Duisburg-Rheinhausen. Nach dem Brand in Rheinhausen mit einem Todesopfer behaupten die Mieter: „Diese Katastrophe hätte verhindert werden können“. Die Hintergründe.
Donnerstag haben sie ihn noch gesehen. „Wir haben Kaffee getrunken mit ihm“, sagt Frank Rohne, der im zweiten Obergeschoss wohnt. In der Wohnung von Simona Littera und ihrem Lebensgefährten Admir Vrban haben sie zusammengesessen. Im Erdgeschoss des Mehrfamilienhauses an der Beethovenstraße 5 in Rheinhausen.
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Auch diesmal, so erzählen sie, ist ihr Nachbar am Tisch eingenickt. „Mit brennender Kippe.“ Wegen der starken Medikamente sei der 60-Jährige immer müde gewesen. Tür an Tür haben die beiden mit dem kranken Mann gelebt und sich immer mal wieder gekümmert. „Weil er doch sonst niemanden hatte.“ Die Kaffeerunde am Donnerstag war die letzte Begegnung. Am nächsten Tag war der Nachbar tot. Gestorben, als seine Wohnung am Freitagmorgen in Flammen aufging.
Feuer in der Beethovenstraße: Bewohner hatte eine Rauchvergiftung
Betreten verboten steht am Absperrgitter vor dem Hauseingang. Da, wo die Fenster der linken Erdgeschosswohnung waren, sind Spanplatten. Die Fassade ist schwarz vom Ruß. Frank Rohne steht draußen und raucht eine Zigarette nach der anderen. Er kann das alles noch immer nicht fassen. „Ich bin der 56-jährige Verletzte aus dem Polizeibericht“, sagt er. Eine Rauchvergiftung hatte er. Als er am Freitagmorgen die Brandmelder hörte, zog er sich noch schnell eine Hose über den Schlafanzug. Aber da war es schon zu spät. „Als ich die Wohnungstür aufgemacht habe, war im Flur alles schwarz vor Rauch.“ Die Feuerwehr hat ihn mit einer Fluchthaube gerettet.
Ein Haus weiter hat Tim Feldermann an diesem Dienstagmorgen Kaffee für alle gekocht, die noch nicht zurück in ihre Wohnungen können. Er war derjenige, der die Feuerwehr gerufen hat, als er am Freitag um acht Uhr früh in der Küche saß und es plötzlich einen „Rumms“ gegeben habe. „Ich bin auf den Balkon und habe nebenan sofort Rauch und kurz danach auch Flammen gesehen.“ Nach sieben Minuten sei die Feuerwehr da gewesen.
Nach Brand: Anwohner der Beethovenstraße in Rheinhausen stehen unter Schock
Heute haben sich alle Bewohner vor dem Haus versammelt. Der Sachverständige der Versicherung des Wohnungskonzerns Adler ist da. Einer nach dem anderen muss mit Schutzmaske auf Mund und Nase in die Wohnung. Den Anfang macht das dritte Obergeschoss, wo Cigdem mit ihrer einjährigen Tochter lebt. Sie hatte Glück, dass eine Nachbarin anrief und sie weckte. „Es brennt, du musst raus“, hat sie gesagt und die Mutter packte ihr Kind und rannte durch den verrauchten Flur. Genauso wie Jill, die auch ganz oben wohnt. Sie hat die Wohnung erst am 1. Februar gemietet und frisch eingerichtet. „Jetzt ist alles schwarz“, sagt sie. Eine Hausratversicherung hatte sie so kurz nach dem Einzug noch nicht. Wie es jetzt weitergeht? Die junge Frau zuckt mit den Schultern.
Wirklich beklagen mag sich in diesem Moment aber keiner, denn: Ein Mensch ist gestorben. Und alle anderen sind heilfroh, dass sie mit dem Leben davon gekommen sind. „Zu mir hat die Polizistin gesagt, dass wir alle jetzt tot wären, wenn das in der Nacht passiert wäre“, sagt Simona Littera. Sie findet kaum Worte für das, was in dem Haus an der Beethovenstraße 5 geschehen ist. Es ist ihr Lebensgefährte, der den einen Satz sagt, den hier alle unterschreiben würden: „Diese Katastrophe hätte verhindert werden können.“
Mieter der Beethovenstraße haben die Adler Group per E-Mail informiert
Admir Vraban ist überzeugt, dass sein Nachbar noch leben könnte, wenn man ihnen, den Mietern, zugehört hätte. Sie haben das Unglück kommen sehen. „Dafür haben wir Beweise“, sagt Vraban. Er zeigt eine E-Mail, die das Paar gemeinsam mit Frank Rohne im Namen aller Nachbarn am 28. Juni 2022 an den Hauseigentümer, die Adler Group, geschickt hat. Darin steht, dass die Hausgemeinschaft sehr besorgt ist. Sie befürchteten, dass die Sauerstoffflaschen, die der kranke Nachbar benötigt, in Kombination mit den Zigaretten und seiner Schläfrigkeit durch die Medikamente „zur Gefahr für alle“ werden könnte. „Darum bitten wir Mieter, dass Adler sich so schnell wie möglich kümmert“, schrieben sie. „Darauf gab es keine Reaktion“, sagt Simona Littera.
Auch den Pflegedienst haben sie angesprochen, der laut Vraban dreimal täglich zur Gabe der Medikamente kam. „Die haben uns nur gesagt, das müssen wir seiner Betreuerin sagen.“ Aber die habe nie jemand gesehen. Die Frage, die sich jetzt nach dem Unglück alle stellen, lautet: „Hätte da nicht jemand etwas tun müssen?“ Bei Adler will man aktuell keine Fragen zu dem Fall beantworten. Nicht mal die, ob man die E-Mail der Hausbewohner im Sommer bekommen hat. Die Pressestelle schreibt Folgendes: „Die Ermittlungen zur Brandursache sind noch nicht abgeschlossen. Bitte haben Sie Verständnis, dass wir daher hierzu keine Stellungnahme abgeben.“
>>> POLIZEI DUISBURG: SAUERSTOFFFLASCHE BEGÜNSTIGTE DEN BRAND
- Die Polizei hatte am Montag nach der Obduktion des Verstorbenen eine Rauchvergiftung als Todesursache und eine glimmende Zigarette als möglichen Auslöser für das Feuer genannt. Die Beobachtung der Nachbarn, dass sich das Feuer rasend schnell ausgebreitet hat, kann Polizeisprecher Jonas Tepe bestätigen.
- „Die Sauerstoffflasche in der Wohnung hat das Feuer begünstigt“, sagt er. Das sei so schnell gegangen, dass der Mann keine Chance gehabt habe, den Flammen zu entkommen.
- Die Ermittlungen gehen weiter. Auch der Brief der Mieter an die Wohnungsgesellschaft Adler liegt der Kriminalpolizei vor.