Duisburg-Baerl. An der Buchenallee am Baerler Busch steht das letzte Stromhäuschen von Duisburg. Eigentlich stand der Abriss an. Was stattdessen hier passiert.
Nicht nur Tiere und Pflanzen sind vom Aussterben bedroht. In Duisburg gibt es eine ganz andere gefährdete Gattung, von der nur noch ein einziges Exemplar übrig geblieben ist: die Trafotürme. An der Buchenallee am Baerler Busch steht das letzte Stromhäuschen der Stadt. Und was für eines! „Der Turm sieht aus wie ein Sakralbau. Das ist einmalig hier in der Gegend, ich kenne keinen sonst, der so gebaut ist“, schwärmt Michael Sonfeld. Der Mann aus Rheurdt hat sich bundesweit einen Namen als Retter der Trafotürme gemacht.
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Auch in Duisburg hatte er seine Finger im Spiel. Gemeinsam mit Olaf Wesling, der als Planungsingenieur der Netze Duisburg 2019 das Dienstende der historischen Baerler Trafostation besiegeln musste, das Gebäude aber erhalten wollte, kümmerte sich Sonfeld darum, dass die industriegeschichtliche Landmarke in Baerl bleibt.
Letzter Trafoturm in Duisburg: Eigentlich stand der Abriss an
Als der Regionalverband Ruhr den Baerler Busch übernahm, wurde er auch Eigentümer des Grundstücks, auf dem der Turm steht. Nachdem dieser für die Stromversorgung keine Rolle mehr spielte, hätte die Duisburger Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft (DVV) das Bauwerk eigentlich abreißen müssen. Michael Sonfeld wusste, dass der RVR auf der Bislicher Insel ein Stromhäuschen zum Artenschutzturm umgerüstet hatte. Und so gab er zusammen mit Olaf Wesling den Anstoß dazu, ein solches Projekt auch in Baerl zu verwirklichen, um den Turm, der einst den Strom ins Dorf brachte, zu retten.
Es hat geklappt. Denn auch beim RVR gibt es Herzen, die für die architektonischen Unikate schlagen. „Ich liebe diese Türme“, sagt Andrea Winterhalter, die als Naturschutzbeauftragte für den Regionalverband arbeitet. In Baerl kann sie jetzt ihre Leidenschaft für die alten Türme mit dem ökologischen Auftrag verbinden. Die Moerserin koordiniert das Projekt, das aus dem mehr als 100 Jahre alten Stromhäuschen ein Quartier für Fledermäuse und höhlenbrütende Vögel wie Meisen, Dohlen, Star und Sperling macht.
Trafoturm am Baerler Busch: Tiere können das gleichmäßige Klima nutzen
Dicke Löcher wurden schon in die Fassade gebohrt. „Dahinter werden im Inneren des Turmes die Höhlenbrüterkästen angebracht“, erklärt Carla Paul vom RVR. Das hat den Vorteil, dass die Fassade des Turmes so wenig wie möglich verändert wird und dass die Tiere das gleichmäßige Klima im geschützten Raum nutzen können. Gerne hätte Andrea Winterhalter die ursprüngliche Verklinkerung wieder herstellen lassen. „Aber das wäre zu teuer geworden.“
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So bleibt es bei der weißen Farbe, mit der die schmucke Trafostation frisch gestrichen wurde. Wer sich ein paar Meter weiter den langweiligen modernen Netzkasten anschaut, der zur mittlerweile unterirdisch laufenden Elektrizität gehört, der könnte sich fragen, warum früher so viel Wert auf die optisch ansprechende Gestaltung von Stromverteilern gelegt wurde. Die Antwort kennt Michael Sonfeld. „Es ging darum, dass man damals keine Verschandelung der Landschaft durch die neuen Technologien wollte“, sagt er. Also gab es die Auflage, dass sich die Zweckbauten architektonisch in die Gegend einfügen sollten. Geplant wurden sie von ortsansässigen Architekten.
Konzept für Duisburg stammt von der Biologischen Station
Michael Sonfeld besitzt einen alten Entwurf des Baerler Turmes. „Zeichnung zu einer Transformatorenstation für das Rheinisch-Westfälische-Elektrizitätswerk“ steht über den Skizzen im Maßstab 1:50, die den Stempel der „baupolizeilichen Prüfung“ vom 14. Februar 1911 tragen. Auf den Bildern sieht man sehr schön den Kirchencharakter des Turmes, der früher noch ein Spitzdach hatte. „Das ist ein absolutes Unikat“, sagt Turmkenner Sonfeld, dem vor allem die langgestreckten Fensterandeutungen in der Fassade gefallen.
Die werden bald auch die Fledermäuse zu schätzen wissen, die hier hinter einer Holzverschalung Unterschlupf finden können, während die Vögel durch runde Schlupflöcher in die Kästen im Turm gelangen. Das Konzept stammt von der Biologischen Station Westliches Ruhrgebiet, die in Kooperation mit dem RVR in Zukunft auch nachhalten will, wie viele Gäste der hübsche Artenschutzturm denn beherbergen wird. Bis die ersten Mieter einziehen, wird es aber noch ein Weilchen dauern. Frühestens nach den Sommerferien sind die Betten gemacht.
Mehr Information zu den Trafotürmen auf der Homepage von Michael Sonfeld: www.turmtransformation.de
>>> RVR etabliert Infopfad durch den Baerler Busch
- Der Baerler Artenschutzturm ist Teil eines weiteren RVR-Projektes. Er wird in einen neuen Infopfad durch den Baerler Busch integriert. An acht Stationen will der Regionalverband Besuchern Wissen über den Artenschutz und die Pflege der Wälder vermitteln. Letzteres hat im Baerler Busch in der Vergangenheit zu heftigen Konflikten geführt.
- Die Bürgerinitiative „Baerler Busch ist bedroht“ wehrt sich seit Jahren gegen Abholzungen im großen Stil. Der RVR betont, dass mittlerweile nur noch notwendige Eingriffe zur Waldpflege vorgenommen werden. Auf Infotafeln soll erläutert werden, warum ein Wald wie der Baerler Busch aus Sicht des RVR nicht sich selbst überlassen werden kann.
- Der Infopfad samt Umbau des Trafoturmes kostet 100.000 Euro. Gefördert wird das Projekt durch das Land NRW. Aktuell sind rote Farbmarkierungen an den Stellen zu sehen, wo die Tafeln aufgestellt werden. Komplett fertig wird der Pfad voraussichtlich im August sein. Höhepunkt soll der Artenschutzturm am Parkplatz an der Buchenallee sein.