Essen. . Für 80 Prozent der Bordsteinradwege in Essen gilt nach wie vor keine Benutzungspflicht, weil sie nicht die Anforderungen dafür erfüllen

Es war ein konsequenter Akt, den die Stadt Essen vor 17 Jahren vollzog. Die meisten Radwege entsprachen nicht mehr den bundesweit vorgegebenen Qualitätsanforderungen. Sie waren zu schmal oder holprig – viele auch zu unübersichtlich. Also wurden die blauen Radwege-Zeichen kurzerhand abmontiert. Die Botschaft an die Radfahrer war die: Ihr dürft den Radweg benutzen, müsst es aber nicht. Ihr könnt auch auf der Straße radeln. Freie Wahl.

Für 80 Prozent der Essener Bordstein-Radwege, die immerhin 44 Kilometer des Gesamtwegenetzes ausmachen, wurde damals die Benutzungspflicht aufgehoben. Das war’s. Getan hat sich seitdem auf vielen dieser Trassen wenig.

So sehr der ADFC die Stadt Essen dafür lobt, dass die Radfahrer auf die Fahrbahn ausweichen dürfen, so bleibt auf der anderen Seite die nüchterne Feststellung: „Es wurden nur die Gebotsschilder entfernt. Verbessert wurde wenig. Viele dieser Radwege erfüllen auch heute nicht die Kriterien“, berichtet Jörg Brinkmann, Vorsitzender des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) in Essen. So auf der Rüttenscheider-, Stoppenberger-, Westfalen-, Frintroper- und auf Teilen der Altendorfer Straße.

Einige Radwege sind sogar verschwunden, so nach dem Ausbau der Altenessener Straße am S-Bahnhof. „Da gibt es nichts mehr“, so Brinkmann. Und der Radweg auf der Richard-Wagner -Straße wurde zum Parkstreifen umgewidmet. Da sprießt nur noch grün.

In einigen Fällen lässt die Stadt die blauen Fahrrad-Verkehrszeichen stehen, obwohl die Radwege in einem schlechten Zustand sind oder die Mindestbreite von 1,50 Metern nicht erfüllen. Aber der Autoverkehr ist so stark, dass die Biker nicht auf die Straße dürfen und die Mängel auf dem Radweg hinnehmen müssen.

Beispiel Hans-Böckler-Straße/ B224: Der Radweg ist zu schmal. Der Lückenschluss über der Eisenbahnunterführung fehlt.

Beispiel Aktienstraße: „Der Radweg hat viele Schlaglöcher, die Bordsteinkanten sind zu hoch – und es gibt zu viele Einmündungen“, zählt der ADFC-Vorsitzende auf. „Das ist alles ein Flickwerk“. Wegen des hohen Verkehrsaufkommens muss der Radweg Richtung Mülheim benutzt werden, in Gegenrichtung dürfen die Biker aber die Fahrbahn benutzen. „Damit widerspricht man sich doch selbst“, findet Brinkmann. „Diese Inkonsequenz ärgert mich. Entweder man hebt die Benutzungspflicht generell auf oder man baut die Radwege aus.“

Die beste Lösung wäre nach Ansicht des ADFC, Fahrrad- und Schutzstreifen auf der Straße anzulegen.. Grundsätzlich stimmt die Stadt dem inzwischen zu: „Wir verfolgen die Leitlinie, die Radfahrer wieder auf die Fahrbahn zu bringen, damit sie besser von den Autofahrern gesehen werden“, erklärt der städtische Fahrradbeauftragte Christian Wagener. So ist aktuell ein markierter Schutzstreifen auf der Sommerburgstraße auf der Margarethenhöhe geplant. Der alte Bordsteinradweg kommt weg.

Zudem hat der Bau- und Verkehrsausschuss vor kurzem einen Prüfauftrag für einen Schutzstreifen auf der Krayer Straße in der Ortsmitte beschlossen. Und noch dieses Jahr soll die Anliegerstraße parallel zur Eleonorastraße zwischen Rellinghauser und Susannastraße zur Fahrradstraße umgebaut werden. Diskutiert wird das jetzt auch für den Hellweg.