Duisburg.
Walter Riester warnt vor Altersarmut, vor den Folgen der tiefgreifenden Veränderungen im Arbeits- und Entlohnungssystem für die Rentenansprüche der heute Beschäftigten. „Viele Menschen waren oder sind länger oder kurzfristig arbeitslos. Heute gibt es mehr als sieben Millionen Mini-Jobber auf dem Arbeitsmarkt, davon rund drei Millionen, die ausschließlich in Mini-Jobs arbeiten“, so der frühere Bundesarbeitsminister, der vor rund 100 Studenten und Lehrenden der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung NRW, Fachbereich Rentenversicherung, in Großenbaum sprach. Auch die Teilzeitarbeit habe sich mehr als verdoppelt.
„Der Niedriglohnbereich ufert zunehmend aus. Fast drei Millionen Frauen sind alleinerziehend. 1, 4 Mio. Menschen bekommen Aufstockungsbeträge aus der Grundsicherung, weil sie trotz Erwerbsarbeit zu wenig verdienen“, listete der Sozialdemokrat und IG-Metaller (68) weiter auf. „Diese Menschen zahlen kaum in die Rentenversicherung ein. Darin sehe ich die große Herausforderung der Zukunft für all diese Menschen.“ Die Höhe der eingezahlten Beiträge, nicht das Rentenversicherungssystem entscheide darüber, wer im Alter arm oder nicht werde. Riesters Kritik: „Diesen Fakten wird in der aktuellen Politik zu wenig Beachtung geschenkt.“ Um diesen Trend zu stoppen, habe er als SPD-Abgeordneter im Bundestag dem gesetzlichen Mindestlohn zugestimmt.
Rentenbezugsdauer verdoppelt
Erfreulich sei dagegen, dass sich die Bezugsdauer der Rente wegen der höheren Lebenserwartung in den vergangenen 55 Jahre deutlich erhöht, ja verdoppelt habe: „1957 betrug die Bezugsdauer im Durchschnitt 9,9 Jahre, 2012 18,5 Jahre, in naher Zukunft rund 20 Jahre.“ Außerdem gingen heute – anders als früher - viele Beschäftigte vorgezogen in den Ruhestand. Das sei für die Rentenpolitik genauso eine „Riesenherausforderung“ wie die Tatsache, dass sich der Anspruch an den Lebensstandard seit Ende der 50er Jahre deutlich erhöht habe. „Damals nahmen die Leute nach zwei Inflationen und Weltkriegen, nach Erwerbslücken und beitragsfreien Zeiten Abschläge hin. Heute wollen sie ihren Lebensstandard halten, den sie sich erarbeitet haben.“ Das Niveau der Standardrente sei von 55 (1970) auf 51,6 Prozent (2012) gesunken.
„Als Minister habe ich diese drei Herausforderungen gesehen und gehandelt“, so Riester. „Ich entschied mich dafür, eine zusätzliche Möglichkeit des Vorsorgesparens zu entwickeln.“ Zehn Jahre nach ihrer Einführung hat sich die so genannte Riesterrente mit rund 15 Millionen abgeschlossenen Versicherungsverträgen und rund 37 Milliarden Euro Beitragseinzahlungen insgesamt zu einer Erfolgsgeschichte entwickelt. Namensgeber Riester ging in Großenbaum auch auf die Kritik an der Riester-Rente ein. Er räumte ein, dass einzelne Anbieter mit der Riester-Rente „Schindluder“ getrieben hätten.
"Es gibt auch schlechte Riester-Produkte"
„Es gibt auch schlechte Riester-Produkte.“ Außerdem habe die die Einrichtung einer zentralen Stelle für die Bewilligung der staatlichen Zuschüsse oft zu „schwierigen Verfahrensabläufen geführt.“ Zwar müssten die Arbeitnehmer die Beiträge zur Riester-Rente alleine bezahlen: Riester verwies aber auf staatliche Zuschüsse und Steuererleichterungen. Insgesamt habe es in der Rentenversicherung – anders als in der Pflege- und Krankenversicherung - keinen Ausstieg aus dem paritätisch finanzierten Sozialsystem gegeben.
Ferner habe er als Minister die Riester-Rente gerne obligatorisch, nicht freiwillig für die Bundesbürger einführen wollen. Schließlich habe die Regierung Schröder dem Druck einzelner Medien nachgegeben, die vorschnell von einer „Zwangsrente“ geschrieben hatten. Riester kritisierte in diesem Zusammenhang auch mehrere Fernseh-Berichte der ARD (u.a. Monitor), die „die Bürger zusätzlich verunsichert haben.“ Der frühere Arbeitsminister verteidigte die „Rente mit 67“: „Es handelt sich nicht um eine Verkürzung der Rentenbezugsdauer. In Wirklichkeit wird sich die Bezugsdauer bis 2028 um einen Monat pro Jahr verlängern“, rechnete Riester vor.