Duisburg-Baerl. Die 400 Mannen der Bürger-Schützengesellschaft Baerl 1485 können aus dem Vollen schöpfen. Wer Jungschütze werden will, muss auf die Warteliste.

So schnell vergeht die Zeit. Auch Rolf Dresler muss kurz rechnen. 18 war er, als er dazustieß, zur coolsten Gruppe im Dorf – heute ist er 56 und immer noch dabei, seit der Vorstandswahl als Präsident. Bedeutet: 38 Jahre Bürger-Schützengesellschaft Baerl (BSG) Das muss man sich erstmal vor Augen führen. Mit diesem Verein vergeht die Zeit wie im Flug. Weil er das Leben auf selbstverständliche Art bereichert, ohne ihm zu viel Zeit abzuverlangen. Weil man miteinander feste feiern und auch für andere vieles auf die Beine stellen kann. Und weil man sich aufeinander verlässt, gerade jetzt in Corona-Zeiten. Auch wenn Dresler die Situation zu schaffen macht; Angst um seinen Mitgliederstand hat er nicht. Die bleiben bei der Vogelstange. Und so ganz haben die Schützen die Hoffnung auf ihr Fest anno 2021 auch noch nicht aufgegeben. „Eigentlich“, sagt Vereinssprecher Klaus Moeller, „wären wir startklar.“

Planen ist in Zeiten von Corona für Vereine auch in Duisburg fast unmöglich

Es gibt bessere und schlechtere Zeiten für einen Verein. Und diese sind – sehr schwierig. Denn uneigentlich ist Corona und das heißt: Keiner kann planen, vor allem nicht langfristig. Und wenn man sich doch traut, geht die Sache sicher schief. Veranstaltungen wie der traditionelle Ausmarsch im April fielen der Pandemie zum Opfer. Das Thronfest des amtierenden Königs Heinz Frütel: gestrichen, ebenso das Preis- und Pokalschießen, schildert Dresler. Unter den aktuellen Umständen mache es ohnehin keinen Spaß zu feiern. Bedeutet für den amtierenden Vereinsmeister Sebastian Hartendorf: Er hält das Zepter des ungekrönten Meisterschützen ein weiteres Jahr in der Hand. So entstehen Monarchien.

Königlich herausgeputzt: Eine Gesellschaft der BSG im Jahre 1913. Das Bild stammt aus einer Festschrift.
Königlich herausgeputzt: Eine Gesellschaft der BSG im Jahre 1913. Das Bild stammt aus einer Festschrift. © FUNKE Foto Services | Arnulf Stoffel

Die Königskette liegt gut verwahrt in einem Tresor

Rund 400 Mitglieder gibt es. Und einige Besonderheiten. Als da wäre zunächst die lange Tradition. Eine filigran beschriftete Urkunde, die nun auch schon vor geraumer Weile in einem Archiv in Moers ans Tageslicht befördert wurde, nennt als Gründungsdatum den 21. August 1485. Im selben Jahr wurde in London Heinrich VII. zum König von England gekrönt.

Die Geschichte der Gesellschaft ist weit unerforschter und heute im wesentlichen durch rund 80 Plaketten und Anhänge an der Königskette dokumentiert, die in Baerl nur beim Schützenfest aus einem Tresor geholt wird. Ein prachtvolles Erinnerungsstück. Schwarz-Weiß-Fotografien reichen bis ins erste Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts zurück, manche Familiennamen finden sich heute noch in Baerl und Umgebung. In ländlichen Regionen weiß man: Tradition hält eine Gesellschaft auch zusammen.

Und das zeigt sich nicht zuletzt am Stellenwert, den man in Baerl besitzt. Während andere Vereine um Akzeptanz und Nachwuchs bangen, können die Baerler aus dem Vollen schöpfen. Bei den Sappeuren, den Jungschützen, existiert sogar eine Warteliste. Die Jungs im Ort fiebern dem Eintritt mit 16, 17 Jahren entgegen, müssen sich aber gedulden, bis sie 18 sind.

Legendärer Hindernislauf durch Baerl

Denn bei den Schützen im „Dorf“ gelten, so Dresler, im Wesentlichen nur zwei Regeln. Mitglied kann werden, wer volljährig ist und – männlich. Wegen der Tradition. Wer statistisch jeden fünften Mann sein Mitglied nennt, weiß sich auf der sicheren Seite. Dresler sagt es anders. „Wir haben eine hohe Akzeptanz.“

Humor hilft auch in dieser Krise. Der Schießstand der Bürger-Schützengesellschaft Baerl von 1485 in Corona-Zeiten.
Humor hilft auch in dieser Krise. Der Schießstand der Bürger-Schützengesellschaft Baerl von 1485 in Corona-Zeiten. © BSG | BSG

Ein Schützenfest im Dreijahresrhythmus gibt es erst seit 1973, vorher fand es alle fünf Jahre statt, „der Aufwand“, so Dresler, „ist sonst zu groß.“ Denn wenn gefeiert wird, dann richtig. Hunderte sind auf der Straße, Fußtruppen und Kapellen ziehen – das nachbarschaftliche Hindernisbauen hat längst Kult-Charakter und ist über die Stadtgrenzen hinweg bekannt. Vor dem großen Festzug errichten die Baerler auf den Straßen wahre Kunstwerke wie etwa eine A 42-Brücke, das Feuerwehrhaus oder die Baerler Mühle im Kleinformat, die erstens ausgiebig bestaunt und zweitens mit viel Aufwand und Bohei beiseite geräumt werden müssen, bevor es weitergehen kann – zu Fußballmeisterschaftszeiten sind auf der Geststraße schon Fußballfelder emporgewachsen, erzählt Klaus Moeller.

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Ansonsten ist das Schützen-Jahr überschaubar, familien- und job-kompatibel und lässt Freiraum ebenso zu, wie die Möglichkeit zu Aktivitäten. Und das kommt gut an. Die Schützen sind auch in sozialer Hinsicht unterwegs: Sie pflegen das Mahnmal, gestalten die Dorfwiese, kümmern sich um den Bücherschrank. Als die Pandemie im Frühjahr losbrach, haben die Sappeure eine Einkaufshilfe für die Senioren organisiert, die gut angenommen wurde. Und bald verteilen die Mannen Weckmänner in Kindergärten und Schulen.

Noch einmal Präsident Dresler, Baerler der ersten Stunde. Schon als er Anfang der 80er endlich 18-jährig zu den Sappeuren stieß, war die Truppe heiß begehrt, erinnert er sich. „Die hatten die coolsten Veranstaltungen. Alle Freunde waren dabei und alle aus dem Sportverein.“

Inzwischen sind die Kinder groß und mit von der Partie. Zuletzt habe man im Vorstand wieder über die BSG in zehn Jahren diskutiert, berichten Dresler und Moeller. Zukunftsmusik, aber wichtig! „Wir versuchen, immer mit der Zeit zu gehen.“