Essen. . Weil sie zum Christentum konvertierten, mussten Amir und Sara aus ihrer Heimat, dem Iran, flüchten. Seit Monaten leben sie im Kirchenasyl im Weigle-Haus und verbringen nun erstmals das Fest in Deutschland

Der Weihnachtsbaum in dem kleinen Apartment im evangelischen Weigle-Haus erstrahlt in festlichem Lichterglanz. Auf dem Tisch steht ein Gesteck und allerlei weihnachtliche Dekoration. Gemütlich haben es Sara*und Amir* (beide 35, *Namen von der Redaktion geändert) hier. Der Raum wirkt wie ein gewöhnliches deutsches Wohnzimmer im Advent – nichts erinnert an die nervenaufreibende Fluchtgeschichte, die das Paar aus dem Iran hinter sich hat. Seit Juli leben sie nun als Gäste der evangelischen Gemeinde im Kirchenasyl. Sie dürfen das Gelände nicht verlassen; ohne Aufenthaltsgenehmigung würden die deutschen Behörden sie umgehend in ihr ursprüngliches Asylland Schweden ausliefern, woraufhin Schweden sie wieder in den Iran abschieben würde – eine Folge des Dubliner Abkommens.

Und dennoch sind sie hier glücklicher als in ihrem Heimatland: „Die Menschen sind sehr freundlich zu uns. Hier können wir unseren Glauben frei leben“, erzählt Sara. Im Iran werden sie aus religiösen Gründen verfolgt, da beide vor Jahren zum Christentum konvertierten.

Repressionen und Bespitzelung

Was war geschehen? In ihrer Heimatstadt Teheran haderte das eher westlich orientierte Paar schon länger mit dem islamischen Glauben und der einseitigen Interpretation des Koran, wie sie in der iranischen Theokratie den Bürgern als einzig wahre Religion vorgeschrieben wird. Mit der Zeit wurden beide rebellischer, vor allem Amir unterstützte die Opposition, verteilte Flugblätter und nahm an regierungskritischen Gesprächsrunden teil. Doch wussten wohl beide damals noch nicht, in welche Gefahr sie sich mit ihrem Engagement begaben. Amirs Handy wurde kontrolliert und der Freundeskreis des Paares bespitzelt – bis Amir eines Tages in Teheran verhaftet wurde. 2012 verbrachte er 45 Tage im Gefängnis und kam letztendlich nur frei, weil Saras Mutter eine stattliche Summe Lösegeld für ihn zahlte. Doch auch nach dieser erniedrigenden Erfahrung hielten die Probleme an. Irgendwann trafen Amir und Sara eine Entscheidung: Hier können wir nicht länger bleiben.

Mithilfe eines Schleusers gelangte das Paar zunächst nach Schweden – hilfsbereite Menschen brachten sie später mit dem Auto nach Deutschland. „Mein Bruder lebt hier in Essen. Das war natürlich ein großes Glück für uns“, sagt Sara. Schnell fanden sie dann Anschluss an die evangelische Gemeinde, wo sie sich für den Internationalen Bibelkreis engagierten. Sehr zur Freude von Pfarrerin Eva Gabra: „Die beiden sind eine große Bereicherung. Es ist faszinierend, welchen Blick sie auf die Bibel und auf das Leben als Christen mitbringen – wir können uns kaum vorstellen, dass die beiden irgendwann nicht mehr da sind.“ Das enge Band zu der Gemeinde entstand bereits, bevor die beiden im Kirchenasyl Zuflucht suchten.

Ein bisschen Weihnachtsfreude

Doch es dauerte nicht lange, bis die deutschen Behörden auf das iranische Paar aufmerksam wurden. Ohne den Schutz der Gemeinde wären sie vermutlich schon wieder im Iran, wo sie als bekennende Christen jeden Tag um ihr Leben fürchten müssten. Ein Asylantrag in Deutschland ist bereits gestellt, doch die Erfolgsaussichten möchte hier noch niemand beurteilen.

Und dann wär’ da noch eine Kleinigkeit: „Wir hätten so gerne einmal den Essener Weihnachtsmarkt besucht. Aber das ging ja nun mal nicht“, sagt Sara, doch auch für diesen Wunsch fanden einige Jugendliche aus der Gemeinde eine Lösung: Wenn das Paar nicht auf den Weihnachtsmarkt gehen kann, muss der Weihnachtsmarkt eben zu ihnen kommen. An allen 24. Adventstagen erhielt das Paar Besuch von jungen Gemeindemitgliedern, die stets ein weihnachtliches Mitbringsel im Gepäck hatten – zuletzt sogar einen Weihnachtsbaum. Die Idee zu der Aktion hatte die Essenerin Angelina-Jasmin Keller: „Für uns ist es selbstverständlich, die Weihnachtszeit mit schönen Dingen unbeschwert genießen zu können“, sagt die 20-Jährige. „Deshalb wollten wir unseren Gästen auch ein wenig Freude bereiten.“ Und das scheint auf ganzer Linie gelungen zu sein.

Denn trotz der beengten Wohnsituation wirken Sara und Amir fröhlich und entspannt, sie freuen sich von Herzen auf ihr erstes Weihnachtsfest in einem freien Land. Einsam wird es da sicherlich nicht: „An Heiligabend besuchen zwei Familien aus der Gemeinde die beiden hier im Weigle-Haus und feiern mit ihnen“, erklärt Eva Gabra. Dann wird deutsch gekocht – am ersten Weihnachtstag revanchiert sich das Paar und kocht persisch. „Fisch mit Reis“, kündigt Sara an. Ihr größter Weihnachtswunsch ist einfach: „In Deutschland mit meinem Mann in Frieden leben können.“