Duisburg-Baerl. Die Bürgerinitiative „Baerler Busch ist bedroht“ überwacht die Baumfällungen. Die Stimmung schwankt zwischen Unmut und vorsichtigem Optimismus.
Sieglinde Sper kann nicht so richtig in Worte fassen, wie sie sich fühlt. Irgendwo zwischen Trauer, Wut und Erleichterung sortiert sie die Empfindungen ein, die sie beim Spaziergang durch den Baerler Busch begleiten. Vor einem frisch aufgetürmten Stapel Buchenstämme bleibt sie stehen und vergräbt die Hände in den Jackentaschen. „Das tut weh“, sagt sie, die sich in der Bürgerinitiative „Baerler Busch ist bedroht“ engagiert. Der einzige Trost sei, dass weniger Bäume gefällt werden als zuerst geplant. „Zumindest das haben wir erreicht.“
Heute sind sie zu dritt unterwegs, um den Waldarbeitern auf die Finger zu schauen. Gestärkt durch 3500 Unterschriften der Baerler Bürger hatte die Initiative 2019 den Kampf gegen die damals massiven Eingriffe in den beliebten Erholungswald vor ihrer Haustür aufgenommen.
Der „15-Punkte-Plan“ zur klimagerechten Entwicklung des Baerler Busches
Nach drei Jahren mit zähen Verhandlungen, bei denen in einer Arbeitsgruppe aus RVR, Umweltverbänden und Politikern ein „15-Punkte-Plan zur klimagerechten und ökologischen Entwicklung des Baerler Busches“ erstellt wurde, hat auch Mitstreiter Thomas Kremers Gefühlsschwankungen angesichts der Wiederaufnahme der Arbeiten: „Es ist nicht ganz so schlimm wie das Horrorszenario, das sich damals abgezeichnet hat. Aber wirklich gut ist es auch nicht.“
Vor anderthalb Wochen haben die neuen „Durchforstungsarbeiten“ des Waldbesitzers RVR begonnen. „Sinnlose Baumfällungen!“ – übersetzt Gernot Fischer die Aktivitäten der Forstarbeiter in die Wortwahl der Bürgerinitiative. Anders als die übrigen Teilnehmer des Arbeitskreises hat die Bürgerinitiative dem „Kompromisspapier“ am Schluss nicht zugestimmt. Ihr geht die Waldbewirtschaftung des RVR immer noch viel zu weit. Außerdem hatten die Naturschützer darauf gepocht, dass dem Wald eine fünfjährige Erholungspause gegönnt wird. Und nun wird doch schon zwei Jahre früher wieder gesägt.
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Fischer marschiert mit flottem Schritt in dicken Arbeitsschuhen durch den Matsch. Auf seiner Jacke in Signalorange steht „Standort-Baum Expertise“. So heißt die Firma, für die der Diplomingenieur als Baumsachverständiger arbeitet. Er ist der Fachmann der Bürgerinitiative. Statt mit Spazierstock ist Gernot Fischer mit einem Metallstab im Wald unterwegs. „Das ist eine Sondierspitze“, klärt er auf und rammt den schlanken Helfer, der Erkenntnisse über den Untergrund liefert, in die Erde. „Probieren Sie das mal! So fühlt sich gesunder Waldboden an.“
Vor allem der verdichtete Waldboden bereitet den Umweltschützern Sorgen
Butterweich lässt sich das Ding in die Erde schieben. Ein paar Meter weiter demonstriert Fischer, was schwere Arbeitsmaschinen mit dem Waldboden machen können. Zunächst wiederholt er den Test in einer alten, seit Jahren nicht mehr befahrenen „Rückegasse“. So heißen die zwischen den Bäumen angelegten Fahrwege, über die das Holz abtransportiert wird. Hier, wo die Abdrücke der Forstfahrzeuge unter dem Laub noch zu erkennen sind, geht es schon deutlich schwerer. Aber auf der frischen Spur ein paar Meter weiter ist die Erde so platt gefahren, dass man keine Chance hat, die Sondierspitze weit in den Boden zu schieben.
