Duisburg. Eren Kocak trat als parteiloser Einzelkandidat in Duisburg an. Er holte mehr Stimmen als manch etablierte Partei. So erlebte er den Wahlkampf.
„Es geht mir gut“, sagt Eren Kocak am Tag nach der Landtagswahl. Müde und erschöpft sei er, „der Wahlkampf war sehr anstrengend.“ Aber vor allem ist er stolz. Kocak, der bei der Wahl als parteiloser Einzelkandidat im Wahlkreis Duisburg II angetreten ist, gibt sich mit Blick auf die Ergebnisse zufrieden. „Das macht mich schon stolz, wenn ich sehe, wie viele Leute ich erreichen und überzeugen konnte“, sagt er. Mehr als 2300 Stimmberechtigte gaben ihm im Wahlkreis ihre Erststimme, eine Quote von 4,37 Prozent. Damit hat Kocak Kandidaten von etablierten Parteien wie der FDP (3,66 Prozent) und Die Linke (2,47 Prozent) hinter sich gelassen.
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Und dennoch erklärt er bescheiden: „Ich sehe das mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Ich bin sehr realistisch an die Sache herangegangen, natürlich habe ich mir noch mehr erhofft.“ Dass er in manchen Stimmbezirken mehr als zehn Prozent geholt hat, mache ihn dennoch „unfassbar glücklich“. Dabei seien die Hürden im Vorfeld eine kleine Herausforderung gewesen, beschreibt der 30-jährige Bundeswehr-Offizier. Als Einzelkandidat hatte er keine große Partei im Rücken, die ihm im Wahlkampf unterstützen konnte. „Mein größter Dank geht an meinen Bruder und zwei enge Freunde“, sagt er. „Wir sind zu viert nächtelang durch die Stadt gezogen und haben Plakate aufgehängt.“
Einzelkandidat in Duisburg: „Ich möchte mehr Beteiligung wagen“
Plakate, die Kocak als Privatperson selber finanzieren musste. Einen Teil bekam er durch eine Spendensammelaktion, den Rest bezahlte er eigenständig. „Vorab kriegen Parteien Gelder für die Wahl. Die Startbedingungen sind hier nicht gleich“, erklärt er. Aufgehalten hat es Kocak nicht. Er sei über den kompletten Wahlkampf hinweg seinem Grundsatz treu geblieben: „Ich möchte mehr Beteiligung wagen, möchte die Aufgaben des Wahlkreisabgeordneten wahrnehmen – und nicht eine Partei im Landtag vertreten.“ Das habe sich nie geändert. Wochenlang war Kocak auf den Wochenmärkten im Wahlkreis, also im Duisburger Westen und Walsum unterwegs, kam dort mit den Bürgerinnen und Bürgern ins Gespräch. Statt seine Ideen zu präsentieren, drehte er den Spieß um: „Ich habe den Leuten nichts erzählt, sondern gefragt, was sie bewegt.“ Zuhörer statt Erzähler also.
Ein Ansatz, der für ihn das Amt eines Landtagsabgeordneten ausmacht. Er wollte für den Wahlkreis da sein und Entscheidungen im Sinne der Duisburgerinnen und Duisburger treffen. „Mit Blick auf die Wahlbeteiligung kann man doch nicht mehr von Volkswillen sprechen“, sagt er. „Und wenn Martin Murrack erklärt, man müsse hier den Ursachen auf den Grund gehen, dann kann ich nur sagen: Nein. Du musst einfach auf die Straße gehen.“ Aus zahlreichen Gesprächen habe Kocak fünf wesentliche Punkte erkennen können, die die Menschen im Wahlkreis bewegen: Zunehmender Müll, Leerstände, mehr Angebote für Jung und Alt – „das Bürokratiemonster Duisburg“, wie eine Rheinhauserin ihm eindrucksvoll schilderte – und die marode Infrastruktur. Probleme, die der 30-Jährige nicht nur benennen möchte, „meckern kann ja jeder. Ich sage aber auch: Wir können diese Probleme gemeinsam angehen und lösen.“
Landtagswahl: Einzelkandidat Eren Kocak arbeitet nicht gegen die Parteien
Hätte er dies als parteiloser Kandidat wirklich gekonnt? Eine Frage, die Kocak schmunzeln lässt. An den Wahlkampfständen seien die zwei häufigsten Gesprächseröffnungen die Frage „Von welcher Partei sind sie denn?“ sowie die Aussage „Sie erreichen doch alleine eh nichts“ gewesen. „Mit mir haben sie bei jeder Abstimmung eine Stimme für unseren Wahlkreis“, konterte er gelassen. „Wer aus Gewohnheit immer nur eine Partei wählt, verliert ja quasi die Erststimme.“
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Allzu häufig hätten ihn die Bürger in Gesprächen gefragt, ob Kocak gegen die Parteien arbeitet. „Das stimmt absolut nicht“, betont er. Im Gegenteil: Er wollte als Parteiloser rein für den Wahlkreis entscheiden – immer in Zusammenarbeit mit den Parteien. „Da ist es, was ich den Leuten bewusst machen will. Wählt die Partei, die ihr für dieses Land am besten findet. Aber mit der Erststimme das Beste für euren Wahlkreis.“ Als Einzelkandidat könne er sich immer für die Interessen des Wahlkreises einsetzen – unabhängig von irgendwelchen Parteizwängen. Und: „Wer mich wählt, der wählt Eigenverantwortung.“ Er würde die Bürgerinnen und Bürger in seine politische Arbeit einbinden und anhalten, mit ihm zu arbeiten. „Wenn ich gewählt werde, dann brauche ich ja den Input.“
Eren Kocak möchte bei der Landtagswahl in fünf Jahren erneut antreten
Und wie geht es weiter? „Ich lasse das jetzt erstmal sacken“, sagt Kocak. Engagieren möchte er sich auch weiterhin, „die Punkte, die die Menschen an mich herantragen, können auch ohne Politik angegangen werden.“ So engagiert sich der 30-Jährige unter anderem beim Verein „Du bist Rheinhausen“ und den zahlreichen Müllsammelaktionen. „Da brenne ich für, wir möchten Konzepte entwickeln, um zu schauen, wie wir das Bewusstsein der Leute bei diesem Problem schärfen können.“ Dafür müsse Politik nicht mitmischen – „Müll wegwerfen kann jeder.“ Und noch etwas hat er sich vorgenommen: Auch bei der Landtagswahl in fünf Jahren möchte er erneut als parteiloser Kandidat antreten. Auch da der Linie treu: Als Zuhörer, nicht als Erzähler.