Essen. Angesichts sinkender Mitgliederzahlen muss das Ruhrbistum weiter sparen und sucht nach neuen Formen der Ansprache. Doch während Bischof Franz-Josef Overbeck die frohe Botschaft auch auf Twitter verkünden will, vermissen ältere Gläubige das Gemeindeleben vor Ort.
Es sei kein neuer Sparkurs geplant, sagt Bistums-Sprecher Ulrich Lota. Doch das böse Wort ist in der Welt, seit zu Wochenbeginn bekannt wurde, dass die Pfarreien im Ruhrbistum bis 2020 die Hälfte ihrer Ausgaben einsparen sollen. Dabei sind die Wunden der Jahre 2006 bis 2008 noch nicht verheilt, als 259 Kirchengemeinden zu 43 Pfarreien zusammengefasst wurden.
Seit damals gehört es zum Kirchenjahr wie Ostern, Kommunion und Weihnachtsgottesdienst, dass hier eine Kirche profaniert, dort ein Gotteshaus abgerissen wird. Und dass mitunter mehr Gläubige zum Protest zusammenfinden als vorher in der Sonntagsmesse zu sehen waren. Weil nämlich die, die da waren, mit der Kirche „ein Zuhause verlieren“, wie es Gisela Kohlmann aus Kupferdreh dieser Tage über den Verlust von St. Josef sagte.
Ein Zuhause, das vielerorts zu groß geworden ist, wie das Eigenheim nach dem Auszug der Kinder. So hat Bischof Franz-Josef Overbeck dieser Tage nüchtern erklärt: „Die Kirchen stehen zu lassen, macht sie nicht voller.“
Manager statt Seelsorger
Beim Bistum beschwichtigt man, es gebe keine fertigen Pläne und man rede auch „nicht vorrangig um Strukturen, Geld und Gebäude“. So sagt es Markus Potthoff, Leiter der Hauptabteilung Pastoral und Bildung – und zuständig für die Pfarrei-Entwicklung. Sparkurs? Bei Potthoff klingt das so: Angesichts sinkender Mitgliederzahlen wolle man bis zum Jahr 2017 „neue Perspektiven für die seelsorgliche Arbeit vor Ort entwickeln“.
Bloß mögen viele Kirchgänger solchen Ankündigungen keinen Glauben mehr schenken: „Es sind keine Seelsorger mehr da, nur noch Manager“, klagt Gerda Steinmann (Name geändert) aus Borbeck. Als praktizierende Katholiken beschreibt sie sich und ihre Familie: Die Söhne Messdiener, ihre Mutter sammelte einst Geld für den Kirchenbauverein. „Als sie in diesem Jahr starb, war die Kirche abgebrochen, und nach einem Pfarrer mussten wir suchen.“ Der Trost kam an zweiter Stelle, erst kam, was Steinmann als Ausflüchte wahrnahm: „Am Samstag beerdige ich nicht, am Montag hab’ ich meinen freien Tag ...“
Tatsächlich findet da auch der Priestermangel Ausdruck, mit dem die Kirche zu kämpfen hat. Längst stehen ja Gemeindereferenten am Grab, werden Laien ausgebildet, um christliche Begräbnisse zu ermöglichen. Doch oft gelingt es nicht, dem Mangel zu begegnen, den die Gläubigen empfinden, weil mit den Gotteshäusern gelebte Gemeinschaft verloren geht: „Zwei Monate nach meiner Mutter starb mein Mann, da war ich auch allein“, sagt Gerda Steinmann, die heute im Rollstuhl sitzt und vergeblich auf den Besuch eines Pfarrers hofft.
Ein spirituelles Erlebnis
Die kleinräumige Seelsorge mit „Pfarrfamilien“, wo einer die Nöte der anderen kannte, komme nicht zurück, sagt Bistums-Sprecher Lota. „Doch die Menschen, die früher immer geholfen haben, sehen die Kirche aus der Perspektive der Vergangenheit und fragen: ,Warum ist jetzt niemand für mich da?“ Eine berechtigte Frage, auf die das Bistum noch keine Antwort hat. Bis 2017 wolle man aber ebendies herausfinden: „Wie Kirche lebendig bleiben kann.“
Lebendig auch für junge Leute, die eher keinen Hausbesuch wünschen, sondern neue Gottesdienstformen. Wenn dann wie am Wochenende der Dom mit einer Lichtinstallation bespielt wird, ist das für die einen ein neues spirituelles Erlebnis – für die anderen Firlefanz.
„Mit alten Gebäuden werden wir keine neue Kirche gestalten können“, sagt Bischof Overbeck. Und auch: „Ich merke doch, dass ich mit meinen Predigtworten weniger erreiche, als wenn ich dreimal twittere.“ Für Gerda Steinmann heißt eine solche Sicht nur das: „Hier bringt niemand mehr die Alten und Kranken zur Messe – wir schauen uns den Gottesdienst im Fernsehen an.“ Voller werden die Kirchen so natürlich auch nicht.