„Da sehen Sie, dass es nicht stimmt, wenn der RVR sagt, dass sich der Boden in alten Rückegassen nicht weiter verdichtet, wenn sie wieder befahren werden.“ Das sei eine enorme Beeinträchtigung für den Wald. Der Baumkenner zitiert wissenschaftliche Studien darüber, wie wichtig ein intakter Boden für das komplexe Ökosystem Wald ist.
Diesmal sind keine schweren Holzerntemaschinen vom Typ „Harvester“ im Einsatz
„Dieser Boden hier kann nicht mehr atmen“, sagt er. Alle 20 Meter seien solche je vier Meter breiten Rückegassen angelegt. „Das ist Plantagenwirtschaft. Damit ist ein Fünftel des Waldbodens hinüber.“ Die Bürgerinitiative fordert Abstände von 40 Metern, so wie es auch das „FSC-Siegel für guten Wald und gutes Holz“ vorsehe.
Bei allem Unmut sind sich die drei aber auch einig, dass die Bürgerinitiative trotzdem stolz auf ihre Erfolge sein kann. Was den Boden betrifft, so hat der RVR auf den Einsatz der Holzerntemaschinen „Harvester“ verzichtet. Zwar würde Sieglinde Sper noch viel lieber Rückepferde als Maschinen sehen und Gernot Fischer versteht nicht, warum man die Bäume nicht schonender mit Seilwinden und Schleppern aus dem Wald holt, aber zumindest sind die gewaltigen Harvester aktuell kein Thema.
Ein Drittel weniger Fällungen? Die Bürgerinitiative ist vorsichtig optimistisch
Erleichterung verspürt Thomas Kremers auch beim Anblick der Markierungen auf den Stämmen. Der neue Revierleiter Johannes Kemper hat die Fläche, die im 15-Punkte-Plan der Arbeitsgruppe für die Durchforstung freigegeben wurde, komplett überarbeitet. „So wie es aussieht, wird ein Drittel weniger gefällt als vorher ausgezeichnet“, sagt Kremers. Die Bäume mit den orangen Farbmarkierungen dürfen bleiben, nur wer einen grellgrünen Strich hat, wird gefällt. Außerdem habe der Waldbesitzer durchblicken lassen, dass weitere Flächen aus der Bewirtschaftung herausgenommen werden. Und: Der Austausch mit dem RVR sei konstruktiv. „Wir führen gute Gespräche.“
Dennoch: Die Bürgerinitiative bleibt wachsam. Jeden Tag drehen freiwillige „Waldwächter“ ihre Runden durch den Baerler Busch und dokumentieren, was geschieht. Ihr Ziel bleibt ein Wald, der genügend Spielraum für eine natürliche Entwicklung hat. Da sind die Baerler einer Meinung mit den Experten der Eberswalder Hochschule für nachhaltige Entwicklung, die 2019 einen offenen Brief an die Umweltministerin geschrieben haben. Die zentrale Forderung klingt so: „Wir brauchen endlich Ruhepausen für den Wald in Deutschland, der jahrhundertelang ausgebeutet wurde.“ Genau das wünscht sich die Bürgerinitiative für den Baerler Busch.
>>> DER RVR SPRICHT VON „VORSICHTIGER ENTNAHME EINZELNER BÄUME“
Der RVR hat am 10. Januar mit Baumfällungen begonnen, die Bestandteil des „15-Punkte-Plans zur klimagerechten und ökologischen Entwicklung des Baerler Busches“ sind. Erstellt hat dieses Papier ein Arbeitskreis aus RVR, Politik und Umweltverbänden. Die Bürgerinitiative „Baerler Busch ist bedroht“, ebenfalls im Arbeitskreis vertreten, hatte nicht zugestimmt.
Festgelegt wurde eine „Fläche A“, die in diesem Jahr bewirtschaftet werden darf. Laut RVR geht es um sechs von insgesamt 350 Hektar Baerler Busch, auf denen gefällt werden darf. Die Arbeiten, so der RVR, würden drei bis vier eigene Forstarbeiter übernehmen. Der RVR spricht von „vorsichtiger Entnahme einzelner Bäume“, damit die anderen stabiler wachsen können. Die Maschinen würden ausschließlich auf seit Jahrzehnten bestehenden Rückegassen fahren und ebenfalls von einem betriebseigenen Mitarbeiter gesteuert.