßen in Gegenrichtung für die Pedaler freigegeben.

    Fahrradstreifen sind nicht teuer

    Das jüngste Vorzeigeprojekt ist der Radschnellweg Ruhr auf der Trasse der Rheinischen Bahn, der zwischen Uni-Viertel und Schönebeck schon fertig ist und in Kürze auch bis zur Stadtgrenze von Mülheim benutzbar ist und an die Grugatrasse angeschlossen wird. Diese Verbindungen werden auch in der neuen amtlichen Fahrradkarte zu sehen sein, die noch im Mai erscheinen soll.

    Positiv attestiert Brinkmann der Stadt, dass sie in Sachen Fahrrad „bei der Stange bleibt“. Bedauerlich sei zwar, dass aufgrund der Haushaltslage weniger Geld in der Kasse ist. Aber wichtige Initiativen „müssen nicht viel kosten“, betont er – und plädiert für Fahrrad- und Schutzstreifen. Für die braucht man nur Pinsel und ein paar Eimer Farbe – und einen politischen Beschluss.