Essen. Das Maschinenhaus der Zeche Carl hat sich als Ort für künstlerische Experimente etabliert. Hier will man Neues wagen und trotzdem noch bürgernah bleiben. Der Verein Carl Stipendium besteht seit bald 20 Jahren.
Die Künstler spazieren manchmal noch durch den Hintereingang ins Haus. „Hallo, ich soll hier heute Abend auftreten“, sagt der Mann mit der Gitarre und stapft die Treppe rauf ins hohe, atmosphärische Backsteingewölbe, das mal Heimat für Dampfmaschinen war, die Energie für Kohleförderung erzeugten. Heute wird hier Kunst produziert und Musik gemacht wie an diesem Abend bei der „Scratch Night“, ein fester Programmpunkt des Hauses.
Das Maschinenhaus der Zeche Carl ist ein Ort für Experimente und in gewisser Weise auch selber ein Experiment, das 2015 schon 20 Jahre besteht. Angesiedelt in einem Stadtteil, der nicht unbedingt als Anlaufpunkt der Kultur-Bohème gilt, hat sich das Haus für kreative Grenzgänge einen Namen gemacht. Manche Künstler, erzählt Fabian Sattler vom Vorstand des Vereins Carl Stipendium, überlegen schon, ob sie sich nun für das Mekka der freien Kultur, Hamburgs Kampnagel-Fabrik, oder fürs Essener Maschinenhaus bewerben sollen. Wer kommt, bleibt länger.
Zwischen einer und drei Wochen arbeiten die Residenten zumeist auf Carl, entwickeln ihre Programm, bekommen auch mal Hilfe bei der Antragstellung von Fördermitteln. Wer kommt, muss die Leere mit Ideen füllen können. „Der Raum wird immer wieder auf Null gebaut“, erklärt der 35-Jährige. Die Spartengrenzen sind aufgehoben, ebenso die Gesetzmäßigkeiten des subventionierten Bühnenbetriebes. Im Maschinenhaus geht es nicht um Quote, Auslastung und Konformität, sondern um „angstfreies Arbeiten“, wie es Sattler nennt. „Nur dann entstehen neue Sachen.“
Das Maschinenhaus
1985 wird das Maschinenhaus der Zeche Carl als Großatelier, Arbeitsstudio und Ort der Begegnung eröffnet und im selben Jahr unter Denkmalschutz gestellt.Der Trägerverein Carl Stipendium organisiert künstlerische Projekte.
Von 1989 bis 1996 wird das Maschinenhaus renoviert. Seit 2012 setzen Fabian Sattler, Eckard Koltermann, Sebastian Fritzsch und inzwischen Christine Knecht als Leitungsteam neue Akzente im Maschinenhaus .
Finanzielle Unterstützung durch die Stadt
Kunst, die sich den weißen Museumswänden längst entsagt hat, Theater ohne Guckkasten-Automatismus „Die Hauptsache ist, dass jemand was wagt“, findet der Essener, und „dass die Leute mit dem Ort umgehen wollen und nicht nur nach einem Auftrittsort schielen“. Dafür ist die Zeit zu knapp. Das Maschinenhaus könnte öfter belegt werden, wenn man noch einen Probenraum hätte, so Sattler Und schließlich sollen hier nicht nur die Kunst, sondern auch Geburtstage, Hochzeiten, Jubiläen Raum haben, das Kindertheater nicht zu vergessen.
Mit 30.000 Euro unterstützt die Stadt das Maschinenhaus jährlich, eine ähnliche Summe werde durch Vermietungen eingenommen, sagt Sattler. So kann man das Haus mit einem Miniteam führen, das sich um Technik, Verwaltung, Marketing kümmert. Auch Sattler, der an der Folkwang-Uni Schauspiel studiert hat, verdient sein Geld zwischendurch mit Gast-Engagements an anderen Häusern.
Aber als er 2009 einen Ort für das „Physical Theatre Festival“ suchte, da war das Maschinenhaus „ein Geschenk, das ich auch an andere weitergeben möchte“. Und als 2012 ein neuer Vorstand den Neustart auf Carl wagte, war er mit dabei. Inzwischen gibt es feste Gäste. Die Kunstreihe „Totale“, die „Positionen“ der Stadt, die Ruhrtriennale. Der Terminkalender für 2015 ist schon gut gefüllt. Gut möglich aber, dass die Hintertür für Kultureinsteiger noch aufsteht.