Essen. In einem neuen Buch erzählen WAZ-Leser, wie sie den Zweiten Weltkrieg in Essen erlebten. Ein eindrucksvolles Stück „Geschichte von unten“.
„Man muss sich darüber klar sein, dass diese Stadt zu einem hohen Prozentsatz abgeschrieben werden muss.“ Von Essen ist hier die Rede, Hitlers Propagandaminister Joseph Goebbels notierte am 10. April 1943 diesen Satz in sein berühmtes Tagebuch. Zu diesem Zeitpunkt ließ sich schon lange nicht mehr verheimlichen, dass die Nationalsozialisten ihr Volk dreist belogen hatten, als sie zu Anfang des Krieges die deutschen Städte als quasi unangreifbare Festungen bezeichneten. Wie die Menschen in Essen und im Ruhrgebiet unter dem Bombenhagel litten, zeigt ein neues Buch, an dem vor allem ältere Leserinnen und Leser der WAZ intensiv mitgeschrieben haben: „Feuersturm an der Ruhr“.
In Essen war der 5. März 1943 der Tag, der das in Jahrhunderten gewachsene Bild der Stadt mit einem Schlag völlig veränderte. Nach Einbruch der Dunkelheit gegen 20.30 Uhr kündete ein gewaltiges Dröhnen vom Herannahen eines britischen Bomberverbands. „Mir war sofort klar, dass es weit mehr waren als je zuvor“, erinnert sich Paul Werner, der in jener Nacht als 17-jähriger die Brandwache in seiner Schule, dem Burggymnasium hatte, und der im Buch ausführlich zu Wort kommt.
In einer einzigen Nacht wurde der Stadtkern fast völlig zerstört
Und es waren nicht nur mehrere Hundert Flugzeuge, die Taktik war auch um vieles ausgeklügelter als bei den Angriffen, die Essen bis dahin erlebt hatte. Mit einer Mischung aus Spreng- und Brandbomben gelang es, in der Innenstadt und in den umliegenden dicht besiedelten Quartieren viele einzelne Häuser in brennende Fackeln zu verwandeln und so einen Feuersturm zu entfachen. Allein in dieser Nacht wurde der Stadtkern zu 90 Prozent zerstört, 461 Essener starben.
Essen in Trümmern
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In den folgenden zwei Kriegsjahren sollte es - abgesehen von den dünn besiedelten Außenbezirken - fast jeden Stadtteil schwer erwischen. Die Luftabwehr, oft besetzt mit Schülern („Flakhelfer“) war zu schwach und zu unpräzise, um das Inferno verhindern zu können. Weil klar war, dass schon der Name Krupp die Kriegsgegner herausfordern würde, war der Bunkerbau früh forciert worden, teils sogar durch Eigeninitiative der Bergleute. Am Ende kostete der Bombenkrieg rund 6400 Essener Zivilisten das Leben - was im Vergleich mit anderen Städten sogar noch wenig war.
Auch wer überlebte, behielt häufig seelische Narben zurück
Über die Todesängste beim Herannahen der Flugzeuge, den gefahrvollen Weg zum Bunker, die Sorge um die verlassene Wohnung berichten die Leser in diesem Buch. Die meisten waren im Zweiten Weltkrieg Kinder oder Jugendliche. Froh, mit dem Leben davon gekommen zu sein, behielten viele aber doch seelische Narben aus dieser Zeit zurück.
StadtgeschichteAb Mitte 1943 setzte eine große Evakuierungswelle ein, viele Kinder wurden mitsamt ihren Schulen in ländliche Gebiete transportiert. Zurück blieben die Alten und die Frauen, die unter permanenter Lebensgefahr hilflos zusehen mussten, wie die Städte an der Ruhr Stück für Stück in Trümmern sanken. Viele konnten das nie vergessen - die Berichte zeigen es eindruckvoll.
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