Duisburg-Rheinhausen. In Rheinhausen treffen sich Ukrainer im Flüchtlingscafé. Auch Oma Larissa tankt hier Kraft. Sie ist alleine mit drei Enkeln auf der Flucht.
Nächstenliebe riecht nach Zwiebeln und Bratapfel. Eine besondere Duftmischung liegt an diesem Dienstagnachmittag kurz vor Weihnachten im Katholischen Bildungsforum in der Luft. Oben in der ersten Etage steht Parsa in der Küche und schmort Zwiebeln mit Curcuma in der Pfanne. In besseren Zeiten wäre er jetzt in der Uni, in Kiew. Der 20-jährige Iraner hat Informationstechnologie in der Ukraine studiert. Bis der Krieg ausbrach und er auf der Flucht in Duisburg strandete. Neun Monate ist das her. Eine Zeit, in der Parsa gelernt hat, nach vorne zu schauen und jede Hilfe anzunehmen, die er bekommen kann.
So ist der Student im „Café Con Ami“ in Rheinhausen gelandet. Seit 2013 kümmert sich der Verein „Young Supporters“ unter dem Dach des Bildungsforums an der Händelstraße um Flüchtlinge. Vor allem um die verletzten Seelen und Herzen. Im Oktober wurde das Hilfsangebot um ein eigenes Treffen für Menschen aus der Ukraine erweitert. Jeden Dienstagnachmittag haben sie hier einen Anker, der ihnen in dem rauen Gewässer fern der Heimat Halt gibt. „Wir spüren, wie wichtig das ist, dass sie bei uns einen geschützten Raum haben“, berichtet Silke Schilz, die das Café gemeinsam mit Sabine Kreuer leitet.
Heute ist es anders als sonst, wenn sie bei Chai Tee und Keksen zusammensitzen, viel reden, oft lachen und manchmal auch gemeinsam weinen. Diesmal wird ein festliches Menü gekocht, weil in Deutschland bald Weihnachten ist. Jeder steuert etwas Landestypisches bei. Parsa gart das Gemüse für seinen persischen Auberginen-Quarkauflauf im Ofen vor. Die Zwiebeln sind fertig, Walnüsse und Minze liegen bereit. Larissa und Marina formen im Akkord kleine Teigtaschen. „Wareniki“ heißt das Gericht, das in der Ukraine jedes Kind kennt, wie Dolmetscher Yegor erklärt. Das deutsche Team von Con Ami macht Bratäpfel.
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Mariel Pauls-Reize, Gründerin der Young Supporters, schenkt Rotwein nach. Ihre Kollegin Christiane Honig, die als Therapeutin und Trauerbegleiterin bei der Arbeit normalerweise keine Schürze trägt, trinkt einen Schluck und schaut in die Runde. „Kochen verbindet. Das ist so schön“, sagt sie. Und tatsächlich ist die Stimmung in diesem Augenblick so gelöst, als wäre die Welt in bester Ordnung. Für ein paar Stunden fragt sich die 66-jährige Larissa, die alle hier nur Babuschka nennen, vielleicht mal nicht, wie es ihrer Tochter geht. Sie musste zurück in die Ukraine, wo sie in einem Heim für behinderte Kinder arbeitet. Die eigenen Kinder blieben mit Oma Larissa in Duisburg. Frühestens im März wird sie zu Besuch kommen können.
Parsa erzählt auf Deutsch, dass er Arbeit im IT-Bereich sucht. Momentan hat er die Hoffnung, einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Kopfüber hat er sich in die neue Sprache gestürzt und kann schon erstaunlich gut Deutsch. Sein Zuhause ist immer noch die Flüchtlingsunterkunft an der Hohe Straße. „Ich habe zum Glück ein Einzelzimmer“, sagt er. Was ihm fehlt, ist ein Internetanschluss. Das ist besonders hart für einen, der im IT-Bereich arbeiten möchte. Dennoch: Parsa ist dankbar. Auch, weil er sich weniger einsam fühlt, seit er ins Café Con Ami geht: „Ich habe hier Freunde gefunden.“
Die Theatergruppe „Bühne 47“ hat die Einnahmen von Aschenputtel gespendet und so den Januar für das Café Con Ami gerettet
Mariel Pauls-Reize dämpft die Stimme, als sie erzählt, dass sie nicht weiß, wie lange es das Café noch geben wird. Die Finanzierung durch das Jugendamt läuft zum Jahresende aus. Eine Nachfolgelösung ist bisher nicht in Sicht. „Wir werden auf Spenden angewiesen sein“, sagt die Traumatherapeutin, die sich bei Bedarf dienstags auch mit den Teilnehmern zu Einzelgesprächen zurückzieht. Im Januar wird das noch möglich sein, weil die Theatergruppe „Bühne 47“ die Einnahmen des Weihnachtsstückes Aschenputtel für das Flüchtlingscafé gespendet hat. Aber danach sieht es düster aus. „Wir brauchen 1000 Euro pro Monat, um mit Con Ami weitermachen zu können“, sagt Mariel Pauls-Reize.
Wie wichtig ein solches Hilfsangebot wie dieses ist, das hat sie auch heute wieder erlebt. Während die anderen am Herd standen, hat sie sich mit Margo, der Tochter von Marina, an den Esstisch im Nebenraum gesetzt. Die 18-Jährige zeichnet Animes, Figuren im japanischen Zeichentrickstil. Seit der Krieg in ihr Leben getreten ist, sind ihre Bilderwelten düster geworden. Mariel Pauls-Reize hat das letzte Kunstwerk gesehen, das Margo in Friedenszeiten gemalt hat. „Das ist kein Vergleich mehr zu dem, was sie jetzt macht.“ Nicht nur die Kunst hilft ihr, das Erlebte zu verarbeiten. Auch die Gespräche und Kontakte bei Con Ami tun dem Mädchen mit den dunklen Locken gut. „I’d rather be a unicorn“ steht auf ihrem schwarzen Shirt. „Ich wäre lieber ein Einhorn.“ Dem Fabelwesen wird angedichtet, dass sein Horn magische Kräfte besitzt und negative Energien und Boshaftigkeit abwenden kann. Schön wär’s, wenn das wahr würde!
>>> INFORMATIONEN ZUM ANGEBOT CON AMI UND KONTAKT FÜR MENSCHEN, DIE SPENDEN WOLLEN
Jeden Dienstag (außer in den Schulferien) öffnet das Café Con Ami an der Händelstraße 16 in Rheinhausen von 15 bis 17 Uhr die Türen. Geflüchtete aus der Ukraine können hier zusammenkommen. Das Team des Vereins „Young Supporters“ begleitet den Austausch und informiert über das Leben in Deutschland. Die Therapeutinnen bieten Einzelgespräche für diejenigen an, die den Krieg nicht vergessen können, traumatische Fluchterfahrungen haben oder sich um ihre Angehörigen sorgen. Das Angebot ist kostenlos, das nächste Treffen ist am 10. Januar.
Die Finanzierung des Angebots läuft zum Jahresende aus. Der Januar 2023 konnte durch Spenden gesichert werden. 1000 Euro benötigt das Team pro Monat. Wer das Projekt mit Geld unterstützen möchte, kann sich hier melden: kontakt@young-supporters.com, 02065/90 13 34 17. Spendenkonto der Young Supporters: DE39 3506 0386 1192 2100 06; Stichwort Café Con Ami.