Essen. Durch eine Gesetzesänderung haben Gefangene Anspruch auf zusätzliche Besuchszeiten. Die Leitung der Essener Justizvollzugsanstalt muss deshalb improvisieren, denn mehr Personal bekommt sie nicht zur Verfügung gestellt. Für viele Beamte bedeutet das mehr Überstunden.
Herrscht bald ein regelrechtes Gewusel im Besucherraum der Essener Justizvollzugsanstalt? Wenn im Laufe des Monats das neue Justizvollzugsgesetz gültig wird, verdoppelt sich die Zeit, in der Gefangene Besuch von Familie und Freunden empfangen können. Statt wie bisher nur eine Stunde im Monat, stehen dafür nun zwei Stunden zur Verfügung. Haben Inhaftierte zudem ein Kind zu Hause, das jünger als 14 Jahre alt ist, haben sie das Anrecht auf zwei weitere Stunden monatlich.
Den Gefangenen soll das helfen, die schädlichen sozialen Folgen ihres Freiheitsentzuges etwas zu lindern. Schließlich ist es ein erklärtes Ziel des angepassten Gesetzes, die Resozialisierung der Straftäter zu verbessern. „Es ist natürlich gut, wenn Häftlinge mehr Kontakt zu ihrer Familie und ihren Freunden halten können“, macht der stellvertretende JVA-Chef Alfred Doliwa deshalb deutlich.
Eine Menge zusätzliche Arbeit
Doch für den Anstaltsleiter und seine Sicherheitsbeamten bedeutet die sinnvolle Ausweitung der Besuchszeiten vor allem eins: eine Menge Arbeit. Denn neues Personal bekommt das Gefängnis an der Krawehlstraße im Zuge der Gesetzesänderung nicht zur Verfügung gestellt, sagt Doliwa. „Dabei bräuchten wir mindestens vier neue Bedienstete, um die Besuchszeiten zu gewährleisten.“ Eine Lösung? Ist derzeit nicht wirklich in Sicht. „Das geht nur provisorisch und auf Kosten des Personals“, berichtet Doliwa. Soll heißen: Die insgesamt rund 200 zur Verfügung stehenden Beamten müssen noch mehr arbeiten. „Ich weiß nicht, wie die anfallenden Überstunden abgefeiert werden sollen“, so Doliwa.
Die rund 440 Häftlinge im Essener Gefängnis können von Montag bis Donnerstag besucht werden. Solange sie sich nicht in Untersuchungshaft befinden, läuft das problemlos. Man muss lediglich einen Termin mit der Anstalt ausmachen. Um den erwarteten höheren Andrang abzufangen, dürften die Besuchszeiten pro Tag verlängert werden. Am Freitag und am Wochenende sind Besuche also weiterhin nicht möglich.
„Das betrifft jeden Gefangenen“
Das neue Gesetz beinhaltet weitere wesentliche Änderungen. So müssen für jeden Häftling genaue Vollzugspläne aufgestellt werden. Dort sind dann unter anderem mögliche Therapien oder Schulungen aufgeführt. „Das betrifft jeden Gefangenen“, sagt Doliwa. „Egal ob er nur sechs Wochen oder drei Jahre bei uns ist.“ Ergo: erneut mehr Arbeit bei gleichem Personal.
Ebenfalls vorgesehen im Gesetz sind mehr soziale Therapiemöglichkeiten für Häftlinge und ein verbesserter Opferschutz. So können die Opfer einer Straftat bei berechtigtem Interesse, Informationen über den Aufenthaltsort nach der Entlassung des Täters bekommen. In diesen Punkten erwartet Doliwa keinen großen Mehraufwand für die JVA. Das gilt auch für eine weitere Neuerung: Häftlinge können nach dem Haftende für maximal einen Monat freiwillig zurück ins Gefängnis kommen, wenn sie Schwierigkeiten mit dem Leben in Freiheit bekommen. Doliwa glaubt: „Das Interesse sollte da gleich Null sein“