Duisburg. Nach dem, wohl tödlichen, Badeunfall am Duisburger Masurensee herrscht wieder reger Betrieb am Strandabschnitt. Zettel hängen an Bäumen.

„Schalke, Schalke“ tönt es an diesem heißen Samstag im Wasser - weit weg vom Ufer des Wedauer Masurensees in Duisburg. Eine Gruppe blau-weißer Fans grölt und bespritzt die neugierigen Gänse in der Nähe. Kleine Kinder planschen am Ufer. Mitten auf dem Baggersee ist gerade noch der Kopf eines Schwimmers zu erkennen. Der heiße Sommertag zieht auch vier Tage nach dem – wohl tödlichen Badeunfall - eines 33-jährigen viele Wasserfreunde an. „Baden verboten“ gilt auch für den Masurensee. Aber viele Sonnenhungrige verstehen die klare Ansage der Stadt wohl eher als Empfehlung anstatt als Warnung. Gefunden wurde der vermisste polnische Staatsbürger aus Duisburg auch bis Sonntagmittag noch nicht.

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Der 18 Monate alte Hund Paco sitzt mit Herrchen und Frauchen unter einem orangefarbenen Sonnenschirm und guckt aufs Wasser. Vera (54) und Uwe Zagorni (65) aus Wattenscheid haben es sich am Strand des Baggersees gemütlich gemacht und werfen ein waches Auge auf Tochter Lisa und den zehnjährigen Enkel Leon. Seit über zwanzig Jahren kommen die Wattenscheider immer mal wieder zum Masurensee. „Gucken Sie sich jetzt mal die Temperaturen in Spanien an. Warum sollte ich dahin reisen, wenn es hier im Ruhrgebiet so unglaublich grün und schön ist?“ fragt er.

Duisburger See lockt Menschen aus dem ganzen Ruhrgebiet

Sein Enkel hat früh schwimmen gelernt. Denn er selbst schleppt immer noch eine Nichtschwimmer-Erfahrung mit sich herum, die wirklich nicht erfreulich war. Er hat als Kind in Bochum-Dahlhausen in der Ruhr gebadet, plötzlich aber den Halt verloren. „Ich bin abgerutscht und am Wehr gelandet. Ich musste einfach schwimmen, obwohl ich es noch gar nicht konnte.“ Das war für ihn das Schlüsselerlebnis, dass Tochter und Enkel schnell schwimmen lernen mussten.

Vera und Uwe Zagorni aus Wattenscheid genießen die Atmosphäre am Duisburger Masurensee. Von dem tragischen Badeunglück am Dienstag haben die beiden gar nichts mitbekommen.
Vera und Uwe Zagorni aus Wattenscheid genießen die Atmosphäre am Duisburger Masurensee. Von dem tragischen Badeunglück am Dienstag haben die beiden gar nichts mitbekommen. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Vom Unglück vor vier Tagen in genau diesem See haben die Wattenscheider nichts mitbekommen. Vera hat in einem Gewinnspiel mitgemacht und Glück gehabt. Das superleichte Gummiboot, das sie zugeschickt bekam, hat jetzt seinen „Stapellauf“, denn „im Pool zu Hause kann man es ja nicht ausprobieren“, erklärt Uwe Zagorni. Die Tochter paddelt mit Leon auf den See, allerdings hält sie sich immer in Ufernähe auf.

Nichtschwimmer lassen besondere Vorsicht walten

Nur mit den Füßen ins Wasser gehen an diesem Tag Fußballerin Alexandra Rückert mit ihrem Freund Wladimir Klass, ebenfalls Fußballer aus Essen. Mitgebracht haben sie den einjährigen „Leihhund“, einen schneeweißen Akita. „Meine Freundin heiratet heute ihren Trainer und da sitten wir den Hund.“ Ansonsten ist der Tag dem Sonnenbaden vorbehalten. In dem Baggersee würden die beiden nie schwimmen. So hält es auch der wasserscheue Hund, der das kühle Nass allenfalls an seine Krallen lässt. Dass immer wieder Unglücke an Seen passieren, wissen sie, denn die beiden wohnen am Baldeneysee. „Da sind auch vor kurzem wieder zwei Schwimmer ertrunken. Man muss wirklich vorsichtig sein“, sagt die sportliche, schlanke Essenerin.

Nur bis zu den Waden im Wasser steht Mohammed Shafi Nikzad. Der 44 Jahre alte Afghane, der 2016 nach Deutschland kam, ist heute mit seiner Frau und seinen drei Kindern am Masurensee. Zwei Schritte vom seichten Ufer in den See ist das Maximum, das er sich und seinen Kindern erlaubt. Er hat von dem Unglück gehört und kann selbst nicht schwimmen. Darum ist er ausgesprochen vorsichtig. „Meine beiden großen Kinder haben in der Schule sofort schwimmen gelernt“, freut er sich. Er selbst habe in seiner Heimat überhaupt nicht die Gelegenheit zum Schwimmen gehabt. „Wo ich herkomme, gibt es keinen See und kein Schwimmbad, da gibt es nur Berge“, schildert er die Situation in fließendem Deutsch.

Zettel erzählen eine andere Geschichte des Vermissten als die Polizei

Viele, die am Strand sitzen, wissen nichts davon, dass der 33-Jährige immer noch vermisst wird. Die Polizei hat die Suche eingestellt, weil die Überlebenschance nach so vielen Tagen gleich null ist. Man wartet darauf, dass der leblose Körper an der Wasseroberfläche auftaucht. Manche wissen gar nicht, dass an dem Baggersee Badeverbot herrscht. Schilder sind an der Stelle, an der sich viele den ganzen Tag aufhalten, nicht zu sehen. Auch das Ordnungsamt hat noch nicht „patrouilliert“, scheint aber an den vielen anderen Stellen präsent zu sein. Denn gerade fährt ein städtisches Auto oben am See entlang. Andere sind an den Zetteln mit dem Bild des Verschollenen vorbeigekommen, die an Bäumen aufgehängt wurden. Es ist allerdings eine eigene Version des Unglücksgeschehens zu lesen.

Mit diesen Plakaten suchen Freunde Dawid S., der seit Dienstag im Duisburger Masurensee vermisst wird.
Mit diesen Plakaten suchen Freunde Dawid S., der seit Dienstag im Duisburger Masurensee vermisst wird. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Darauf steht: „Unser Freund Dawid S. wird seit Dienstagabend vermisst… Er war mit seiner kleineren Schwester, am Duisburger Masurensee schwimmen. Nachdem er seine Schwester vor dem Ertrinken gerettet hat, war er verschwunden. Es waren kein Alkohol oder Ähnliches im Spiel.“ Die Polizei wiederum hatte mitgeteilt, dass der Duisburger alkoholisiert von einer Luftmatratze ins Wasser gerutscht ist.

Das Hoffen und Warten, dass man den Verschollenen findet, geht Stand Sonntag also weiter.