Duisburg-Rheinhausen. Hinter jedem Coronatoten stehen Trauernde, die oft einsam sind. Experten des Vereins „Young Supporters“ bieten Erste Hilfe für die Seele an.
Wir haben uns daran gewöhnt. So schlimm es auch ist – die stetig steigende Zahl der Menschen, die im Zusammenhang mit Covid-19 sterben, gehört mittlerweile zum Alltag. Und damit die Verstorbenen nicht nur eine nüchterne Zahl des Robert Koch Instituts bleiben, gibt es Initiativen, die im ganzen Land Gedenk-Orte mit Blumen und Kerzen schaffen, um die Toten sichtbar zu machen. Aber was ist mit den Angehörigen?
„Wenn jeder an Covid-19-Verstorbene drei Angehörige hat, dann sind in Deutschland mehr als 180.000 Menschen zu Trauernden geworden“, rechnet Mariel Pauls-Reize vor. Erschreckend findet sie, dass diese vielen Angehörigen mit ihrem großen Leid nicht gesehen werden. „Wir reden ständig von den Problemen der Wirtschaft, aber wer kümmert sich denn um diejenigen, die einen Menschen unter so schwierigen Bedingungen verlieren?“
Mariel Pauls-Reize ist Therapeutin und Trauerbegleiterin. Sie weiß, was passieren kann, wenn Menschen den Tod eines Angehörigen nicht richtig verarbeiten können. „Das ist eine Gefahr für die Gesundheit und kann zu einer anhaltenden Trauerstörung führen.“
So vieles, was den Verlust erträglicher machen kann, fällt in Zeiten von Kontaktbeschränkungen weg. Begegnungen mit Menschen, liebevolle Umarmungen von Freunden, eine schöne Trauerfeier und ein Beerdigungskaffee, bei dem soziale Kontakte wieder aufleben und Verabredungen getroffen werden. „Diese Menschen unversorgt zu lassen, ist unverantwortlich und für eine gut organisierte Gesellschaft auch unwürdig“, sagt Pauls-Reize.
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Unter dem Dach des Katholischen Bildungsforums Rheinhausen arbeitet die Therapeutin für den Verein „Young Supporters“, der sich hauptsächlich um trauernde Kinder und Jugendliche kümmert. Jetzt, in Coronazeiten, hat das Team ein neues Projekt ins Leben gerufen: In Rheinhausen gibt es ab sofort eine Trauerinsel für die Angehörigen von Corona-Opfern.
Ein Team aus Trauerbegleitern, die die besondere Situation von Hinterbliebenen in Coronazeiten kennen, bietet ihnen an, sie auf ihrem schweren Weg zu begleiten. Im Zentrum der Arbeit steht das Gespräch als heilende Kraft. Das Angebot ist kostenlos.
Den geliebten Menschen zum letzten Mal auf der Trage zum Krankenwagen gesehen
Diese Erste Hilfe für die Seele ist trotz der Kontaktbeschränkungen als persönliches Gespräch möglich. So haben die Trauernden die Möglichkeit, ihre Sorgen und Gedanken in einem geschützten Raum mit einem professionellen Helfer zu teilen. „Es geht zum Beispiel darum, die schlimmen Bilder im Kopf aufzulösen, die entstanden sind, weil man den Sterbenden nicht begleiten durfte“, sagt Mariel Pauls-Reize.
„Vielleicht hat man den geliebten Menschen zum letzten Mal auf der Trage zum Krankenwagen gesehen, weil man wegen der Quarantäne nicht mit in die Klinik fahren durfte.“ Hat er nach mir gerufen? Ist er einsam gestorben? Wollte er mir noch etwas sagen? „In solchen Fällen kann die Fantasie die Realität ersetzen. Vielleicht ist der Mensch ganz friedlich eingeschlafen und die schlimmen Bilder im Kopf machen den alleine zurückgebliebenen Partner krank.“ Eine unbewältigte Situation, die auf der Rheinhauser Trauerinsel mit den Helfern bearbeitet werden kann.
„Wir sollten nicht nur die Toten sichtbar machen, sondern auch den Angehörigen eine Stimme geben“, fordert das Team der Trauerinsel. „Die Trauernden brauchen unsere Aufmerksamkeit und sie müssen versorgt werden, damit die Trauer sie nicht dauerhaft krank macht.“
>>> KONTAKT ZUR TRAUERINSEL IN DUISBURG-RHEINHAUSEN:
Wer das kostenlose Angebot für Angehörige von Covid-19-Opfern annehmen möchte, kann sich hier melden: 02065/90 13 34 17, kontakt@young-supporters.com.
Neben dem persönlichen Gespräch gibt es auch die Möglichkeit, ein Telefonat zu führen oder eine virtuelle Begegnung via Zoom zu nutzen.
Das Katholische Bildungsforum an der Händelstraße 16 stellt dem Verein Young Supporters, der die Trauerinsel ins Leben gerufen hat, Räume zur Verfügung. Auch wer im Trauerteam mitarbeiten möchte, kann sich melden. Der Verein finanziert sich durch Spenden.