Essen. Leserinnen und Leser widersprechen der These der Historikerin Leonie Treber, die Trümmerfrauen im Westen Deutschlands als einen „Mythos“ entzaubert.

Ein Mythos ist eine sagenhafte Erzählung, deren Wahrheitsgehalt zweifelhaft ist. Die Figur der „Trümmerfrau“, die nach dem Zweiten Weltkrieg aus Ruinenschutt neues Baumaterial machte, sei ein solcher Mythos, sagt die Historikerin Leonie Treber.

Wenn das stimmen sollte, könnten sehr viele Essener ihren eigenen, konkreten Erinnerungen nicht mehr trauen. Sie haben selbst Trümmer weggeräumt oder erlebten als Kinder, wie ihre Mütter in den Ruinen schufteten. Zu sehen sind auf diesem Foto Frauen und Männer in den Ruinen der Lutherischen Kirche am Moltkeplatz, die beim letzten Großangriff auf Essen am 11. März 1945 zerstört und mit tatkräftiger Hilfe vieler Gemeindemitglieder 1947 wieder aufgebaut wurde. Das Foto schickte uns der heutige Propst Klaus Pahlen.

Noch schwanger gearbeitet

Viele WAZ-Leserinnnen und -Leser widersprechern der Historikerin Leonie Treber. Einige Leserbriefe:

Ursula Hellwig, Jahrgang 1952, schreibt: „Ende der 50-er Jahren war mir als Kind der Begriff „Trümmerfrau“ geläufig und begegnete mir fast täglich. Meine Mutter, meine beiden Tanten sowie viele Nachbarinnen im damals entsprechenden Alter unterhielten sich häufig über ihre schwere Arbeit als Trümmerfrauen, die sie zum Teil, wie auch meine Mutter, noch im siebten und achten Monat schwanger ausführen mussten.

Alles Einzelfälle? Wohl kaum. Hilfe von den zitierten professionellen Firmen mit entsprechenden Geräten gab es so gut wie gar nicht. Wer noch einen funktionierenden Lkw besaß, hat hin und wieder beim Abtransport geholfen. Aber das waren Glücksfälle. Nach den massiven Zerstörungen gab es ja kaum noch gut organisierten Betriebe mit geeigneten Geräten.“

„Von welchen Arbeitslosen spricht die Autorin?“

F.J.Peters schreibt: „Wer hat denn dann die Trümmer weggeräumt ? Von welchen Arbeitslosen spricht die Autorin? Die paar Männer, die frühzeitig aus der Gefangenschaft heimkamen und ohne Arbeit da standen, wurden in den Bergbau geschickt. Wer nach solchen Zerstörungen von professionellen Firmen und entsprechenden Geräten spricht, hat keine Vorstellung von den damaligen Verwüstungen und hat außerdem an den falschen Orten recherchiert.

