Essen. Das Oktoberfest-Urteil hat Stadt, Politik und Veranstalter verunsichert. Dennoch haben sie ein fragliches Ziel: Die Sause soll trotzdem über die Bühne gehen.

Nach der rechtswidrigen Genehmigung des Oktoberfests ist erst einmal Schluss mit lustig in Rüttenscheid: Das glasklare Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen (die NRZ berichtete) hat die Veranstalter der bajuwarischen Imitat-Sause, die Politik und die Stadtverwaltung gleichermaßen überrascht und verunsichert. Was, bitteschön, soll denn an öffentlichen Festivitäten überhaupt noch möglich sein beim Tanz auf einem so gefährlich schmalen Grat zwischen Gaudi und Grabesstille in einer Großstadt? Katerstimmung macht sich breit.

Die Ordnungsverwaltung jedenfalls ist sich keiner Schuld bewusst. Man habe sich frühzeitig abgesichert, heißt es, nachdem bei der Premiere des zünftigen Zelt-Zaubers im Jahr zuvor 40 Anwohner-Beschwerden über zuviel Krach eingegangen waren. Das, so viel war klar, konnte man sich kein zweites Mal erlauben, machte dem Veranstalter deshalb Auflagen, kontrollierte die Lautstärkevorgaben, die nach Auskunft von Ordnungsamtsleiter Günther Krämer mehr als eingehalten wurden, und ließ sich im Vorfeld der Veranstaltung die Auflagen von der Bezirksregierung als völlig ausreichend nach dem Landesimmissionsschutz-Gesetz bestätigen. „Enger kann man sich kaum abstimmen“, meint Kraemer. Zum Lohn gab’s am Ende ein Dankschreiben und nur noch drei Beschwerden von Anwohnern. Mindestens ein Kläger war wohl darunter.

Schwerwiegende Verfahrensfehler

Ohne Details der Urteilsbegründung zu kennen, kündigte Ordnungsdezernent Christian Kromberg gestern an, gegen den Richterspruch in Berufung gehen zu wollen. Viele Fragen seien offen, doch eins wolle die Stadt auf jeden Fall sicherstellen: Dass das Oktoberfest, das rund 40.000 Menschen besucht haben sollen, im kommenden Herbst stattfinden kann.

Ob dies gelingt, scheint allerdings mehr als fraglich zu sein: Nach NRZ-Informationen hat das Verwaltungsgericht keine Berufung zugelassen, weil das Gelsenkirchener Urteil nach Ansicht des Vorsitzenden Richters weder von der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgericht (OVG) abweiche, noch von grundsätzlicher Bedeutung sei. In diesem Fall bliebe der Stadt nur die einzige Möglichkeit, selbst einen Antrag auf Zulassung der Berufung beim OVG zu stellen, dem aber wohl wenig Aussicht auf Erfolg beschieden sein dürfte – es sei denn, es würden schwerwiegende Verfahrensmängel festgestellt. Darauf jedoch gibt es bislang keinerlei Hinweise.

Eines der größten Events der Stadt

„Wenn das so weiter geht, gibt es in Rüttenscheid bald keine Veranstaltungen mehr – weder eine Kirmes noch ein Rü-Fest“, klagte Oktoberfest-Veranstalter Werner Rzepucha, der für die kommende Sause hinterm Girardethaus schon das Zelt gebucht, die Band verpflichtet und die Zapfanlagen bestellt hat. „Mindestens 130.000 Euro habe ich da bereits investiert.“ Um die nicht in den Wind schreiben zu müssen, schließt Rzepucha jetzt nicht aus, die Veranstaltung in einer anderen Stadt über die Bühne gehen zu lassen. Es gebe bereits Anfragen aus Recklinghausen und Bochum.

Das wäre aus Sicht der CDU ein Riesenverlust: Das Oktoberfest gehört zu den größten Events, die unsere Stadt zu bieten hat“, ist Fraktions-Chef Thomas Kufen überzeugt. „Die Stadtverwaltung sollte jetzt auf alle Beteiligten zugehen und nach Lösungen suchen.“

Politik verlangt Planungssicherheit

Wie Ordnungsdezernent Kromberg verlangt auch die FDP im Rat der Stadt Planungssicherheit für Großveranstaltungen. „Wir fordern unsere Landtagsfraktion auf, die entsprechenden Verordnungen auf ihre Tauglichkeit zu überprüfen und sich auf Landesebene für Regelungen einzusetzen, die die Interessen der Anwohner schützen, den Veranstaltern aber auch eine Durchführung ermöglichen, kündigte Fraktionschef Hans-Peter Schöneweiß an.“

Denkbar wäre für Kromberg eine Regelung, die so genannte seltene Ereignisse nicht nur an zehn, sondern an 15 Tagen pro Jahr an einem Veranstaltungsort erlaube: „Dann wären wir aus dem Schneider.“ Selbst in Rüttenscheid.