Essen. . Yannik Schneider sitzt wegen Lkw-Diebstahls in Haft. Als seine Familie zerbrach, geriet sein Leben außer Kontrolle. Wird er entlassen, wartet niemand.

Blickt Yannik Schneider* auf seine Kindheit zurück, dann beschreibt der 23-Jährige sein Familienleben als super. Er lebt mit seinen Eltern und dem kleinen Bruder in Frintrop, wächst behütet auf, hat ein schönes Zuhause. Er geht zur Gesamtschule Bockmühle in Altendorf, später beginnt er eine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker. In den Ferien fahren die vier auf einen Campingplatz nach Holland, wo Yannik gern Wasserski läuft. Das sind die schönen Erinnerungen des Esseners, der heute in der Justizvollzugsanstalt in Wuppertal-Ronsdorf einsitzt. Unzählige Lkw-Diebstähle führten ihn hinter Gitter: Er wurde zu drei Jahren und sechs Monaten nach Jugendstrafrecht verurteilt.

Seine Jugend endete bereits, als er 16 ist und die Eltern sich trennen. Die heile Welt zerbricht, daheim gibt es nur noch Streit und Probleme. „Ich war einfach nur noch im Weg“, sagt der 23-Jährige. Er meldet sich damals beim Jugendamt, kommt in Bergerhausen in der Aufnahmestelle der Diakonie unter, macht seine Ausbildung weiter. Sein Opa hilft ihm, eine Wohnung in Frohnhausen zu finden – allein vor dem Absturz kann er den Enkel nicht retten. Der arbeitet zunächst nach zwei Maßnahmen des Arbeitsamtes als Berufskraftfahrer.

Kein jugendlicher Leichtsinn

Als er aber wegen Alkohol seinen Führerschein verliert und trotzdem weiterfährt, sind das Yanniks erste Straftaten. Bußgeldern und Punkten in Flensburg folgen Autodiebstähle. „Ich war so knapp bei Kasse, dass ich Lkws geklaut habe, um deren Ladung zu verkaufen“, sagt der 23-Jährige. Ob Gummireifen, Stahl oder Schrott. Auch eine Bewährungsstrafe bringt keinen Sinneswandel. Stattdessen gibt er sich mit den falschen Leuten ab, und seine kriminellen Taten werden professioneller. „Ich wurde relativ oft erwischt, aber der Haftrichter hat mich immer laufen lassen“, sagt Yannik Schneider, der diese Chancen nicht nutzt.

Kontakt für Brieffreundschaften

Yannik Schneider wünscht sich sehr Briefkontakt, da es ihm zusetzt, keinen Austausch außerhalb der JVA zu haben; am liebsten eine Brieffreundin, das Alter sei egal. Dann werde er natürlich mit richtigen Namen antworten. „Ich kaufe nun mehr Briefmarken, weil ich jedem antworten möchte.“ Er wisse wie es sei, vergeblich auf Antwort zu warten.

Er hat Handball gespielt, interessiert sich für Fußball, schaut Nachrichten, um sich über das Weltgeschehen zu informieren. „Und ich bin offen für Neues.“

Die JVA kontrolliert jeden Brief, z.B. auf Beleidigung oder Bedrohung. Wer Yannik Schneider schreiben will, richtet den Brief an seine Sozialarbeiterin: JVA Wuppertal-Ronsdorf, z.Hd. Frau Büschenfeld, Am Schmalenhof 6, 42369 Wuppertal

Mit 19 wird er obdachlos, seine Beziehung steht ständig auf der Kippe, er trinkt, nimmt Drogen, landet immer wieder im Entzug, macht Therapien – und sucht den Kontakt zur Mutter. „Es ging aber alles in die Hose“, sagt Yannik Schneider, der sich bewusst ist, dass er Straftaten begangen hat und dass diese nichts mit jugendlichem Leichtsinn zu tun haben. Zum Zeitpunkt, als sein Urteil Haft heißt, „hatte ich 23 Anklagen“.

Die Rückkehr ins Gefängnis 

Vor seinem Gerichtsverfahren flüchtet er in die Schweiz, wo er verhaftet wird. Der Weg führt sogleich nach Wuppertal, dort lebt er seit August 2012 auf acht Quadratmetern samt Nasszelle. An der Wand hängt ein Poster von Bayern München. Den Sieg der Mannschaft im Champions League-Finale und die Fußball-WM hat er hier erlebt: „So lange habe ich darauf gewartet und dann sitze ich in dieser Zelle“. Durch die Gitter am Fenster unterhält er sich abends mit den Mithäftlingen; sagt, dass er sich an seine derzeitige Situation gewöhnt, sich irgendwie eingelebt habe.

Tagsüber ist seine Tür offen, denn er hat inzwischen einen Vertrauensposten als Hausarbeiter. Gegen fünf Uhr morgens steht er auf, verteilt gegen sechs das Frühstück, später das Mittag- und Abendessen. Tagsüber putzt er seine Abteilung und teilt sich das gut ein, um die Stunden herumzukriegen. „Dabei hätte ich schon frei sein können“, gesteht der blonde junge Mann. 2014 wurde er in eine Therapie entlassen, hoffte sehr auf den Neustart und tönte laut: „Hier seht ihr mich nie wieder.“ Hätte er diese Therapie durchgezogen, er wäre nicht wiedergekommen. Tatsächlich aber trank er Bier und flüchtete nach München, wo die Polizei ihn eines Morgens vor Ostern weckte. Es war außerhalb der Gefängnismauern nach zwei Jahren Haft doch schwieriger mit der Freiheit umzugehen, als er sich das vorgestellt hatte.

Endstrafe bis Frühjahr 2016

Da er aber auf seiner Flucht nichts Kriminelles angestellt hat, werden nun lediglich diese Tage zur Gesamtstrafe addiert. Muss er alles absitzen, bleibt er bis Frühjahr 2016. Er hofft aber, vorzeitig entlassen zu werden. Fest steht: Es wird niemand auf ihn warten. Auch Besuch bekommt er weiterhin nicht. „Vier Mal war in der Zeit meine Anwältin hier“, sagt Yannik Schneider, der kein Mitleid will. „Ich will für alles gerade stehen.“

Doch er leidet darunter, dass seine Mutter sich nicht für ihn interessiert. Zwei Briefe schickte er an den Vater, die an seine Mutter schreibt er weiterhin regelmäßig. Eine Antwort bekam er nie. Warum, das weiß er nicht: „Ich habe ihr nie etwas getan“, sagt er verletzt. Die Hoffnung aber gibt er nicht auf, auch nicht darauf, nach der Haft seinen Bruder wiederzusehen; von ihm hat er immerhin ein Bild bei sich. Während er seine Strafe absitzt, hofft der 23-Jährige nun auf eine Brieffreundin. Auf jemanden, der ihm antwortet, mit dem er sich über alles austauschen kann.

Wenn er entlassen wird, möchte Yannik Schneider zurück nach Essen: „Ich will mein komplettes Leben neu aufbauen, möchte ankommen im normalen Leben.“ Mit Job, Freunden und Frau.

* Name geändert