Essen in Trümmern

Für ihre These, die
Für ihre These, die "Trümmerfrau" sei in Westdeutschland ein "Mythos", erntet Historikern Leonie Treber im Februar 2015 viel Kritik von Essener Zeitzeugen. Auch historische Fotos zeigen, dass die "Trümmerfrau" weit mehr als eiN Mythos ist. Dieses Foto etwa schickte uns der heutige Propst Klaus Pahlen. Es zeigt Frauen und Männer in den Ruinen der Lutherische am Moltkeplatz, die beim letzten Großangriff auf Essen am 11. März 1945 zerstört und mit tatkräftiger Hilfe vieler Gemeindemitglieder 1947 wieder aufgebaut wurde.
Und es gab sie doch, auch in Essen: Frauen
Und es gab sie doch, auch in Essen: Frauen "putzen" 1946 mit Hämmern in der Innenstadt Trümmersteine, die dann für den Wiederaufbau verwendet wurden - hinter der Gruppe ist das aufgeschichtete Material erkennbar. Für den bekannten Fotografen Willy van Heekern gab es trotz der schweren Arbeit ein Lächeln. © Fotoarchiv Ruhrmuseum
Frauen bei Transportarbeiten 1943 in der bereits schwer zerstörten Essener Innenstadt. Ebenfalls ein Bild des Pressefotografen Willy van Heekern.
Frauen bei Transportarbeiten 1943 in der bereits schwer zerstörten Essener Innenstadt. Ebenfalls ein Bild des Pressefotografen Willy van Heekern. © Fotoarchiv Ruhrmuseum
Die Debatte um die Trümmerfrauen bringt neben Augenzeugenberichten immer mehr Foto-Dokumente zum Vorschein: Hier Frauen 1949 bei typischen Trümmerarbeiten an der zerstörten Apostelkirche in Frohnhausen.
Die Debatte um die Trümmerfrauen bringt neben Augenzeugenberichten immer mehr Foto-Dokumente zum Vorschein: Hier Frauen 1949 bei typischen Trümmerarbeiten an der zerstörten Apostelkirche in Frohnhausen. © Kirchenarchiv
Die Debatte um die Trümmerfrauen bringt neben Augenzeugenberichten immer mehr Foto-Dokumente zum Vorschein: Hier Frauen 1949 bei typischen Trümmerarbeiten an der zerstörten Apostelkirche in Frohnhausen.
Die Debatte um die Trümmerfrauen bringt neben Augenzeugenberichten immer mehr Foto-Dokumente zum Vorschein: Hier Frauen 1949 bei typischen Trümmerarbeiten an der zerstörten Apostelkirche in Frohnhausen. © Kirchenarchiv
Holsterhausen bei Kriegsende: Ganz rechts ist die Kirche Maria Empfängnis, links davor verläuft die Gemarkenstaße.
Holsterhausen bei Kriegsende: Ganz rechts ist die Kirche Maria Empfängnis, links davor verläuft die Gemarkenstaße. © Fotoarchiv Ruhr Museum / Bestand Stadtbildstelle Essen
In Essen wurden 64.000 Vorkriegswohnungen komplett zerstört, 36.000 schwer beschädigt.
In Essen wurden 64.000 Vorkriegswohnungen komplett zerstört, 36.000 schwer beschädigt. © Fotoarchiv Ruhr Museum / Bestand Stadtbildstelle Essen
Ein Bild von den zerstörten Krupp-Werken im Mai 1945, aufgenommen aus einem US-Flugzeug.
Ein Bild von den zerstörten Krupp-Werken im Mai 1945, aufgenommen aus einem US-Flugzeug. © Bundesarchiv
Die zerbombte Innenstadt in der Umgebung der Synagoge im Jahr 1945. Wie durch ein Wunder wurde die geschändete Synagoge kaum beschädigt.
Die zerbombte Innenstadt in der Umgebung der Synagoge im Jahr 1945. Wie durch ein Wunder wurde die geschändete Synagoge kaum beschädigt. © Fotoarchiv Ruhr Museum / Bestand Stadtbildstelle Essen
Der Bismarckplatz im Feuersturm 1943.
Der Bismarckplatz im Feuersturm 1943. © Fotoarchiv Ruhr Museum / Bestand Stadtbildstelle Essen
Ein Soldat der Alliierten sitzt 1945 auf den Stufen der zerstörten Marktkirche vor dem Denkmal von Alfred Krupp.
Ein Soldat der Alliierten sitzt 1945 auf den Stufen der zerstörten Marktkirche vor dem Denkmal von Alfred Krupp.
Völlig zerstörte Viehofer Straße in Richtung Hauptbahnhof.
Völlig zerstörte Viehofer Straße in Richtung Hauptbahnhof. © Willy van Heekern
Kochstelle an der Freiheit am 12. März 1945 mit der Ruine des Hauptbahnhofs im Hintergrund. Einen Tag zuvor hatte es den letzten Großangriff gegebene.
Kochstelle an der Freiheit am 12. März 1945 mit der Ruine des Hauptbahnhofs im Hintergrund. Einen Tag zuvor hatte es den letzten Großangriff gegebene. © Willy van Heekern
Der zerstörte Hauptbahnhof.
Der zerstörte Hauptbahnhof.
Der Pferdemarkt 1943: Brecklinghaus in der  Nordstadt. Repro: Kerstin Kokoska
Der Pferdemarkt 1943: Brecklinghaus in der Nordstadt. Repro: Kerstin Kokoska © privat
Der zerstörte Essener Dom. Die Aufnahme zeigt den Kreuzgang. Repro: Frank Vinken
Der zerstörte Essener Dom. Die Aufnahme zeigt den Kreuzgang. Repro: Frank Vinken
Die B.M.V.-Schule im Essener Stadtteil Holsterhausen: Der Turm vor, während und nach dem 2. Weltkrieg. Repor: Walter Bchholz
Die B.M.V.-Schule im Essener Stadtteil Holsterhausen: Der Turm vor, während und nach dem 2. Weltkrieg. Repor: Walter Bchholz © privat
Die zerstörte Marktkirche in der Essener Innenstadt am Vormittag des 6. März 1943. Aus dem Buch
