Duisburg-Huckingen. Hündin Frida begleitet die Bewohner des Hospizes St. Raphael in Huckingen – bei Spaziergängen, beim Spielen, aber auch bei den letzten Atemzügen.

Klaus Schardt (74) wartet auf seinen Besuch im Hospiz. Er sitzt am kleinen Tisch seines Einzelzimmers. Seine linke Hand liegt gefaltet auf seinem Bein, der Zeigefinger tippelt aufgeregt am Knie. In der rechten Hand hält er Leckerlis bereit. Sein Blick schweift immer wieder zur Tür.

Als Frida plötzlich durch das Zimmer tapst, löst sich seine Anspannung. Er reicht ihr die Beef Sticks, die seine Tochter besorgt hat, und streichelt Frida vorsichtig mit zwei Fingern am Kopf. Frida – helles, flauschiges Fell, ein Halsband mit gelben und grünen Blumen – ist die neue Besuchshündin des Malteser Hospizzentrums St. Raphael in Huckingen. Klaus Schardt begegnet ihr zum ersten Mal.

Hospiz St. Raphael: Hündin Frida besucht zwölf Bewohner jeden Freitag

„Wir waren uns ja eigentlich fremd, aber schon nach ein paar Minuten fühlte es sich an, als würden sich Frida und ich schon ewig kennen“, sagt Schardt. Der 74-Jährige war schon immer ein Hundefreund und hat selber vier Hunde gehalten. Am 17. Oktober zog er ins Hospiz ein. Dort komme Hunden eine besondere Bedeutung zu: „So eine Viertelstunde mit einem Hund ist viel wert. Der bringt die Seele ins Haus. Da geht mir das Herz auf.“

Für seine erste Begegnung mit Frida hat Klaus Schardt eine Packung Leckerlis besorgt. Er füttert die Hündin vorsichtig. Nach kurzer Zeit sind die beiden vertraut miteinander.
Für seine erste Begegnung mit Frida hat Klaus Schardt eine Packung Leckerlis besorgt. Er füttert die Hündin vorsichtig. Nach kurzer Zeit sind die beiden vertraut miteinander. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Genau das sei die Aufgabe von Besuchshunden, sagt die Leiterin des stationären Hospizes, Annette Helling: „Der Kontakt mit Hunden soll die Patienten beruhigen, ihnen die Angst nehmen, sie fröhlich machen.“ Zwölf Menschen leben im Hospiz St. Raphael. Alle sind unheilbar erkrankt, ihre Erkrankungen weit fortgeschritten. Laut Helling haben die Menschen durchschnittlich 19 Tage im Hospiz, ehe sie sterben. „Es geht darum, ihnen bis zum Tod gut beizustehen, und dabei helfen auch die Hunde“, meint sie.

Für die Besuchshunde ist das durchaus eine Herausforderung: Einerseits seien viele Patienten relativ mobil. „Die wollen dann mit den Hunden spielen, manchmal auch etwas im Garten spazieren gehen“, sagt Annette Helling. Andererseits würden Besuchshunde den Menschen auch bei ihren letzten Atemzügen beistehen. „Dann muss ein Hund ganz ruhig sein, seinen Atem anpassen und nah an den Patienten heran.“

Martina Chalmovsky bekam Frida als Welpen

Bei diesen Aufgaben ist Frida nicht allein. Halterin Martina Chalmovsky steht ihr eng zur Seite. Sie kennt das Hospiz und die Mitarbeiter gut. 2019 arbeitete sie zunächst am Empfang, danach als Trauerbegleiterin. Nun besucht sie das Hospiz zusätzlich freitags mit ihrem 13 Jahre alten Labradoodle-Weibchen Frida – einem Mischling aus Pudel und Labrador. Als Chalmovsky ihre Hündin bekam, war Frida noch ein Welpe.

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„Frida öffnet bei vielen Menschen Türen zur Vergangenheit. Wenn sie früher schon Hunde hatten, lässt sie die Begegnung mit Frida in frühere Realitäten eintauchen“, beschreibt Chalmovsky. Über Fridas Besuch freuten sich aber nicht nur langjährige Hundefreunde: „Wir sind auch einem Patienten begegnet, der früher Angst vor Hunden hatte und Frida nachher trotzdem geliebt hat.“

Auch Frida selbst gefallen die Besuche im Hospiz: „Für sie ist das schon fast wie eine Routine. Und sie freut sich natürlich über die ganzen Leckerlis, die sie hier bekommt“, sagt Martina Chalmovsky. Die Bewohner möchten vor allem ihr flauschiges Fell und wollten sie oft streicheln. „Davon ist sie auf dem Heimweg manchmal noch ganz aufgeregt.“

Winfried Dichter: „Wir gewinnen beide einen Freund“

Winfried Dichter (83) wohnt bereits seit dem 12. September im Hospiz St. Raphael. Wenn Frida ihn besucht, scheint es, als träfen zwei alte Freunde aufeinander. Sie rennt ins Zimmer und umkreist ihn. Er streichelt sie zuerst sanft hinter den Ohren, dann fest am Rücken.

Schon den ganzen Tag hat Winfried Dichter seine Hundeleine griffbereit. Schuhe an, Tür zum Garten auf, die Leine in den Karabiner eingehakt, und schon sind die beiden draußen. „Soll ich Frida hinten festhalten, damit Sie spazieren gehen können?“, fragt Martina Chalmovsky. „Brauchen Sie nicht. Wir kennen uns ja schon“, sagt der 83-Jährige selbstbewusst und marschiert mit Frida los.

Wirklich lange kennen sich Frida und Winfried Dichter eigentlich nicht. Sie begegnen sich zum dritten Mal. Im Vergleich zu den Kontakten mit den anderen Bewohner ist das schon viel Zeit. „Der Funke ist direkt übergesprungen. Wir haben uns von Anfang an gut verstanden“, sagt der 83-Jährige.

Wenn Winfried Dichter mit Frida spazieren geht, braucht er keine Hilfe mehr. Halterin Martina Chalmovsky hat Vertrauen in die beiden.
Wenn Winfried Dichter mit Frida spazieren geht, braucht er keine Hilfe mehr. Halterin Martina Chalmovsky hat Vertrauen in die beiden. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Er schätzt besonders Fridas Gelassenheit: „Da muss man nicht aufpassen, wie man sich verhält. Sie geht mit allen ruhig um.“ Für beide seien die Besuche ein Geben und Nehmen, „denn wir gewinnen ja beide einen Freund, mit dem wir gerne Zeit verbringen, und das wird für immer so bleiben.“

>> SO KAM FRIDA INS HOSPIZ ST. RAPHAEL

  • Tierischen Besuch bekommen die Bewohner des Hospizes St. Raphael schon lange. Fünf Jahre lang besuchten Regina Elfert und ihre Hündin Trudy das Hospiz. 2021 gingen die beiden in Rente. Trudy verstarb kurze Zeit später.
  • Im Sommer 2022 startete das Hospiz einen Facebook-Aufruf, um Nachfolger für Regina Elfert und Trudy zu finden. „Die Rückmeldung war überwältigend“, sagt Annette Helling.
  • Martina Chalmovsky und Labradoodle Frida haben das Hospiz-Team am Ende überzeugt: „Frau Chalmovsky kannten wir ja schon von ihrer Arbeit im Hospiz. Zusammen mit Frida hat das am besten gepasst“, meint Annette Helling.