Duisburg-Homberg. .
Es wäre ein Torpedo in den Aufschwung: Das Homberger Chemieunternehmen Sachtleben hat sich gerade aus der Krise gearbeitet, fürchtet aber wegen der geplanten Reform der Ökosteuer um seine Wettbewerbsfähigkeit.
Beim Duisburger Chemieunternehmen Sachtleben hat man gerade erst durchgeatmet. Die Wirtschaftskrise ist überwunden. Und bei den Hombergern ist man stolz darauf, das aus eigener Kraft geschafft zu haben. Statt öffentliche Gelder anzufordern, hatten Mitarbeiter auf Lohn verzichtet. Inzwischen schreibt Sachtleben wieder schwarze Zahlen. Doch jetzt sieht das Unternehmen wieder dunkle Wolken über Essenberg aufziehen.
Der Grund ist die geplante Erhöhung der Ökosteuer. Die Gesetzesänderung sei geeignet, die positive Entwicklung zu „torpedieren“, der Entwurf aus dem Bundesfinanzministerium sei „abenteuerlich“, heißt es aus der Firmenzentrale an der Dr.-Rudolf-Sachtleben-Straße. Es sind ungewohnt deutliche Worte, die man selten von der eher besonnenen Firmenleitung hört.
Geld fehlt für Investitionen, Forschung und neue Jobs
Der Unmut ist groß, weil nicht Umweltschutzgründe die Basis für die Reform seien, sondern Finanzlöcher gestopft werden sollen. Und die Mehrkosten ließen sich nicht weitergeben, sagt Geschäftsführer Andreas Grünewald: „In Zahlen heißt das: Drei bis vier Millionen Euro Mehrbelastung, die unsere Wettbewerbsfähigkeit bedrohen und uns dann bei einem zurzeit knapp positiven Ergebnis in der Forschung, bei Investitionen oder bei dem Erhalt der bestehenden und der Schaffung neuer Arbeitsplätze fehlen.“
Für Sachtleben würde die Steuer für Strom um das Dreifache, für Gas um die Hälfte und die Abgabe für erneuerbare Energien um 130 Prozent steigen. Konkurrenten aus dem Ausland hätten nicht mit derartigen Belastungen zu kämpfen, weitere Preiserhöhungen von deutschen Herstellern würden daher von internationalen Kunden nicht verstanden, sagt Grünewald. Deutschland plane als einziges Land derartige Steuererhöhungen, die den Wiederaufschwung extrem belasten.
Energiesparen aus Eigeninteresse
Andere europäische Staaten würden darauf verzichten, um die wirtschaftliche Erholung nicht zu gefährden. „Wir arbeiten schon aus Eigeninteresse ständig daran, Energie sparsam einzusetzen und Kosten zu sparen. Hier brauchen wir keinen zusätzlichen Druck über die sogenannte Ökosteuer. Das ist kontraproduktiv“, sagt Grünewald. Ab 2013 sei ohnehin mit weiteren Belastungen in Millionenhöhe aus dem Emissionshandel zu rechnen.
Der Sachtleben-Geschäftsführer steht mit seiner Kritik nicht alleine da. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) bezeichnet die „Steuererhöhung“, bei der es genau genommen um die Streichung von Steuerermäßigungen für das produzierende Gewerbe geht, als „existenzbedrohend“ für die „Unternehmen der energieintensiven Branchen mit rund 900 000 Arbeitnehmern.“ Immer höhere Energiekosten seien eine „Gefahr für das Industrieland Deutschland“, so der BDI.
Was derzeit bundesweit diskutiert wird und wie sich der Beschluss in Berlin auf die lokale Wirtschaft niederschlägt, lässt sich am Beispiel des Homberger Chemiewerks gut schildern. Sachtleben produziert mit seinen 1200 Mitarbeitern im Jahr rund 100 000 Tonnen Titandioxid. Die Herstellung der fast universell einsetzbaren Weißpigmente, die in Textilien, Kunststoffen oder auch in Sonnenmilch verarbeitet werden, ist aber extrem energieintensiv. Für die Herstellung von zwei Tonnen Titandioxid wird soviel Erdgas gebraucht wie zum Beheizen eines Einfamilienhauses pro Jahr.
Das Homberger Unternehmen will sich jetzt direkt an Bundestagsabgeordnete wenden. Denn die Firmenchefs fürchten, dass die Reform im Eilverfahren durchgesetzt werden soll. Von der Bundesregierung erwarte Sachtleben Maßnahmen zur Stärkung des Chemiestandortes und nicht Konzepte, die zur Destabilisierung führen.