Essen. Schweigemarsch durch die Innenstadt. „Als ,ultima ratio‘ muss die Androhung von Gewalt und ihr Einsatz möglich sein“, sagt Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck. Superintendentin Marion Greve sagt Mitleiden und konkrete Unterstützung der Essener Christen zu. Appell zu Aufnahme von mehr Flüchtlingen.

Mit einem Schweigemarsch und einem Friedensgebet im Dom haben am Freitagabend rund 500 Christen in der Essener Innenstadt ein Zeichen der Trauer und der Solidarität mit den von den IS-Milizen verfolgten Glaubensgeschwistern im Irak und in Syrien gesetzt. Gleichzeitig eröffneten das Ruhrbistum und die Caritas im Bistum Essen die Aktion „Bekennen.Beten.Spenden.“ Sie soll das Thema in den kommenden Wochen wachhalten.

Die Kundgebung und die Aktion seien „ein Bekenntnis für die Menschenwürde aller, für die Rettung der verfolgten Christen und der Andersgläubigen und für den Mut zur großen Gastfreundschaft den Flüchtlingen gegenüber“, sagte Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck in seiner Predigt. Angesichts der andauernden Gewaltexzesse durch die Terrororganisation des Islamischen Staates sei „Nichts zu tun, keine Option“, sagte er mit Blick auf die Debatte um Militäreinsätze. Overbeck stellte klar, dass diese Frage Christen vor ein Dilemma stellt. Gleichzeitig betonte er: „Als ,ultima ratio‘ muss die Androhung von Gewalt und ihr Einsatz möglich sein, um das Recht auf Leben und Unversehrtheit aller Opfer zu schützen.“

Sozialdezernent fordert Bundesregirung zur Öffnung der Grenzen auf

Zuvor hatte der von Ruhrbistum und Caritas organisierte Schweigemarsch mit einer Kundgebung auf dem Hirschlandplatz begonnen. „Wenn ein Glied leidet, leiden alle Glieder mit“, zitierte die Essener Superintendentin Marion Greve ein biblisches Bild, um Mitleid und Unterstützung der Christen in Essen für die bedrängten Christen im Nahen Osten deutlich zu machen. „Mit unseren Gebeten verbinden wir uns über die Landesgrenzen hinweg.“

Der Essener Sozialdezernent Peter Renzel (CDU) dankte den Kirchen für das Engagement in der Betreuung der Menschen, die auf der Flucht vor Terror und Bürgerkrieg nach Essen kommen. Zudem forderte er die Bundesregierung auf, die Grenzen für die verfolgten Christen aus dem Irak zu öffnen, „damit sie mit ihren Verwandten hier zusammengeführt werden und bleiben können, bis die Weltgemeinschaft die Barbarei in ihrer Heimat beendet“.

Die Politik müsse dafür sorgen „dass die Grenzen geöffnet werden und weitere Flüchtlinge in Deutschland kurzfristig aufgenommen werden können“, forderte auch der Essener Caritas-Direktor Dr. Björn Enno Hermans. Er wandte sich gleichzeitig an die Christen im Ruhrgebiet, „sich noch mehr als bisher zu öffnen für Flüchtlinge und diese herzlich aufzunehmen“. Hermans rief dazu auf, die Nothilfe der Caritas im Nordirak auch dann noch zu unterstützen, wenn die Bilder aus den Nachrichten verschwunden seien. „Unsere Solidarität muss weitergehen“, so Hermans.

„Schuldlos wie ein Lamm zur Schlachtbank geführt“

Drastische Worte wählte der Pfarrer der chaldäischen Gemeinde in Essen, Abuna Raad Sharafana, der für alle vier christlichen Gemeinden aus dem Nahen Osten sprach, die den Schweigemarsch initiiert hatten. Die Christen im Nordirak und in Syrien würden „schuldlos wie ein Lamm zur Schlachtbank geführt“. Er forderte ein stärkeres Eingreifen der internationalen Gemeinschaft, um das Töten der IS-Milizen zu beenden.

Beim Friedensgebet im Dom standen das Reliquiar von Kosmas und Damian und vier Ikonen der beiden Essener Stadtpatrone im Altarraum, deren Fest die Kirche an diesem Wochenende feiert. Im dritten Jahrhundert wirkten die beiden Ärzte in Syrien und sollen der Legende nach für ihren Glauben mit dem Schwert enthauptet worden sein, schilderte Overbeck. Und er verwies auf aktuelle Berichte aus der gleichen Region über Enthauptungen und andere Gräueltaten der IS-Milizen. Angesichts dieses Terrors müsse „jeder mit Vernunft begabte Mensch um der Würde der Menschen willen lautstark Protest einlegen und für das Leben aufstehen“, forderte der Bischof.