Essen. Beim Kita-Zweckverband arbeiten 1283 Beschäftigte, die über 50 Jahre alt sind und den Alltag in der Kita oft als kräftezehrend erleben. Mit dem Projekt „Gesund Arbeiten“ (Gesa) sollen sie die Freude an einem Beruf zurückgewinnen, den die meisten eigentlich lieben.
Seit einiger Zeit werben Kita-Träger verstärkt um junge Männer – der Kita-Zweckverband hat nun einmal den Blick auf die Frauen mittleren Alters gelenkt: Jene Erzieherinnen, die seit vielen Jahren im Beruf sind und die Belastungen oft merklich spüren. „Wir wollen, dass sie ihre Arbeit weiter gern tun und ihren Beruf bis zum Rentenalter ausüben können“, sagt der Geschäftsführer des Kita-Zweckverbandes, Peter Wenzel – selbst gelernter Erzieher.
Im Zweckverband sind die rund 270 katholischen Kitas im Bistum zusammengeschlossen, allein in Essen betreibt er 68 Einrichtungen und ist damit der größte freie Träger in der Stadt. Rekordverdächtig ist auch die Altersstruktur: Von den insgesamt 2835 Beschäftigten sind 1283 über 50 Jahre alt, nur 244 sind jünger als 29. Im Frühjahr 2013 schrieb der Kita-Zweckverband alle Mitarbeiter an und befragte sie zu ihrer Arbeit: Etwa die Hälfte nahm an der Befragung teil und gab Auskunft über alltägliche Belastungen.
Anspruchsvoller Spagat
So empfinden 90 Prozent ihren Beruf als anspruchsvoll, 38 Prozent leiden regelmäßig unter Schlaflosigkeit, gar 55 Prozent unter Rückenschmerzen – besonders gefordert fühlen sich Erzieherinnen in Gruppen mit Kindern unter drei Jahren (U 3). Vielen Kita-Leiterinnen gelingt es nicht, zu Hause abzuschalten. Mit einem Durchschnittsalter von 54 Jahren ist diese Gruppe auch gesundheitlich stärker gefährdet.
„So lange es morgens knackt, weiß man ja, dass man noch lebt“, scherzt Heike Christmann, die ihre Ausbildung vor 40 Jahren begann; einen Sohn groß gezogen hat und heute die Kita St. Antonius Abbas in Schönebeck leitet. Auch sie hat sich gefragt, „wie ich den Spagat zwischen pädagogischer Arbeit, Planung und Qualitätsmanagement bis zur Rente bewältigen soll“.
Bessere Personalschlüssel für U 3 gefordert
Heike Christmann hat eine Antwort gefunden: Denn die Befragung war nur Auftakt für das Projekt „Gesund Arbeiten“ (Gesa), das zum Jahresende ausläuft – aber langfristig wirken soll. Seit Sommer 2013 gab es Gesundheitszirkel, an denen gut 200 Mitarbeiterinnen teilnahmen: Dabei ging es nicht um Rückenschule oder Yoga-Kurs, sondern um die innere Haltung: Die Teilnehmerinnen sollten ihr professionelles Selbstbild schärfen, Zeit- und Stressmanagement sowie Kommunikationstechniken erlernen.
Das klingt nebulös, soll aber die Resilienz – die psychische Widerstandsfähigkeit – trainieren. Langfristig helfe das im Umgang mit hyperaktiven Kindern wie mit anspruchsvollen Eltern. Heike Christmann ist so begeistert, dass sie sich zur Referentin schulen ließ und die Ideen von Gesa nun an Kolleginnen weitergibt. „Das stärkt für schwierige Alltagssituationen – solange die Rahmenbedingungen stimmen.“ So wünschte sie sich vom Gesetzgeber einen besseren Personalschlüssel für U 3-Gruppen: „Da brauchen wir ja quasi eine Wickel-Beauftragte.“
Arbeitsministerium finanzierte das Projekt
Das Projekt „GesundArbeiten“ (Gesa) haben das Bundesarbeitsministerium, die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und der Deutsche Gewerkschaftsbund entwickelt. Gesa wird vom Ministerium sowie vom Europäischen Sozialfonds finanziert und von der Initiative „Gleichstellung von Frauen in der Wirtschaft“ gefördert.
Auch nach dem Projektende wird der Kita-Zweckverband die Seminare anbieten, zudem gibt es ein E-Learning-Programm.
Der Kita-Zweckverband wiederum weiß um seine Verantwortung für Lärmschutz oder rückenschonendes Arbeiten. Manchmal geht es eben nicht um die innere Haltung, sondern um praktische Hilfsmittel. Wie sagt Peter Wenzel: „Wer einen Erzieher-Stuhl will, bekommt ihn.“