Essen. Das Stück „Am Horizont“ in der Box des Essener Schauspiels greift mit heiterem Umgang ein sehr ernstes Thema auf. Gut aufgelegtes Ensemble glänzt in der Inszenierung von Petra Wüllenweber.

Opa war früher vielleicht mal ein richtiger Rolling Stone. Aber jetzt hat ihn der Stein der Greisen einfach überrollt, viele Erinnerungen platt gemacht und seine Persönlichkeit allmählich in lauter Staubteilchen zerbröselt. Opa hat Alzheimer. Petra Wüllenweber hat daraus ein Theaterstück gemacht. Keines fürs Seniorentheater, sondern für Leute ab zehn, die im wahren Leben auch immer öfter erleben müssen, wie ihre Großeltern allmählich im Vergessen entschwinden. „Am Horizont“ nimmt diese Erfahrungen ernst und sucht trotzdem auch einen heiteren Umgang mit der Krankheit. In der Inszenierung von Katha Trykowski in der Box des Schauspiel Essen gelingt der Spagat mit einem gut aufgelegten Ensemble.

Der Bühnen-Horizont ist hier nicht himmelblau, sondern wasserkachelgrün. Logisch, Opa war ja mal Schwimmer bei den Olympischen Spielen und bringt jetzt seinen Enkelsohn Janek bei, schnell wie ein Delfin zu schwimmen. Thomas Büchel gibt dem erkennbar noch recht jungen Greisen ein bisschen die Aura des späten Hippies, der vergnügt Manfred Mann trällert, während ihm die Gegenwart allmählich entgleitet. Erst will er mit seinem Bademantel ins Kino gehen, dann fällt ihm der Name für Kamm nicht mehr ein und schließlich steht er auch ahnungslos vor seinem Enkel: „Und wer sind Sie?“

Kraft, Intensität und Aufklärungs-Vermögen

Büchel spielt dieses Entschwinden im Schnelldurchlauf zwischen zunächst heiter-dynamischer Verdrängung und eindringlich-wütender Verzweiflung enorm intensiv. „Am Horizont“ ist kein Jugendtheater mit Alles-wird-gut-Versprechen, Wüllenweber beschreibt einen durchaus konkreten Krankheitsverlauf.

Aber immer, wenn es richtig ernst wird und Opa schon fast die Wohnung in Brand setzt, schwimmt sich das Stück in der wandelbaren Becken-Bühne von Noemie Baumblatt wieder frei. Da ist schließlich auch noch Anna (Silvia Weiskopf), die Neue aus der Klasse, die nicht nur toll malen kann, sondern Janek auch noch in Englisch aus der Patsche hilft. David Simon schultert das ganze Paket von Problemen zwischen Scheidungskind und Schulstress, die ihm das Stück noch zusätzlich aufbürdet, mit schöner postpubertärer Gelassenheit. Gegenüber dem straffen Zugriff, mit dem das Thema Alzheimer angepackt wird, flattern die anderen Handlungsfäden aber manchmal etwas allzu locker. Trotzdem hat das Stück große Kraft, Intensität und sogar Aufklärungs-Vermögen. Eine Seepferdchen-Prüfung für den Umgang mit den Altgewordenen, gewissermaßen.

„Am Horizont“ in der Box des Schauspiel Essen

Uraufgeführt wurde „Am Horizont“ von Petra Wüllenweber 2009 – und ein Jahr später zum Festival KinderStücke in Mülheim eingeladen.

Für Kinder ab zehn Jahren ist das Stück geeignet.

In der Inszenierung von Katha Trykowski sind neben Thomas Büchel David Simon als Janek und Silvia Weiskopf als Anna zu sehen.

Die ausverkaufte Premiere findet am 6. Dezember in der Box (Theaterpassage) statt. Karten/Termine: 8122 200