Duisburg-Homberg. Vor der Glückauf-Halle in Homberg stehen jetzt Zelte, in denen weitere Flüchtende unterkommen können. Dolmetscher Oleg hilft den Neuankömmlingen.
Ablenkung tut gut in Zeiten wie diesen. Die ukrainischen Kinder, die vor dem Krieg in ihrer Heimat geflohen sind, haben wie alle Kinder eine Gabe, die selbst das schwerste Leben leichter machen kann: Sie können sich voll und ganz ins Spiel vertiefen und kreieren ihre eigene Welt der Phantasie. Während in den vergangenen Tagen auf dem Parkplatz vor der Glückauf-Halle in Windeseile zwei große Zelte als Herbergen für weitere Flüchtlinge aufgebaut wurden, konnte man die jungen Gäste durch das Fenster zur Kinderbetreuung im Erdgeschoss der Glückauf-Halle fröhlich spielen und toben sehen. Mit Bauarbeiterhelmen auf den Köpfen machten kleine Jungs den Zeltaufbau nach und ließen bunte Legotürme in die Höhe wachsen.
„Heute Morgen auf dem Weg hierher musste ich wieder weinen“
Draußen vor der Glückauf-Halle steht Oleg im Nieselregen. Der 39-Jährige trägt eine gelbe Warnweste mit der Aufschrift „Dolmetscher“. Seine Augen sind gerötet. Nicht nur von der Müdigkeit der Zwölf-Stunden-Arbeitstage, die er momentan schultert. „Heute Morgen, auf dem Weg hierher, musste ich wieder weinen“, sagt er.
Nein, Oleg gehört nicht zu denen, die aktuell vor Putins grausamem Krieg flüchten. Er wurde in der Ukraine geboren. In Winnyzja, wo seine Tante und der Großvater im Krieg ausharren. Oleg lebt schon lange in Deutschland. „Spätaussiedler“, sagt er, dem das Schicksal der Ukrainer seit Wochen die Tränen in die Augen treibt. „Ich bin ein sehr gefühlvoller Mensch.“
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Eigentlich arbeitet er in der Telekommunikationsbranche am Ausbau des 5-G-Netzes. Aber jetzt hatte er den Drang, bei Wichtigerem zu helfen. „Das sind doch meine Landsleute und ich spreche ihre Sprache. Ich kann etwas tun für sie!“ Über eine Zeitarbeitsfirma ließ sich der Duisburger für das Team engagieren, das unter der Regie der Feuerwehr die Hilfseinrichtung in und um die Homberger Glückauf-Halle stemmt.
Oleg gesellt sich zu den Neuankömmlingen, die unter dem Dach eines Pavillons darauf warten, einen Platz im Zelt zugewiesen zu bekommen. Und die so viele Fragen haben. Dazu, wie das Leben jetzt hier in Deutschland erstmal weitergehen kann. „Sie sind alle so dankbar“, hat Oleg erlebt. „Hier jammert keiner, wenn er warten muss. Hauptsache man ist in Sicherheit.“
An diesem Morgen werden von Mitarbeitern einer Sicherheitsfirma noch Stühle in die neuen Zelte geschleppt. Dann ist alles fertig, damit neben den 200 Ukrainern, die einen Platz in der Glückauf-Halle haben, noch bis zu 450 weitere untergebracht werden können.
Der Parkplatz, auf dem in anderen Zeiten die Besucher von Veranstaltungen in der Glückauf-Halle ihre Fahrzeuge abstellen, ist fast schon zu einem kleinen Flüchtlingsdorf geworden. Sanitärcontainer, Kleiderausgabe, Spielbereiche für die Kinder – und dann die beiden Großzelte, die sogar Namen haben. „Charlotte“ und „Luise“ heißen sie, benannt nach den Straßen, an denen sie liegen.