Die zerstörte Marktkirche in der Essener Innenstadt am Vormittag des 6. März 1943. Aus dem Buch "Ruhrschlacht: Das Ruhrgebiet im Kriegsjahr 1943" von Ralf Blank (Klartext-Verlag). © Stadtarchiv Bochum
Die Ruine des Staatlichen Burggymnasiums nach der Bombennacht vom 3. auf den 4. April 1943.
Die Ruine des Staatlichen Burggymnasiums nach der Bombennacht vom 3. auf den 4. April 1943.
Das Bild zeigt die Essener Innenstadt rund um den  Viehofer Platz am Tag nach den Angriffen vom 5. März 1943. Repro: Alexandra Roth/WAZ FotoPool
Das Bild zeigt die Essener Innenstadt rund um den Viehofer Platz am Tag nach den Angriffen vom 5. März 1943. Repro: Alexandra Roth/WAZ FotoPool © Alfried Winnender
Das Bild zeigt die Essener Innenstadt rund um den  Viehofer Platz am Tag nach den Angriffen vom 5. März 1943.  Repro: Alexandra Roth/WAZ FotoPool
Das Bild zeigt die Essener Innenstadt rund um den Viehofer Platz am Tag nach den Angriffen vom 5. März 1943. Repro: Alexandra Roth/WAZ FotoPool © Alfried Winnender
Das Bild zeigt die Essener Innenstadt rund um den  Viehofer Platz am Tag nach den Angriffen vom 5. März 1943. Repro: Alexandra Roth/WAZ FotoPool
Das Bild zeigt die Essener Innenstadt rund um den Viehofer Platz am Tag nach den Angriffen vom 5. März 1943. Repro: Alexandra Roth/WAZ FotoPool © Alfried Winnender
Das Bild zeigt die Essener Innenstadt rund um den  Viehofer Platz am Tag nach den Angriffen vom 5. März 1943. Repro: Alexandra Roth/WAZ FotoPool
Das Bild zeigt die Essener Innenstadt rund um den Viehofer Platz am Tag nach den Angriffen vom 5. März 1943. Repro: Alexandra Roth/WAZ FotoPool © Alfried Winnender
Panorama des zerstörten Stadtkerns 1945. Rechts das Rathaus, der Kirchturm in der Bildmitte gehört zur Johanniskirche, der kleine links daneben zur Münsterkirche.
Panorama des zerstörten Stadtkerns 1945. Rechts das Rathaus, der Kirchturm in der Bildmitte gehört zur Johanniskirche, der kleine links daneben zur Münsterkirche. © Fotoarchiv Ruhr Museum / Bestand Stadtbildstelle Essen
Essen 1944: die Innenstadt von der Kuppel der Synagoge aus gesehen.
Essen 1944: die Innenstadt von der Kuppel der Synagoge aus gesehen. © Willy van Heekern
Die zerbombte Innenstadt um 1946.
Die zerbombte Innenstadt um 1946.
Erste Aufbauarbeiten am zerstörten Essener Polizeipräsidium.
Erste Aufbauarbeiten am zerstörten Essener Polizeipräsidium. © Polizei Essen
Die Gutenbergstraße nach dem Fliegerangriff am 11. März 1945.
Die Gutenbergstraße nach dem Fliegerangriff am 11. März 1945. © Fotoarchiv Ruhr Museum / Bestand Stadtbildstelle Essen
Der zerstörte Handelshof am Bahnhofsvorplatz im Februar 1947.
Der zerstörte Handelshof am Bahnhofsvorplatz im Februar 1947. © Fotoarchiv Ruhr Museum / Bestand Stadtbildstelle Essen
Steele nach der Bombardierung der Möhnetalsperre im Mai 1943.
Steele nach der Bombardierung der Möhnetalsperre im Mai 1943. © Fotoarchiv Ruhr Museum / Bestand Stadtbildstelle Essen
Hochwasser in der Bochumer Straße nach der Bombadierung der Möhnetalsperre im Mai 1943. Das Foto stammt aus dem Kalender
Hochwasser in der Bochumer Straße nach der Bombadierung der Möhnetalsperre im Mai 1943. Das Foto stammt aus dem Kalender "Alt-Steele (2011).
Essen-Kettwig im Mai 1943, nach der Bombardierung der Mönetalsperre. Repro: Reiner Worm
Essen-Kettwig im Mai 1943, nach der Bombardierung der Mönetalsperre. Repro: Reiner Worm © Museumsfreunde Kettwig
Kettwig im Mai 1943, nach der Bombardierung der Mönetalsperre. Foto: Museumsfreunde Kettwig
Kettwig im Mai 1943, nach der Bombardierung der Mönetalsperre. Foto: Museumsfreunde Kettwig © Museumsfreunde Kettwig
Der Rüttenscheider Hof vor seiner Zerstörung 1943. Repro: Walter Buchholz/WAZ FotoPool
Der Rüttenscheider Hof vor seiner Zerstörung 1943. Repro: Walter Buchholz/WAZ FotoPool © privat
Das Folkwang-Museum 1945.
Das Folkwang-Museum 1945.
Trümmerfrauen leisten Aufbauarbeit in Essen (ca. 1946).
Trümmerfrauen leisten Aufbauarbeit in Essen (ca. 1946). © Willy van Heekern
Das aus Gründen der Piloten-Verwirrung abgelassene Wasser des Baldeneysees verschaffte der „Scheppen“ in den ersten Jahren des Weltkriegs ein Trockendock.
Das aus Gründen der Piloten-Verwirrung abgelassene Wasser des Baldeneysees verschaffte der „Scheppen“ in den ersten Jahren des Weltkriegs ein Trockendock.
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Noch stehende Fassadenreste wurden mittels Seilen und Menschenkraft niedergerissen, weil sie lebensbedrohend waren. Da lagen ja auch nicht nur ein paar Steine, da lagen ganze Straßenzüge, und irgendwo musste man gehen oder den Handwagen ziehen können. Wer wie ich als Kind dabei gestanden hat, wird diese Bilder nicht vergessen. Es waren immer die Frauen, die für Ordnung gesorgt haben.“

