Duisburg/Moers. Mit einer Kranzniederlegung erinnert die CDU an die ukrainischen Zwangsarbeiter, die in der Meerbecker Raffinerie zu Tode gekommen sind.
Die CDU Homberg Ruhrort Baerl möchte ein Zeichen setzen - sowohl gegen den Krieg, als auch eines der Solidarität mit den Ukrainern. Und um zu verstehen, warum sie das ausgerechnet auf dem Friedhof Lohmannsheide in Moers tut, muss man tief in die Geschichte des Dritten Reiches eintauchen. Und es gibt diesbezüglich kaum einen besseren Taucher als Klaus Radny.
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Klaus Radny, Chef der örtlichen CDU, betont als allererstes, dass die Parteizugehörigkeit in dieser humanitären Katastrophe, gegen die mit der Kranzniederlegung protestiert werden soll, keine Rolle spielt. Deshalb befinden sich auch keine Parteiinsignien auf dem Kranz, und Wahlkampf sei das auch nicht.
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Und dann beginnt er zu erzählen. Von den Zwangsarbeitern aus aller Herren Länder, die im zweiten Weltkrieg nach Duisburg verschleppt wurden, um in der riesigen Raffinerie in Meerbeck Kohle in Benzin zu verwandeln. „Ohne dieses gigantische Werk hätte Hitler seinen Angriffskrieg nicht verwirklichen können. Die Panzer hätten nie genug Sprit gehabt, um bis nach Stalingrad vorzudringen“, erklärt er.
Hitler brauchte Benzin - und das lieferten die Kriegsgefangenen
Dieser Treibstoff wurde zum größten Teil in der Meerbecker Raffinerie aus Steinkohle gewonnen. Heute steht nur noch ein ganz kleiner Teil des damaligen Originals. Die Fachleute kennen das dort angewandte Verfahren als Fischer-Tropsch-Synthese, das auch heute noch in Südafrika angewandt wird.
Allerdings nicht aus hochwertiger Steinkohle, wie damals in der Grafschaft Moers, zu der Homberg noch gehörte. Das Verfahren machte in Deutschland schon 1940 keinen wirtschaftlichen Sinn, aber wer fragt im Krieg schon nach Sinn. Hitler brauchte Benzin und das lieferten die Kriegsgefangenen, denn die Männer waren ja an der Front.
Insgesamt arbeiteten 350.000 Zwangsarbeiter im Steinkohlebergbau im Ruhrgebiet. Viele davon kamen aus Russland, weswegen es auch heute noch die „Russengräber“ auf dem riesigen Gelände des Lohmannsheider Friedhofes gibt.
Viele der in Moers begrabenen Menschen aus Russland sind Ukrainer
Aber wie das eben so ist mit der Geschichte, zu Stalins Zeiten gehörten große Teile der heutigen Ukraine zu Russland und viele der damals in Homberg begrabenen Menschen aus Russland sind Ukrainer. Wie auch der 15-jährige Nikolai Martynenko, der wegen eines Fluchtversuches ganz offiziell hingerichtet wurde. Der Name einer nach ihm benannten Straße, die quer über das Friedhofsgelände führt, erinnert an den Jungen aus Donezk.
Die Geschichte deckt unheimliche Parallelen zu unserer Gegenwart im Norden von Kiew auf. Dort sterben Zivilisten, genauso grausam ermordet wie Nikolai. Und genau diese Parallelen soll die Kranzniederlegung an diesem speziellen Ort zeigen.
Die Zwangsarbeiter mussten unter schrecklichen Bedingungen Schwerstarbeit leisten
„Es ist erschreckend, wie sehr sich die Geschichte in den Details wiederholt. Wir sind wieder im Jahr 1943 und Putin und Hitler sind für mich dasselbe“, sagt Radny und wird richtig wütend, als er weiter berichtet, dass die Unterbringung der Männer damals in Lagern organisiert war, die den KZs sehr ähnelten. „Die Menschen mussten unter schrecklichen Bedingungen Schwerstarbeit leisten. Die Technik im Bergbau von 1944 ist nicht mit der heutigen zu vergleichen. Das war schlimm!“
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Ähnlich widerwärtig empfindet der Politiker die gigantische Vertuschungsaktion, die dann nach Ende des Krieges stattgefunden hat. „Der Befehl zur Vernichtung aller Akten muss von ganz oben von der SS gekommen sein. Als die Alliierten das Gelände übernahmen, war alles weg“, schimpft Radny, berichtet aber sofort weiter, dass akribische Recherchen der Uni Bochum in jahrelanger Puzzlearbeit in den umliegenden Archiven doch noch genügend Fragmente zusammentragen konnten, um die Situation zu rekonstruieren.
„Das führte ja immerhin zur Aberkennung sämtlichen Auszeichnungen des damaligen Chefs von Rheinpreussen, der mit den Nazis gemeinsame Sache gemacht hat“, beendet Klaus Radny dieses Kapitel etwas versöhnter. Erschreckend nur, dass das erst im letzten Herbst stattgefunden hat. Nichtsdestotrotz darf man Radnys Narrativ zufolge Hitler und Putin auf eine Ebene stellen und genau diese Parallelität soll die Kranzniederlegung an historischer Stelle belegen.