Für viele Bodybuilder ist ihr Sport Lebensart und Sucht zugleich. Bei den Internationalen Landes- und Seniorenmeisterschaften erklärten Athleten, warum Bodybuilderinnen angefeindet werden und Doping weit verbreitet ist.
Über Monate haben sie sich vorbereitet, strenge Diät gehalten und ihren Körper entwässert. Hinter der Bühne in Duisburg-Rheinhausen tragen Helfer Bräunungssprays auf, es wird noch einmal am knappen Höschen gezupft. Dann geht der Vorhang auf, es beginnt der Einmarsch der Kraftpakete. Muskeln zittern vor Anstrengung, verkniffene Gesichter, es ist der Start der Internationalen Landes- und der Deutschen Seniorenmeisterschaften in der Rheinhausen-Halle.
Einer der Teilnehmer ist Lothar Dietz aus Viersen. Am Ende des Tages wird er neuer Deutscher Vizemeister der Senioren ab 60 sein. „Es ist ein Sport für alle“, sagt er, „man muss aber auch etwas verrückt sein.“ Sein Ziel, das er nun schon seit mehr als 40 Jahren verfolgt: „Mein Körper muss perfekt sein.“ Dafür nehme er wie jeder Athlet viele Entbehrungen in Kauf. „Bodybuilding ist mehr als ein Sport, es ist eine Lebensart. Manche sagen, es ist wie ein Sucht.“
„Zuschauer wollen Mastschweine und Zuchtbullen sehen“
Beim Stichwort Doping wird sein Blick ernst. „Ja, das ist ein Problem. Vor 30, 40 Jahren fragte man in der Umkleide: Wie trainierst du? Heute fragt man: Was nimmst du ein?“ Das liege daran, dass Bodybuilding finanziell nicht lukrativ sei und flächendeckende Dopingkontrollen zu teuer. „Außerdem wollen die Zuschauer keine durchtrainierten normalen Kraftsportler sehen, die wollen Mastschweine und gezüchtete Bullen.“ Deshalb werde zu Anabolika und Steroiden gegriffen, um die Erwartung zu erfüllen. „Kontrolliert wird allerdings akribisch, ob der Saum der Badehose auch den vorgeschriebenen Zentimeter hat,“ sagt Dietz.
Bodybuilding in Duisburg
1/47
„Es gibt durchaus Dopingkontrollen“, widerspricht Christine Brings. Die Duisburgerin sitzt in der Jury. Bei kleineren Veranstaltungen wie in Rheinhausen sei das zwar nicht durchführbar. „Aber jeder, der auf internationaler Ebene für Deutschland startet, wird kontrolliert.“ Eine Nulltoleranz scheint es auf offiziellen Meisterschaften nicht zu geben, aber Punkteabzüge für sichtbare Merkmale von Medikamentenmissbrauch wie Akne oder Gynäkomastie, also wenn die Männerbrust zum Speckbusen wird.
Aber auch Sponsoren, die im Foyer ihre Stände aufgebaut haben und Proteinpulver oder Kraftriegel verkaufen, kokettieren mit schnellem Muskelaufbau. „Wir machen dich stärker als vorher“, lautet ein übersetzter Werbeslogan neben dem Bild einer jungen Krankenschwester, deren Uniform eher in einen Nachtclub als in ein Krankenhaus gehört.
Frauen haben mit Anfeindungen zu kämpfen
Ein großes Problem neben dem Doping sei die mangelnde Akzeptanz des Sports. „Wir werden immer angegafft als ob wir Zuhälter oder Verbrecher wären“, sagt Dietz. Er selbst betreibt auch Thai-Boxen und hat sich aufgrund negativer Erfahrungen angewöhnt, sich als Kampfsportler und nicht als Bodybuilder vorzustellen. „Besonders die Frauen haben mit Anfeindungen und Vorurteilen zu kämpfen.“ Sie würden vermännlichen, seien weder sexy noch attraktiv. „In den USA oder auch in Thailand ist das ganz anders, da werden Bodybuilder beider Geschlechter für ihre Leistungen respektiert und sogar bewundert.“
Für Dietz bleibt es unverständlich, Muskeln ablehnend gegenüber zu stehen, auch bei Frauen. „Eine Löwin hat auch Muskeln. Welcher Löwe möchte nicht die Stärkste zur Partnerin?“
Dass die Kraftsportler aber auch hierzulande ihre Fans haben, beweist die voll besetzte Rheinhausen-Halle. Laut-stark feierten sie den Auftritt von Iris Kyle, der sechsfachen Miss Olympia, die in der Szene als weibliches Pendant zu Arnold Schwarzenegger gilt. Unter tosendem Applaus ließ das 36 Jahre alte US-Schwergewicht ihre Muskeln spielen, die sich mit 75 Kilo auf 1,70 Meter Körpergröße verteilen. „Ich träume von solch einer Frau, Wahnsinn“, sagt Gerd Barnow, der im Senioren-Bodybuilding kein Unbekannter ist.
Pfiffe für die „Bikini-Klasse“
Für den Massengeschmack gab es diesmal eine Wertungsklasse, die erstmalig ausgelobt war: „Bikini“. Auf hohen Hacken stöckeln junge Frauen auf die Bühne. Winken, Zwinkern und Küsschen Werfen gehören zur Show. Zum Dank ernten sie angeregte Pfiffe. Eine Kategorie, die sich wohl fest etablieren wird.
Spaß machte vor allem die Kür in den Endrunden, bei denen die Finalisten mit eigenen Choreographien zeigten, dass sie nicht nur Muckis haben, sondern sie auch bewegen können, inklusive Spagat und Moonwalk.
Sie haben vermutlich einen Ad-Blocker aktiviert. Aus diesem Grund können die Funktionen des Podcast-Players eingeschränkt sein. Bitte deaktivieren Sie den Ad-Blocker,
um den Podcast hören zu können.