Essen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) korrigiert seine Flüchtlingszahlen nach unten. Doch die Lage in Essen bleibt trotzdem angespannt.
Das Wort Entwarnung möchte Sozialdezernent Peter Renzel am Mittwoch lieber nicht in den Mund nehmen. Nur so viel: Die jüngste Prognose des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zu den Flüchtlingszahlen für 2015 fällt etwas weniger dramatisch aus, als die Zahlen, die Landesinnenminister Ralf Jäger Ende vergangener Woche bekannt gegeben hatte.
Renzel saß am Mittwoch gerade in Jägers Ministerium, Thema war das Groß-Asyl des Landes, das im Dezember in Essen eröffnet werden soll. In dem Gespräch erfuhr die Essener Delegation auch die neue Prognose des Bundes: So geht das BAMF davon aus, dass bis Jahresende insgesamt 300.000 Flüchtlinge nach Deutschland kommen.
Lücke kann dieses Jahr geschlossen werden
In einem Brandbrief an die Kommunen in NRW hatte der Minister vergangene Woche noch geschrieben, dass binnen eines Jahres allein „300.000 Menschen den Kosovo verlassen werden – häufig in Richtung Deutschland“. Die Zahl der Asylbewerber hätte demnach bundesweit in diesem Jahr insgesamt 400.000 oder 500.000 erreichen können. Essen hätte pro Monat allein mit 200 Kosovo-Flüchtlingen rechnen müssen. Oberbürgermeister Reinhard Paß hatte darum erst am Dienstag mit dem Segen der Ratsfraktionschefs einen Dringlichkeitsbeschluss auf den Weg gebracht, um bis Juli 543 neue Plätze in Asylheimen zu schaffen; die ersten 250 binnen einer Woche. „Ich bin froh über die verantwortungsbewusste Entscheidung im Sozialausschuss“, sagt Renzel. Immerhin hatten sich auch Kritiker wie Linke und Grüne in der jetzigen Lage zum Ausbau von Behelfseinrichtungen bekannt, um Notlösungen wie Turnhallen zu verhindern.
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Legt man die neue Prognose aus dem Bundesamt zu Grunde, scheint das Ziel erreicht: Derzeit fehlen in Essen 750 Plätze für Asylbewerber. Abzüglich der 543 jetzt beschlossenen, verbleibt eine Versorgungslücke von 205 Plätzen. Sie können nach Ansicht des Dezernenten durch weitere Anmietungen oder den Umbau von Immobilien zu Behelfseinrichtungen noch in diesem Jahr geschaffen werden.
"Neue Dauerunterkünfte bauen"
„Nach der derzeitigen Prognose scheint der sich letzte Woche abzeichnende schlimmste Fall abgewendet zu sein“, so Renzel. Die Lage bleibe aber angespannt, zumal der Bund selbst seine neuen, niedrigeren Zahlen mit Vorsicht behandele. Dass die Bürger die Zahlenspiele oft verständnislos verfolgen, weiß Renzel: „Die letzte Woche hat gezeigt, dass niemand in der Lage ist vorherzusagen, wie stark die Flüchtlingszahlen ansteigen.“
Doch hinter den schwankenden Zahlen verbergen sich eben reale Menschen, für die er die Verantwortung trägt – wie für jene namentlich schon bekannte 140 Syrer, die dieser Tage hier eintreffen. Darum muss er jede Prognose auf ihre Auswirkung für Essen abklopfen. Renzels Resümee deckt sich mit der Forderung von Grünen und Linken: „Wir müssen zielstrebig daran arbeiten, neue Dauerunterkünfte zu bauen.“ Mit ständig neuen Provisorien ist es nicht getan.