Einige Frauen Steine bearbeiten gesehen

Gerd Meiering schreibt: „Als etwa sechsjähriger Junge, so erinnere ich mich heute noch lebhaft, habe ich sogar noch Anfang der 50-iger Jahre einige Frauen mit Kopftüchern Steine zur weiteren Verwendung bearbeiten sehen, die sie aus einem Schuttberg herausholten.

Ort des Geschehens war der Bahnhof Süd! Für mich waren zu diesem Zeitpunkt Trümmergrundstücke nichts Außergewöhliches.“

Viele Frauen und Mütter mussten „Steine klopfen“

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Gisela Lissek schreibt: „1945 marschierten die Russen in Sachsen-Anhalt ein, mein Vater war im Krieg und wir mussten ohne unsere Habe flüchten. In Essen angekommen, ging meine Mutter, wie viele unserer Nachbarinnen, auf die Trümmergrundstücke, um „Steine zu klopfen“ und Altmetall zu sammeln, die für den Wiederaufbau gebraucht wurden, da es ja nichts anderes gab. Man bekam ein paar Pfennige dafür und es musste schon kräftig malocht werden, um ein paar Reichsmark zu bekommen, mit denen die Mütter zum Unterhalt ihrer Familien beitragen konnten.

Es war eine mühevolle Arbeit, Altmetall und Steine aus dem Trümmerschutt zu buddeln mit Schüppen oder anderen Hilfsmitteln. Wobei die Ziegelsteine dann mit einem Hammer oder anderen sich dazu eignenden Metallgegenständen vollständig vom Mörtel befreit werden mussten, damit sie zum Wiederaufbau benutzt werden konnten, ansonsten gab es kein Geld dafür. Das alles ohne Bagger und ähnlichen Baugeräte. So sah der Anfang vom Wiederaufbau unserer Bundesrepublik aus, aus der Not geboren.“

Meine Mutter sollte arbeiten

Marlis Kreuter schreibt: „Ich bin Jahrgang 1941. Nach Kriegsende sollte meine Mutter, Jahrgang 1909, zum Trümmerräumen in Rüttenscheid verpflichtet werden. Das Haus meiner Eltern steht noch in der Straße Dohmannskamp.

Meine Mutter wurde nur deshalb vom Aufräumdienst entbunden, weil mein Vater damals in französischer Gefangenschaft war und sie mich als Kleinkind versorgen musste.“

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