Duisburg-Rheinhausen. Tschüss Glaskasten! 26 Jahre hat Uschi Klarhöfer in Rheinhausens Krupp-Verwaltung gearbeitet. Zum Abschied teilt sie ihre Erinnerungen mit uns.
Himmel und Erde! Am 27. Februar 1990 stand das rheinische Traditionsgericht auf dem Speiseplan im Verwaltungsgebäude der Krupp Industrietechnik. Blutwurst, Stampfkartoffeln und Apfelmus wurden den Angestellten an diesem Dienstagmittag serviert. Alternativ gab es Toast Hawaii und einen Eisbecher mit Früchten zum Nachtisch. „Da hinten im Erdgeschoss war unsere Kantine“, sagt Uschi Klarhöfer. Sie schiebt mit der Schuhspitze eine dicke Glasscherbe zur Seite und greift an den Bauzaun, der das verlassene Gebäude mit den kaputten Scheiben komplett umrundet, seit es hier jüngst gebrannt hat. „Das sieht ja schlimm aus! Ich war bestimmt zehn Jahre nicht mehr hier.“
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Uschi Klarhöfer schüttelt den Kopf. Vom Glanz des Hauses, das in den 60er Jahren zu den modernsten Bürobauten Deutschlands gehört haben soll, ist so gut wie nichts mehr übrig. Seit fast 30 Jahren steht das Gebäude leer. „Wir sind damals alle nach Essen umgezogen“, erinnert sich die 67-Jährige, die von 1970 bis 1996 in der fensterreichen Krupp-Verwaltung mit dem Spitznamen „Glaskasten“ gearbeitet hat.
Uschi Klarhöfer arbeitete 50 Jahre lang für Krupp in Duisburg-Rheinhausen
50 Jahre war sie Krupp treu. Ein Dienstjubiläum, das kaum noch jemand erreicht. „Ich habe meine Ausbildung ja schon mit 14 angefangen.“ Seit 2019 ist sie im Ruhestand. Vielleicht ist es das letzte Mal, dass Uschi Klarhöfer, die mittlerweile in Moers lebt, ihre alte Arbeitsstätte in Rheinhausen sieht. Wie berichtet soll das markante Haus an der Franz-Schubert-Straße Anfang des kommenden Jahres abgerissen werden.
Im „zentralen Schreibdienst“ hat Uschi Klarhöfer damals nach ihrer Ausbildung als Bürogehilfin für verschiedene Abteilungen gearbeitet. Vor allem an die 26 Jahre in Rheinhausen hat sie richtig gute Erinnerungen. „Das war so eine tolle Zeit. Damals hat man unter Kollegen noch ganz anders zusammengehalten.“
Nicht nur den Speiseplan von 1990 hat sie aufbewahrt. Einen ganzen Ordner voller Erinnerungen breitet die Duisburgerin auf dem Tisch aus. Darunter sind Fotos, die sie in den 80er Jahren an ihrem Arbeitsplatz im Großraumbüro in der dritten Etage zeigen. Mannshohe Trennwände teilen die riesige Bürofläche in kleinere Einheiten. Zimmer mit Aussicht? Von den tollen Fensterfronten hat Uschi Klarhöfer nicht viel mitbekommen. „Ich saß in der Mitte des Raumes.“ Aber dafür konnte sie sich ihren Bereich mit Bildern und Pflanzen verschönern.
Krupp-Verwaltung in Rheinhausen: Paternoster und Aufzug
Schon als kleines Mädchen war ihr das Gebäude mit den vielen Fenstern ein Begriff. Oft ist sie mit dem Zug daran vorbei gefahren. „Dann hat meine Mutter immer gesagt: Guck mal, da arbeitet der Onkel Franz.“ Als sie als Vierzehnjährige dann selber ihre Ausbildung bei Krupp begann, war sie beeindruckt von dem modernen Haus. „Da gab es diesen tollen, hellen Empfangsbereich mit einer Telefonzelle drin. Luxus pur!“, so kam es ihr zumindest damals vor. Und dann die vielen Herren mit wichtigen Posten, die sich von ihrem Fahrer oder einem Taxi bis zum Vordach bringen ließen. „So konnten sie trockenen Fußes hineingehen.“
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Das junge Mädchen musste anfangs den „Kantinengang“ übernehmen. Damals war sie noch in einer Abteilung in den Altbauten neben der moderneren Verwaltung und musste für die älteren Kolleginnen und Kollegen Bestellungen aus der Kantine herbeischleppen. Später war sie dann stolz, im neuen Gebäude zu sein, das einen Paternoster und einen normalen Aufzug hatte. Und eine Klimaanlage. „Das war schon etwas Besonderes!“ Allerdings hatte die nicht nur Vorteile. „Da gab es Lüftungsschlitze, durch die es total gezogen hat. Wir haben das mit den Unterschriftenmappen abgedeckt.“
Mitarbeiterin in der Krupp-Verwaltung: Erinnerung am Handgelenk
Je länger sie das Gebäude betrachtet, umso klarer werden die Erinnerungen. In der ersten und zweiten Etage war die Abteilung Förderanlagen, in der dritten die Elektrotechnik. Außerdem gab es eine eigene Abteilung für Übersetzungen und eine für Dokumentation. „Da wurden die Betriebsanleitungen geschrieben.“ Hausdruckerei, Rechtsabteilung, Hauptkasse, Einkauf, Kostenrechnung – immer mehr fällt ihr ein. Tausend Beschäftigte sollen in dem fünfstöckigen Haus zu den besten Zeiten gearbeitet haben. „Als ich aufgehört habe, waren wir in Essen vielleicht noch 300.“
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Gerne hätte Uschi Klarhöfer noch mal einen Fuß hinein gesetzt in das Kruppsche Fensterhaus. Aber wir kommen nicht näher heran an die eingezäunte Ruine. „Vielleicht hätte ich meinen Werksausweis mitbringen sollen“, scherzt sie. Am Handgelenk trägt die 67-Jährige ein goldenes Armband mit dem Emblem des Industriekonzerns. Ein Geschenk zum 35. Dienstjubiläum, das zu ihren gut gehüteten Erinnerungsschätzen gehört. Nicht alles lässt sich bewahren, das ist ihr klar. Aber wehmütig wird sie trotzdem sein, wenn das Gebäude aus Rheinhausen verschwindet: „Krupp ist ja auch ein Stück meiner Geschichte.“
>>> DAS NEUE QUARTIER AM TOR 1 FÜR 70 MILLIONEN EURO
- Große Pläne gibt es jetzt für das Areal, auf dem die alte Krupp-Verwaltung seit Jahrzehnten vor sich hin gammelt. Der niederländische Investor ließ jüngst von seinen Projektentwicklern präsentieren, was er hier plant.
- Nach dem Abriss des Glaskastens (voraussichtlich Anfang 2022) soll hier für 70 Millionen Euro ein neues Quartier mit guter Anbindung an die Innenstadt entstehen. Die Altbauten, ebenfalls Überbleibsel der Krupp-Ära, werden bereits saniert.
- Ergänzt werden sie durch moderne Häuser mit Wohnungen (in verschiedenen Größen und Preisklassen) und Einrichtungen für das Zusammenleben von Generationen. Schwerpunkt im neuen Viertel wird das Thema „Gesundheit“ sein. Eine Hausarztpraxis hat in einem der renovierten alten Gebäude schon eröffnet.