Essen. . In Essen können engagierte Bürger einen Fonds anzapfen – etwa für Bustickets oder den Gruga-Eintritt. Aber macht das die neue Freiwilligenkarte überflüssig? Die Ankündigung der Stadt eine Karte ohne Vergünstigungen anzubieten sorgte immerhin für Diskussionen bei einigen Bürgern und Politikern.

Inhaber der NRW-Ehrenamtskarte erhalten fünf Prozent Nachlass in einer Essener Parfümerie oder 50 Euro Startguthaben bei der Eröffnung eines neuen Girokontos bei einer Bank. Bloß für Essener gilt das nicht. Denn die Stadt beteiligt sich nicht an der Landeskarte, sie gibt nun ihre eigene Freiwilligenkarte heraus: Statt Vergünstigungen bringt diese ideelle Wertschätzung. Schon fragen einige Ehrenamtliche und Politiker, ob die Essener Karte überhaupt Sinn ergibt.

„Aber ja“, sagt Ulrike Ritterbusch. Sie koordiniert die Hospizarbeit im Uniklinikum und betreut 54 freiwillige Helfer. Sie ist selbst Ehrenamtliche und saß in den vergangenen zwei Jahren mit am Tisch im Rathaus, wenn es um bürgerschaftliches Engagement ging. Ein Ergebnis: die neue Karte. „Sie ist ein wichtiger Bestandteil in der Anerkennungskultur.“ Natürlich habe es wilde Diskussionen um kostenlose Parkplätze, Bustouren oder Schirmmützen gegeben. Viel wichtiger aber als Geschenke oder Vergünstigungen („wenn ich doch mein Ehrenamt antrete, dann mache ich das, ohne Gegenleistung zu erwarten“), sei die Anerkennung dessen, was die Freiwilligen leisten. Dafür sei die Karte ein Symbol.

Einsatz von Alleinerziehenden würdigen

Geld für Suppenabende mit den Helfern erhalten sie aber durchaus – aus dem Ehrenamt-Fonds. Der sei ein weiteres Ergebnis der Rathaus-Runden. Unternehmen könnten spenden statt Parfümpreise zu reduzieren. Der Fonds helfe gezielter als generelle Vergünstigungen wie freien Eintritt im Schwimmbad an die Karte zu koppeln. Denn Vorlesepaten benötigen wahrscheinlich eher Bücher. Ehrenamtliche entscheiden selbst, wofür sie finanzielle Unterstützung brauchen.

Ulrike Ritterbusch betont: „Die Gespräche darüber, was mit der Karte künftig machbar sein könnte, laufen weiter.“ Sie nennt zudem ein Argument gegen die NRW-Karte: Die gibt’s erst ab einer bestimmten Stundenzahl. Würdigen solle man aber etwa auch den kürzeren Einsatz der Alleinerziehenden.

Wenn sich nun die Menschen in der Hospizarbeit die neue Karte wünschen, dann „werden wir diese beantragen, aber nicht wortlos verschicken“. Ein besonderes Ereignis wie ein Neujahrstreffen wäre ein guter Rahmen, um sie zu verteilen: „Auch das ist Anerkennung.“

Spendentopf erforderlich

„Ich brauche die Karte nicht“, sagt Detlef Bringenberg (62). Der ehemalige Vertriebsleiter eines Softwareherstellers ist Ehrenamtlicher im Hospizdienst. Er begleitet schwer kranke Menschen bis zu deren Lebensende. Die Karte stellt er keinesfalls in Frage, ihn selbst habe es auch berührt nach seiner Schulung das Zertifikat in Händen zu halten. Er könne sich nicht vorstellen, die Karte beim Bäcker zu zücken. Aus seiner Sicht hat es ohnehin eine viel höhere Wertigkeit, einer Gruppe von Ehrenamtlichen einen Theater-Besuch zu ermöglichen, statt Rabatte anzubieten.

Er weiß inzwischen aber von Ehrenamtlichen, denen eine Karte auch ohne jegliche Vergünstigung wichtig ist. Gleichzeitig kennt er Freiwillige, für die fünf Euro Parkgebühr viel sind, deshalb sei der Spendentopf erforderlich. Freiwilligenkarte und Förderfonds, sagt er: „Das ist ein Gesamtpaket, es sind zwei verschiedene Arten der Wertschätzung.“

15.000 Euro für die Helfer - Stadt fördert Ehrenamt aus einem Spendentopf 

Die Stadt startet mit ihrer Freiwilligenkarte. Die ersten neun Anträge liegen vor, sagt Gabriele Micklinghoff, zuständig für das Thema bei der Stadt. Mit dieser Karte gibt es zunächst ideelle Wertschätzung statt Vergünstigungen beim Gruga-Eintritt etwa. Denn für die finanzielle Förderung von Ehrenamtlichen wählt Essen einen anderen Weg. Seit zwei Jahren gibt es einen Ehrenamtsfonds. „15 000 Euro werden jährlich verteilt“, sagt Micklinghoff. Befüllt wird der Topf vom Energiekonzern RWE. Weitere Firmen könnten sich beteiligen.

Die Entscheidung pro Fonds fiel, „weil die Ehrenamtlichen so die Chance haben selbst zu entscheiden, was sie brauchen“. Individuelle Förderung statt Pauschalangebote, lautet nicht nur die städtische Devise, denn die Karte haben Vereine, Organisationen und Ehrenamtliche mitentwickelt. 80 Teilnehmer trafen sich seit 2011 im Rathaus zum Thema Ehrenamt. Zwei Schwerpunkte: Karte und Fonds. Die Karte werde aber durchaus weiterentwickelt, sagt Micklinghoff den Kritikern, es laufen etwa Gespräche mit der Evag.

Vom Fonds haben bis heute 2000 Ehrenamtliche profitiert. Durchschnittlich gab es 400 Euro für Fortbildung, Fahrkarten, Kopier- oder Telefonkosten. Beantragen können das Geld Einzelpersonen oder Vereine; zweimal im Jahr bis zu 1000 Euro. Für die Abgabe des Antrag gelten drei Stichtage im Jahr. Ein Beirat aus fünf Personen von Verbänden oder Ehrenamtagentur regelt die Vergabe. Anträge stehen auf der Internet-Seite der Stadt Essen unter „Förderfonds bürgerschaftliches Engagement“.