„Ich weiß, dass Zelte keine ideale Lösung für die Unterbringung von Menschen sind“, sagt Feuerwehrchef Oliver Tittmann, bei dem alle Fäden der Duisburger Krisenhilfe zusammenlaufen. „Aber es gibt auf die Schnelle einfach keine Alternative.“ Wichtigstes Ziel, so Tittmann, sei von Anfang an das Vermeiden von Obdachlosigkeit gewesen. „Jeder Geflüchtete soll ein Dach über dem Kopf und genügend Essen haben“, fasst er die Basisversorgung in Worte. „Das haben wir bisher gut hinbekommen.“
Die Feuerwehr Duisburg stemmt den humanitären Einsatz
Im Feuerwehr-Jargon spricht er davon, dass man stets „vor der Lage“ sein müsse, um die Situation im Griff zu haben. Ein Kräfte zehrender Wettlauf, den die Duisburger Feuerwehr schon in der Pandemie gemeistert hat. „Es läuft alles richtig gut an“, bewertet der Chef der Katastrophenschützer jetzt das Geschehen. Viel geschlafen hat Tittmann als Verantwortlicher in letzter Zeit nicht. Eine Tatsache, die für ihn Nebensache ist. Selbst extreme Müdigkeit kann er für eine gute Weile aushalten. Der 45-Jährige ist bekannt dafür, dass er seinen Job mit so viel Herzblut macht, dass in seinem Blut die Endorphine tanzen. „Ein solcher humanitärer Einsatz, der setzt auch wahnsinnig viel Energie frei.“
Dennoch: Oliver Tittmann ist froh, dass nach dem ersten, hauptsächlich von der Feuerwehr gestemmten Kraftakt zur Errichtung einer Infrastruktur für die Unterbringung und Versorgung der Flüchtenden, jetzt auch die caritativen Einrichtungen und Kirchen fest mit im Sattel sitzen. In Homberg kümmern sie sich mit Hilfe von Ehrenamtlern zum Beispiel um die Kinderbetreuung, die Versorgung mit Kleidung oder um den so wichtigen seelischen Beistand.
Bei der Logistik hat die Feuerwehr zwar noch den Hut auf, aber die Organisation in der Glückauf-Halle und den Zelten übernehmen nun immer mehr die Mitarbeiter von Zeitarbeitsfirmen. Zu diesem Team gehört auch Oleg, der Dolmetscher, der sich vorstellen könnte, auch bei der Organisation noch mehr zu helfen.
Die kleine Madina malt bunte Bilder
Wie lange die Glückauf-Halle und die anderen Unterkünfte in der Stadt benötigt werden, das kann momentan niemand absehen. Auch nicht, wie viele Plätze noch geschaffen werden müssen. Aktuell, das teilt die Stadt mit, sind 905 Menschen aus der Ukraine in Duisburg registriert. Weitere 2600 Termine für eine Registrierung stehen noch aus. Dazu kommen Geflüchtete, die nicht gezählt wurden, weil sie privat untergekommen sind.
In Homberg hat Madina, vier Jahre alt, zusammen mit anderen Kindern bunte Zeichnungen an die Tür der Glückauf-Halle gehängt. Ihr rotes Männchen hat ein trauriges Gesicht. Es sieht aus, als ob es weint. Aber gleich daneben hüpft ein grünes Wesen munter in die Höhe. Ein Wechselbad der Gefühle, das vermutlich noch lange andauern wird.
>>> SO KANN GEHOLFEN ODER GESPENDET WERDEN:
- Die Stadt bittet darum, keine Sachspenden zu den Standorten der Flüchtlingsunterkünfte zu bringen. Das können die Helfer vor Ort nicht stemmen. Der Bedarf wird zentral organisiert.
- Unter www.duisburg.de/ukraine-info gibt es Listen, was gerade gebraucht wird. Aktuell sind das Badelatschen, Kinderzahnbürsten, Handseife, Reisetaschen und Koffer. Abgegeben werden können die Sachen nur im Kaufhaus der Diakonie, Düsseldorfer Straße 269, 47053 Duisburg (mo bis fr. 9.30-18, sa 9-13 Uhr).
- Wer sich ehrenamtlich engagieren möchte, kann sich an die Wohlfahrtsverbände oder Kirchengemeinden vor Ort wenden.
- Geldspenden können auf das Ukraine-Konto der Wohlfahrtsverbände überwiesen werden: IBAN DE72 3505 0000 0200 9200 98, Sparkasse Duisburg.